OGH 1Ob208/14s

OGH1Ob208/14s27.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin J***** AG, *****, Serbien, vertreten durch Stolitzka & Partner Rechtsanwälte OG, Wien, gegen die Antragsgegnerin Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Kostenersatz nach § 31, §117 Abs 4 WRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 12. September 2014, GZ 12 R 47/14s‑24, mit dem der Zwischenbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 24. Februar 2014, GZ 61 Nc 1/08v‑20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00208.14S.1127.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung

1. Nachdem es zu einer massiven Verunreinigung eines Gewässers gekommen war, erteilte der Magistrat der Stadt W***** im Zuge einer Amtshandlung am 21. 6. 2005 gegenüber einem Mitarbeiter der (nunmehrigen) Antragstellerin konkrete Aufträge zur Behebung der Verunreinigung unter Angabe eines bestimmten Sanierungszielwerts binnen 14 Tagen; die Behörde werde die Maßnahmen auf Kosten der Antragstellerin anordnen, wenn mit der Sanierung nicht fristgerecht begonnen werde. Nachdem die damit konfrontierten Mitarbeiter der Antragstellerin deren Verantwortlichkeit bestritten und Sanierungsmaßnahmen verweigert hatten, beauftragte die Behörde mehrere Unternehmen mit den Arbeiten. Die von der Antragstellerin gegen die behördliche Anordnung erhobene Beschwerde wies der zuständige Unabhängige Verwaltungssenat mit Bescheid vom 22. 5. 2009 mit der (unrichtigen) Begründung zurück, ein vorangegangenes bescheidmäßig eingeleitetes Verfahren sei rechtskräftig abgeschlossen; die nochmalige Untersuchung derselben „Maßnahme“ in einem gesonderten Maßnahmenbeschwerdeverfahren komme nicht in Betracht. Dieser Bescheid wurde vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben (Zl 2009/07/0110): Das vorangegangene Verfahren sei keineswegs gegenüber der Antragstellerin rechtskräftig abgeschlossen worden, sondern vielmehr „ins Leere gegangen“, weil sich der Bescheid vom 18. 4. 2005 nicht an die Antragstellerin gerichtet habe. Die Anordnung vom 21. 6. 2005 stelle einen selbstständigen normativen Akt dar, der auch eigenständig bekämpfbar sei, zumal sich die beiden Maßnahmen auch inhaltlich voneinander unterschieden. Die Maßnahmenbeschwerde der Antragstellerin könne daher nicht unter Hinweis auf das vorangegangene Verfahren zurückgewiesen werden. Im zweiten Rechtsgang wies der Unabhängige Verwaltungssenat die Maßnahmenbeschwerde gegen den Verwaltungsakt vom 21. 6. 2005 neuerlich als unzulässig zurück. Er vertrat dabei die (unrichtige) Rechtsansicht, auch hinsichtlich der bekämpften Anordnung mangle es an einer rechtswirksamen Zustellung an die beschwerdeführende Partei und an einem geeigneten „Rechtsobjekt“ als „Bescheidadressat“. Diese Entscheidung erwuchs mangels weiterer Bekämpfung durch die Antragstellerin in Rechtskraft.

Mit Bescheid des Magistrats der Stadt W***** vom 23. 8. 2007 trug dieser der Antragstellerin gemäß § 31 Abs 3 WRG auf, die der Antragsgegnerin erwachsenen Sanierungskosten zu ersetzen. Dagegen richtet sich der gemäß § 117 Abs 4 WRG beim Außerstreitgericht erhobene Antrag, die im verwaltungsbehördlichen Verfahren ausgesprochene Kostenersatzpflicht zu beseitigen. Die Antragstellerin habe die Verunreinigungen nicht verursacht. Der Auftrag vom 21. 6. 2005 sei ihr gegenüber nicht ordnungsgemäß verkündet worden. Die ihr auferlegten Kosten seien auch überhöht.

Die Antragsgegnerin wandte dagegen im Wesentlichen ein, die Antragstellerin habe die Zurückweisung ihrer Maßnahmenbeschwerde gegen die Anordnung vom 21. 6. 2005 unbekämpft gelassen und könne sich daher im Kostenersatzverfahren nicht mehr darauf berufen, dass diese Anordnung ihr gegenüber nicht rechtmäßig erfolgt sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, es läge ein für die Antragstellerin bindender Verwaltungsakt im verwaltungsbehördlichen Verfahren vor, weshalb sie ihre Kostenersatzpflicht dem Grunde nach nicht mehr in Frage stellen könne, steht mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung im Einklang (vgl nur 1 Ob 203/12p = RIS‑Justiz RS0128268; VwGH, 96/07/0106). Auch sonst zeigt die Revisionsrekurswerberin nicht auf, inwieweit die Entscheidung des Rekursgerichts von der Lösung einer im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG erheblichen Rechtsfrage abhinge.

2. Die Revisionsrekurswerberin vermengt in ihren Ausführungen die Rechtsfolgen aus den späteren behördlichen Anordnungen mit denen des Bescheids vom 18. 4. 2005, der nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshof „ins Leere gegangen ist“, weil er an eine offenbar nicht existente juristische Person, jedenfalls aber nicht an die Antragstellerin, gerichtet war. Schon aus diesem Grund kann dieser Bescheid keinerlei Bedeutung für die Rechtsposition der Antragstellerin haben. Vielmehr ist das Rekursgericht zutreffend davon ausgegangen, dass allein auf die Anordnung vom 21. 6. 2005 (und ihre umgehende Durchführung) abzustellen ist.

3. Wie bereits dargelegt wurde, sind die Gerichte im Rahmen ihrer sukzessiven Kompetenz im Kostenfestsetzungsverfahren auch an den Inhalt von in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlassenen Anordnungen gebunden, sofern diese nicht im Verwaltungsrechtsweg für rechtswidrig erklärt und ‑ sofern erforderlich ‑ aufgehoben werden (1 Ob 203/12b; VwGH 96/07/0106). Die Ausführungen der Revisionsrekurswerberin in diesem Zusammenhang setzen sich allein mit dem in der Verhandlung vom 21. 6. 2005 einem Mitarbeiter ‑ und telefonisch auch einem leitenden Angestellten ‑ gegenüber erteilten Auftrag, die Antragstellerin habe als von der Behörde identifizierte Verursacherin die näher genannten Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, auseinander.

Dass sich diese Anordnung inhaltlich gegen die Antragstellerin gerichtet hat, kann ‑ entgegen der im Rechtsmittel vertretenen Auffassung ‑ schon nach dem Inhalt der in diesem Zusammenhang aufgenommenen Niederschrift nicht zweifelhaft sein, wird darin doch insbesondere auf die von der Antragstellerin am 17. 5. 2005 eingebrachte schriftliche Stellungnahme verwiesen. Unstrittig ist auch, dass es sich bei der bei der Amtshandlung anwesenden Person um einen Mitarbeiter der Antragstellerin gehandelt hat, dem gegenüber angekündigt wurde, die Behörde werde die Sanierungsmaßnahmen auf Kosten der Antragstellerin anordnen, wenn diese nicht selbst für die Sanierung sorgt. Dies wurde auch einem „Direktor“ der Antragstellerin zur Kenntnis gebracht. Spätestens mit dem Kostenersatzbescheid vom 23. 8. 2007 war unbestreitbar, dass die Sanierungsanordnung der Behörde die Sphäre der Antragstellerin betroffen hat. Schließlich ergibt sich auch aus dem Umstand, dass die Antragstellerin eine Maßnahmenbeschwerde gegen die Anordnung erhoben hat, unzweifelhaft, dass sie selbst davon ausgegangen ist, Adressat der Anordnung zu sein.

Die Revisionsrekurswerberin berücksichtigt bei ihren Darlegungen nicht, dass es die Behörde nicht bei dem am 21. 6. 2005 an Mitarbeiter der Antragstellerin erteilten Auftrag belassen hat, sondern vielmehr „zweistufig“ vorgegangen ist (vgl dazu nur Oberleitner/Berger, WRG³ § 31 Rz 23 unter Berufung auf die stRsp des VwGH), wobei es sich sowohl bei der Anordnung (VwGH 93/07/0126, 2009/07/0110; vgl auch VwGH 2011/07/0191) als auch der Durchführung (1 Ob 8/86 = SZ 59/111 = RIS‑Justiz RS0053659 mit Hinweis auf VwGH ZfVB 1985/346; 1 Ob 56/98m = SZ 71/99 = RIS‑Justiz RS0110310 ua) von Maßnahmen nach § 31 Abs 3 WRG um die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls‑ und Zwangsgewalt handelt: Zuerst wurde der erwähnte Auftrag erteilt und angekündigt, die Sanierungsmaßnahmen würden gegebenenfalls von der Behörde auf Kosten der Antragstellerin in Auftrag gegeben werden. Nachdem die damit konfrontierten Mitarbeiter der Antragstellerin deren Verantwortlichkeit bestritten und erklärt hatten, die Antragstellerin werde keinerlei Beauftragungen zur Sanierung vornehmen, beauftragte die Behörde ‑ wie angekündigt ‑ in einem zweiten Schritt Fachunternehmen mit den Sanierungsarbeiten. Diese zweite Maßnahme ‑ die jedenfalls dann geboten war, wenn es (wie dies die Antragstellerin behauptet) nicht möglich gewesen ist, umgehend eine für die Antragstellerin vertretungsbefugte Person ausfindig zu machen und ihr gegenüber eine Sanierungsanordnung auszusprechen ‑ kann nun durchaus als eigener Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des § 67a Abs 1 Z 2 AVG idF vor dem Verwaltungs-gerichtsbarkeits‑Ausführungsgesetz 2013, BGBl I 2013/33, qualifiziert werden, gegen den innerhalb von sechs Wochen ab Kenntnis eine Maßnahmenbeschwerde erhoben werden konnte (§ 67c Abs 1 AVG aF). Dass die Antragstellerin eine solche Beschwerde erhoben hätte, behauptet sie selbst nicht. Kenntnis von den Sanierungsmaßnahmen hatte sie mit Zustellung des Kostenersatzbescheids vom 23. 8. 2007 im Februar 2008 ‑ jedenfalls aber anlässlich der Akteneinsicht ihres Rechtsvertreters am 28. 3. 2008 ‑ erlangt.

