OGH 7Ob200/14h

OGH7Ob200/14h26.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** U*****, vertreten durch Kölly Anwälte OG in Oberpullendorf, gegen die beklagte Partei B***** M*****, vertreten durch Dr. Manfred Moser, Rechtsanwalt in Pöttsching, wegen 9.153,20 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. September 2014, GZ 16 R 77/14g‑27, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00200.14H.1126.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Rechtsfrage, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, kommt grundsätzlich keine erhebliche Bedeutung zu, außer es wird in Verkennung der Auslegungsgrundsätze ein unvertretbares und aus Gründen der Einzellfallgerechtigkeit zu korrigierendes Auslegungsergebnis erzielt (RIS‑Justiz RS0044298, RS0042776).

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien und die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden zu erforschen (RIS‑Justiz RS0017915). Ist ein übereinstimmender Parteiwille über den Vertragsgegenstand und Vertragsinhalt feststellbar, so kommt es bei einem nachträglichen Streit zwischen den Parteien nicht darauf an, ob die ausdrücklich erzielte Willensübereinstimmung auch in der Vertragsurkunde hinreichend deutlich ihren Niederschlag gefunden hat (RIS‑Justiz RS0017741). Die Auslegung einer Urkunde gehört zur rechtlichen Beurteilung, der Parteiwille zum Bereich der ‑ nicht revisiblen ‑ Feststellungen (RIS‑Justiz RS0017849).

Die Revision übergeht, dass hier feststeht, dass beide Parteien dem schriftlichen Vertrag zu Grunde legten, dass die Verfülldauer der Mülldeponie mindestens 50 Jahre betrage und daran eine zumindest eben so lange Nachsorgeverpflichtung der Beklagten anschließen sollte. Die „Abgeltung der Standortnachteile“ sollte der Klägerin zumindest für die Zeit der Befüllung, sohin zumindest für die nächsten 50 Jahre zustehen. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass es bei der Auslegung des Vertrags auf den gemeinsamen Parteiwillen ankomme und die Beklagte daher zur Zahlung der Abgeltung auch dann verpflichtet ist, wenn sie sich einseitig entschlossen hat, die Deponie in kürzerer Zeit zu verfüllen, hält sich im Rahmen der Judikatur.

Der gerügte Mangel des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Der Grundsatz, dass verneinte Verfahrensfehler erster Instanz nicht revisibel sind, kann nicht durch die Behauptung, das Berufungsverfahren sei ‑ weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei ‑ mangelhaft geblieben, umgangen werden (RIS‑Justiz RS0042963; insbesondere [T58]). Die Ausführungen zur Mängelrüge sind unzulässig. Abgesehen davon rügt die Revision, wenn sie auf einer „Einbeziehung“ des Akts 4 Cg 235/11z des Landesgerichts Eisenstadt beharrt, die unanfechtbare Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Eine Verletzung der Bindungswirkung behauptet die Beklagte ohnedies ‑ mangels Parteienidentität zu Recht ‑ nicht. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Beklagte ungeachtet dessen, dass mit anderen Vertragspartnern gleichartige schriftliche Verträge geschlossen wurden, durchaus gezwungen gewesen sein kann, auf die konkreten Wünsche eines Vertragspartners besonders einzugehen, wie dies hier nach den Feststellungen der Fall war. Damit können mit verschiedenen Parteien unterschiedliche Vertragsgrundlagen geschaffen worden sein und daraus resultierende Rechtsstreitigkeiten einen uneinheitlichen Ausgang nehmen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte