OGH 9ObA127/14p

OGH9ObA127/14p27.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Dr. Peter Schnöller in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. M***** O*****, vertreten durch Dr. Peter Wallnöfer, Dr. Roman Bacher ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei M***** U*****, vertreten durch Univ.‑Doz. Dr. Herbert Fink, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen zuletzt 38.144,53 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil der Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 16. September 2014, GZ 15 Ra 81/14w‑41, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00127.14P.1127.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

1. Die Klägerin schloss mit der Beklagten am 3. 5. 2004 einen befristeten Ausbildungsvertrag über eine Facharztausbildung ab, nach dem sich das Ausbildungsverhältnis um Zeiten eines Forschungsaufenthalts von längstens zwei Jahren an einer anderen Einrichtung als jener der Beklagten verlängern sollte. Von 15. 6. 2009 bis 31. 3. 2010 war die Klägerin als Assistenzärztin im Bereich Strahlentherapie an einer deutschen Privatklinik tätig. Sie beabsichtigte, Patientendaten für eine Studie zum Thema „Lebertoxizität“ zu sammeln, um sie wissenschaftlich aufzuarbeiten und zu publizieren. An der Klinik arbeitete sie teilweise klinisch als Assistenzärztin, teilweise forschungsmäßig, indem sie aus Karteiregistern Daten von ca 200 Patienten aushob, sie anonymisierte und eine Datenerhebung mittels Excel‑Tabelle erstellte. Dafür benötigte sie 3,5 Wochen ihrer insgesamt 40‑wöchigen Tätigkeit an der Klinik. Zur beabsichtigten Auswertung, Interpretation und Publikation der Daten kam es nicht mehr.

Das Berufungsgericht folgte der Ansicht der Klägerin, dass sich ihr Ausbildungsverhältnis zur Beklagten um die Dauer dieses Auslandsaufenthalts verlängert habe, nicht, weil es sich mangels einer nicht unerheblichen faktischen Forschungstätigkeit um keinen Forschungsaufenthalt im Sinn des Ausbildungsvertrags gehandelt habe.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

2. Die von ihr geltend gemachten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor. Dass das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung von Feststellungen des Erstgerichts abgegangen sei, ist unzutreffend, weil das Berufungsgericht mit seine Ausführungen, sie habe lediglich 8 bzw 8,75 % ihrer Arbeitszeit für die projektbezogene Arbeit aufgewandt, nur aus den vom Erstgericht festgestellten Stunden, die die Klägerin für die Datenerhebung investierte, in Relation zur Gesamtarbeitszeit der Klägerin errechnete. Entgegen dem Revisionsvorbringen wurde die Tätigkeit der Datensammlung vom Erstgericht auch nicht nur als Beispiel einer als wissenschaftlich zu qualifizierenden Tätigkeit der Klägerin festgestellt. Als sonst von ihr ausgeübte Tätigkeit steht aber lediglich ihre alltägliche ärztliche Arbeit fest. Dass die Streitteile ein vom Urkundeninhalt abweichendes Verständnis der Vertragsbestimmung gehabt hätten, wurde weder behauptet noch festgestellt, sodass dazu auch keine Beweiswiederholung erforderlich war (vgl Zechner in Fasching/Konecny 2 § 503 Rz 131).

3. Unbeachtlich ist, dass das Erstgericht im ersten Rechtsgang die teilweise klinische, teilweise forschungsmäßige Tätigkeit der Klägerin mit „50 : 50“ quantifiziert hatte, weil das Ersturteil im ersten Rechtsgang gerade zum Zwecke konkreter Feststellungen zur Frage, ob und in welchem Ausmaß die Klägerin an der deutschen Privatklinik Forschungsarbeit geleistet hatte, aufgehoben wurde.

4. Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nur vor, wenn die Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen wurden (s nur Kodek in Rechberger , ZPO 4 § 503 Rz 17 mwN). Dass das Berufungsgericht nur die Datenerhebung der Klägerin (Beil ./O) als wissenschaftliche Tätigkeit beurteilte, steht jedoch nicht im Widerspruch zum Akteninhalt.

5. In rechtlicher Hinsicht ist die Frage, ob hier ausschließlich die Zeiten der Datenerhebung relevante Forschungstätigkeiten waren, bei feststehendem Vertragstext eine solche der rechtlichen Beurteilung (s RIS‑Justiz RS0043422). Die Klägerin meint dazu, dass auch ihre alltägliche klinische Tätigkeit als Ärztin in der Strahlentherapie der Klinik jedenfalls teilweise als wissenschaftliche Tätigkeit anzusehen sei. Dass sie die ärztliche Tätigkeit in der Versorgungsklinik ausübte, stellt per se jedoch keine Forschungsarbeit dar, weil eine Tätigkeit als klinischer (Assistenz‑)Arzt als solche noch nicht dem Streben nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen gleichgesetzt werden kann. Soweit die Klägerin der Ansicht ist, sie habe aus dem Alltag der Strahlentherapie „die entsprechenden Erfahrungen und Grundlagen für die wissenschaftliche Bearbeitung“ eines möglichen Themas erarbeitet, brachte sie ‑ über diese pauschale Behauptung hinaus ‑ jedoch nichts dazu vor, worin ein solcher Einfluss auf ihre Studie gelegen haben könnte (s ON 29 S 4 = AS 242). Es ist daher vertretbar, wenn das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin als nicht konkret genug erachtete, um Anlass für weitere Erhebungspflichten zu geben.

6. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin mehr als 90 % ihrer Arbeitskapazität der Ausbildungszwecken dienenden klinischen Arbeit als Assistenzärztin gewidmet hatte und der Auslandsaufenthalt schon aufgrund dieser faktischen Gegebenheiten nicht als vertragsverlängernder Forschungsaufenthalt im Sinn des Ausbildungsvertrags zu qualifizieren sei, ist danach ein für den vorliegenden Fall vertretbares Ergebnis und keiner weiteren Korrektur bedürftig.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

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