Von einem nach Auffassung der Revisionsrekurswerberin rechtsunwirksamen „transnationalen Hoheitsakt“ kann keine Rede sein, wurde doch die Anordnung im Inland ausgesprochen und auch im Inland durchgeführt. Darauf, ob die vorangegangene Anordnung (samt Androhung der „Ersatzvornahme“) allenfalls (telefonisch) im Ausland zugegangen ist, kommt es schon deshalb nicht an, weil eine solche Anordnung ‑ wie dargelegt ‑ mangels rascher Erreichbarkeit vertretungsbefugter Organe der Antragstellerin gar nicht erforderlich gewesen wäre. Wegen der Unterlassung einer entsprechenden Maßnahmenbeschwerde ist die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung in diesem Verfahren nicht überprüfbar, sondern vielmehr als gegeben anzusehen. Ebensowenig kann geltend gemacht werden, die Anordnungen wären von einem unzuständigen Organ der Behörde erlassen worden.

4. Nichts anderes gilt, wenn man die beiden (stufenweise ausgesprochenen) Anordnungen der Behörde als einheitlichen Akt qualifizieren wollte, wie dies die Revisionsrekurswerberin möglicherweise tut. Wie bereits dargelegt, ist das Rekursgericht in unbedenklicher Rechtsanwendung davon ausgegangen, dass die Antragstellerin von den ihre Sphäre betreffenden behördlichen Anordnungen in ausreichender Weise in Kenntnis gesetzt wurde. Will sie die Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungshandelns in Zweifel ziehen, wäre sie gehalten gewesen, die in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls‑ und Zwangsgewalt getroffenen Maßnahmen durch die dafür zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe für rechtswidrig erklären zu lassen, widrigenfalls eine Bindung ‑ insbesondere auch für das nachfolgende Kostenersatzverfahren ‑ eintritt (RIS‑Justiz RS0128268). Die Antragstellerin hat zwar eine Maßnahmenbeschwerde erhoben, diese aber ‑ nach der sachlich unrichtigen Zurückweisung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat ‑ nicht weiterverfolgt, sodass die Unrechtmäßigkeit der Maßnahme gar nicht ausgesprochen werden konnte. Hat sie nun durch Unterlassung eines Rechtsmittels gegen die Zurückweisungsentscheidung selbst eine meritorische Überprüfung verhindert, kann sie sich nicht dadurch beschwert erachten, dass das Rekursgericht von der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts ihr gegenüber ausgegangen ist.

5. Nur der Vollständigkeit halber ist der Rechtsauffassung der Revisionsrekurswerberin, es könne schon deshalb kein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls‑ und Zwangsgewalt vorliegen, weil es stets eines konkreten „zuordenbaren“ Adressaten ‑ der im vorliegenden Fall ohnehin vorliegt ‑ bedürfe, zu entgegnen, dass eine solche Voraussetzung jedenfalls im Zusammenhang mit behördlichen Anordnungen im Sinne des § 31 Abs 3 Satz 1 zweiter Fall WRG nicht stets zu verlangen ist, sind doch insbesondere bei Gefahr im Verzug auch dann Maßnahmen zur Beseitigung einer Gewässerverunreinigung anzuordnen, wenn deren Verursacher (noch) nicht oder nicht mit ausreichender Sicherheit bekannt ist (vgl dazu nur Oberleitner/Berger, aaO unter Hinweis auf VwGH, verst Sen, 93/07/0126 = VwSlg/1995; ähnlich Bumberger/Hinterwirth, WRG² § 31 K5). In solchen Fällen ergibt sich ‑ anders als hier ‑ häufig erst aus dem Kostenersatzbescheid, welche Person die Behörde (im Nachhinein) als von der Verwaltungsmaßnahme Betroffene ansieht. Mit Zustellung dieses Bescheids wird regelmäßig auch die Kenntnis des Bescheidadressaten von der seine Sphäre berührenden Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls‑ und Zwangsgewalt im Sinne des § 67c Abs 1 AVG aF eintreten, sofern dies nicht bereits vorher geschehen ist.

6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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