European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00200.14I.1127.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie ‑ unter Berücksichtigung der bereits in Rechtskraft erwachsenen Teilabweisung ‑ insgesamt zu lauten haben:
„Das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin 6.557,73 EUR samt 4 % Zinsen zu zahlen, wird abgewiesen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.663,88 EUR (darin 405,88 EUR USt und 1.228,60 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der spätere Erblasser, der die Beklagte, seine Tochter, testamentarisch zur Alleinerbin eingesetzt hatte, nahm im Juni 2011 eine Lebensgemeinschaft zur Klägerin auf, die in sein Haus einzog und mit der er sich Anfang Juli 2011 verlobte. Er unterstützte die Klägerin auch finanziell und trug die gesamten Betriebskosten des Hauses alleine. Die Klägerin war auch über sein Konto verfügungsberechtigt. Am 7. 10. 2011 verfasste der spätere Erblasser eine eigenhändig geschriebene und unterfertigte letztwillige Verfügung, die folgende Anordnungen enthält: „Ich will das [die Klägerin] in meinen Haus verbleiben kann bis sie einen anderen Partner gefunden hat. Weiters will ich, dass sie ihre Karten [gemeint: Bankkontokarten] benutzen kann. Auch will ich, dass mein Lohn weiterhin auf mein Konto überwiesen wird.“ In einem weiteren (formungültigen) Kodizill vom 8. 10. 2011 äußerte er unter anderem den Wunsch, dass die Klägerin nach seinem Tod weiterhin ihre Kreditkarte über sein Konto benützen dürfe und dass vier Kraftfahrzeuge in ihren Besitz übergehen sollten. Sie solle auch „den Pflichtteil meiner Grundstücke und meines Hauses, sowie es einer Ehefrau zusteht“, bekommen. Am 9. 10. 2011 verstarb der Lebensgefährte der Klägerin und Vater der Beklagten. Die Beklagte gab eine unbedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab, wobei sie wusste, dass die Klägerin im erwähnten Haus wohnt; das Wohnrecht der Klägerin in diesem Haus ist nicht strittig. Die Beklagte erhielt aus dem Nachlass neben dem Eigentum am Haus (zumindest) drei Baugrundstücke sowie zwei Fahrzeuge. Sie zieht aus dem von der Klägerin bewohnten Objekt keinen Nutzen, trägt aber die laufenden Fixkosten (Versicherung, Kanal‑ und Grundsteuer, Abfallgebühr, Zählermiete, Kanalgebühren) von rund 1.928 EUR jährlich. Sie selbst verdient monatlich 1.770 EUR (12 x jährlich) und hat weitere monatliche Fixkosten von 980 EUR. Ein früheres Verfahren zwischen den Parteien (mit umgekehrten Parteirollen), in dem die nunmehrige Beklagte den Ersatz der für das Haus getragenen „Betriebskosten“ (Kanal‑ und Abfallgebühren, Grundsteuer, Rauchfangkehrerkosten, Versicherungsprämie) forderte, wurde rechtskräftig mit Klageabweisung beendet.
Die Klägerin begehrt nun den Ersatz der für das Haus für den Zeitraum Dezember 2011 bis Februar 2014 aufgewendeten Beträge für den Bezug von elektrischem Strom und Heizöl im Gesamtbetrag von 6.557,73 EUR. Der Erblasser habe ihr zu Versorgungszwecken das Wohnrecht an einem Haus eingeräumt, für das er bis zu seinem Ableben sämtliche Betriebskosten bezahlt habe. Sie habe nun auch gegen die Beklagte als Erbin Anspruch auf Zahlung der zur Wohnversorgung gehörenden Betriebskosten. Dies gehe auch sinngemäß aus den beiden letzten „Legaten“ hervor.
Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, die Klägerin habe nur ein Wohnrecht erlangt, nicht aber einen Anspruch auf Zahlung der Betriebskosten. Darauf ergebe sich auch aus dem Legat kein Hinweis. Mangels eines aus der Liegenschaft gezogenen Erlöses sei es der Beklagten zudem unmöglich und unzumutbar, auch noch die Betriebskosten zu zahlen.
Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin 6.318,07 EUR samt Zinsen zu zahlen und wies ein Mehrbegehren von 239,66 EUR samt Zinsen sowie ein Zinsenmehrbegehren ab. Wie sich schon aus der Entscheidung des Berufungsgerichts im Vorprozess ergebe, lägen zahlreiche Anhaltspunkte dafür vor, dass die Einräumung des Wohnungsgebrauchsrechts an die Klägerin Versorgungscharakter habe, zumal der Verstorbene stets sämtliche Betriebskosten getragen und die nunmehrige Klägerin niemals Betriebskosten bezahlt habe. Bei einem zu Versorgungszwecken begründeten Wohnungsgebrauchsrecht sei die Regel des § 508 Satz 3 ABGB als schlüssig abbedungen anzusehen. Auf eine Zumutbarkeit der Übernahme der Betriebskosten durch die Beklagte komme es nicht an. Die Klägerin habe daher Anspruch auf die von ihr getragenen Betriebskosten.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die Revision für zulässig. Der Entscheidung im Vorprozess komme Bindungswirkung für dieses Verfahren zu. Dort sei insbesondere präjudiziell über den Versorgungscharakter des der Klägerin eingeräumten Wohnungsgebrauchsrechts abgesprochen worden. Da kein Mietverhältnis vorliege, sei die Definition der Betriebskosten in § 21 Abs 1 MRG für den vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Die Beklagte habe allerdings in diesem Verfahren erstmals die (wirtschaftliche) Unzumutbarkeit der Zahlung der Betriebskosten eingewendet, weil sie aus dem Objekt keinerlei Gewinn ziehe, sondern vielmehr Verluste zu tragen habe. Der Oberste Gerichtshof habe im Falle eines zu Versorgungszwecken eingeräumten Wohnungsrechts dem Eigentümer der dienstbaren Sache die Kosten unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit auferlegt, wobei es sich um Wiederherstellungskosten bzw um Instandhaltungskosten gehandelt habe. In Übereinstimmung dazu werde auch in der Lehre die Ansicht vertreten, dass eine unbeschränkte Instandhaltungspflicht bzw die Pflicht zur Wiedererrichtung ‑ jedenfalls bis zum Wert des dem Eigentümer verbleibenden Nutzens aus der Liegenschaft ‑ selbst bei einem zu Versorgungszwecken eingeräumten Wohnungsrecht nur bis zur Grenze des wirtschaftlich Zumutbaren bestehe. Den bisherigen Stellungnahmen in Rechtsprechung und Lehre sei aber nicht zu entnehmen, dass die Grenze des wirtschaftlich Zumutbaren auch für die von einem Liegenschaftseigentümer zu tragenden Betriebskosten gelte. Das Berufungsgericht vertrete dazu die Auffassung, dass der Vorbehalt der wirtschaftlichen Zumutbarkeit für die Betriebskosten nicht zur Anwendung gelange. Es bedürfe daher keiner genauen Feststellungen zu der Erwerbs‑, Einkommens‑ und Vermögenssituation der Beklagten sowie zum Wert der im Eigentum der Beklagten stehenden Liegenschaft mit dem Wohnhaus und der sonstigen von ihrem verstorbenen Vater im Erbweg erlangten Liegenschaften und Fahrnisse. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil sich die Lehre und Rechtsprechung im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit zwar mit Kosten der Instandhaltung oder der Wiederherstellung befasst habe, auf die Problematik von (uneingeschränkten) Betriebskosten aber bisher nicht eingegangen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Vorweg ist festzuhalten, dass sich ‑ entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revisionsgegnerin ‑ Fragen einer allfälligen Bindung an die Entscheidung im Vorprozess nicht stellen. Einerseits entfaltet die Beantwortung bloßer Vorfragen, die für die Hauptfragenbeantwortung in beiden Verfahren von Bedeutung sind, nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung grundsätzlich keine Bindungswirkung (siehe nur die Nachweise der jüngeren Judikatur bei Rechberger in Rechberger , ZPO 4 § 411 Rz 11; weiters RIS‑Justiz RS0041178, RS0041180, RS0127052 ua). Andererseits wurde im Vorprozess nur über „auf der Sache haftende Lasten“ im Sinne des § 508 Satz 2 ABGB abgesprochen, nicht aber auch darüber, wer gebrauchsabhängige Kosten zu tragen hat.
Dem Berufungsgericht ist auch nicht darin zu folgen, dass sich aus § 508 ABGB, der das dingliche Rechtsverhältnis zwischen dem im Sinne des § 504 ABGB Wohnberechtigten und dem durch die Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchsrechts belasteten Liegenschafts-eigentümer regelt, über die dort vorgesehene Lastentragungs‑ und Erhaltungspflicht (dazu etwa RIS‑Justiz RS0011777) hinaus auch die ‑ einer Reallast entsprechende ‑ Verpflichtung ergäbe, dem Wohnberechtigten die mit dem tatsächlichen Gebrauch der Sache verbundenen Kosten (etwa für Beheizung, Beleuchtung, Reinigung ...) zu ersetzen. Abgesehen davon, dass derartige „Bewirtschaftungskosten“ in § 508 ABGB nicht erwähnt werden, ist auch zu berücksichtigen, dass solche Aufwendungen über die Erhaltung der Sachsubstanz und die Freistellung von mit dem Eigentum an der Sache verbundenen Lasten deutlich hinausgehen und auch in anderen Rechtsverhältnissen (zB Bestandverträgen, Leihverträgen, Prekarien ...) vom Wohnungsnutzer zu tragen sind. Wenn in der Entscheidung zu 2 Ob 212/98k ‑ beruhend auf dem Sekundärzitat einer zweitinstanzlichen Entscheidung ‑ von „Betriebskosten und öffentlichen Abgaben“ gesprochen wird, ergibt sich daraus nicht, dass damit die (verbrauchsabhängigen) „Bewirtschaftungskosten“ gemeint wären.
In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch das gesetzliche Wohnrecht des überlebenden Ehegatten zu erwähnen, das diesem im Wege eines Vorausvermächtnisses nach § 758 ABGB zukommt und das ebenfalls Versorgungscharakter hat. Dass der Erblasser seiner überlebenden Lebensgefährtin im Rahmen des Wohnrechts im Hinblick auf die hier zu beurteilenden Kosten eine weitergehende Rechtsstellung einräumen wollte, als sie einer Witwe zukäme, ist nicht anzunehmen und ergibt sich insbesondere auch nicht aus den Prozessbehauptungen der Klägerin. Auch für das Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB hat es keine Bedeutung, inwieweit der spätere Erblasser vor seinem Tod für die Kosten der Beheizung und der Energieversorgung aufgekommen ist. Für die Rechtsstellung der nach § 758 ABGB wohnungsberechtigten Person hat schon der Gesetzgeber klargestellt, dass der Legatar die mit dem Wohnrecht verbundenen Lasten zu tragen hat, zu denen jedenfalls die Kosten „des Betriebes der Wohnung“ gehören (JAB 1158 BlgNR 17. GP 5). Nach der Rechtsprechung setzt sich das bisher gegenüber dem Ehegatten zustehende Benützungsrecht nach § 97 ABGB in § 758 ABGB als Anspruch gegen den Erben bzw Legatsschuldner fort (RIS‑Justiz RS0012824); zu § 97 ABGB wird judiziert, dass der Wohnungserhaltungsanspruch nicht auch die Bezahlung der Kosten für Strom und Gas einer Wohnung (RIS‑Justiz RS0119482) bzw der „Wohnungsbenützungskosten“ (T1) erfasst.
Die Revisionsrekursgegnerin vermochte auch in ihrem in erster Instanz erstatteten Vorbringen nicht zu erklären, warum die ihr eingeräumte Rechtsposition über die nach den soeben dargelegten Grundsätzen zu beurteilende Rechtsstellung eines sonstigen dinglich Wohnberechtigten hinausgehen sollte. Insbesondere legt sie nicht dar, dass ihr der Erblasser neben dem Wohnrecht auch noch ein Unterhaltslegat (§ 672 ABGB) bestellt hätte (s dazu auch § 655 ABGB).
Da sich das Klagebegehren somit als unberechtigt erweist, sind die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Klageabweisung abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, und § 50 Abs 1 ZPO. Die Kosten ihres Vertagungsantrags hat die Beklagte iSd § 48 ZPO selbst zu tragen, für die Berufung ist gemäß § 23 Abs 9 RATG nur der dreifache Einheitssatz angefallen.
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