European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0280OS00005.14S.1120.000
Spruch:
Der Berufung wird keine Folge gegeben.
Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 15. April 2013, D 20/12 und D 21/12, wurde DDr. Gerald F***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten sowie der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt, weil er das in seiner Kanzlei am 28. Oktober 2011 eingelangte Fremdgeld von 4.000 Euro aus einem gerichtlichen Vergleichsabschluss der von ihm im Rahmen der bewilligten Verfahrenshilfe vertretenen Paula S***** erst am 19. März 2012 an diese ausbezahlt hatte (D 21/12) und weil er im Zusammenhang mit der Unterfertigung einer Verzichtserklärung des Inhalts „mit dem Mieterwechsel gemäß Punkt I./ sowie der Verrechnung des Mietzinses und der Betriebskosten gemäß Punkt XII./ (richtig Punkt XIII./ vgl ON 7) einverstanden“ im zwischen Mag. Ingeborg K***** und Mag. Erich‑Peter K***** als Vermieter einerseits und Eva Kr***** und Sigfried B***** als Mieter andererseits am 15. September 2011 abgeschlossen Bestandvertrag es unterlassen hatte, der unterfertigenden Silvia P*****, die für sie maßgeblichen Passagen des Vertrags durchlesen zu lassen und ihr eine Kopie dieser Passage auszufolgen (D 20/12).
Über den Disziplinarbeschuldigten wurde hiefür unter Anwendung des § 16 Abs 1 Z 2 DSt 1990 eine Geldbuße von 2.500 Euro verhängt. Weiters wurde er verpflichtet, die Verfahrenskosten zu ersetzen.
Rechtliche Beurteilung
Den Schuldspruch zu D 20/12 bekämpft der Disziplinarbeschuldigte mit einer Berufung wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) und Schuld. Zudem führt er eine Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe aus. Den Rechtsmitteln kommt keine Berechtigung zu.
Nach bislang ständiger Rechtsprechung der Obersten Berufungs‑ und Disziplinarkommission ‑ von der abzugehen der Oberste Gerichtshof keine Veranlassung sieht - hat ein Rechtsanwalt dann, wenn ein Vertrag unter seiner alleinigen Intervention abgeschlossen und formuliert wird, beide Vertragsteile unparteiisch mit gleicher Sorgfalt und Treue zu behandeln und vor Interessengefährdungen zu bewahren, wobei ein Schadenseintritt nicht erforderlich ist, um ein gegen diese Pflichten verstoßendes Handeln disziplinär strafbar zu machen (vgl RIS‑Justiz RS0054994 [T1, T3, T7 und T8]). Dies gilt in gleicher Weise, wenn ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ der Anwalt eine unvertretene Partei zu einem (partiellen) Vertragsbeitritt auffordert, mag auch der Vertrag selbst nicht von ihm formuliert worden sein.
Solcherart sind bei einer Vertragsverfassung oder bei der Verfassung einer Urkunde auch die Interessen der unvertretenen Gegenpartei insoweit zu wahren, als bei der Vertragserrichtung nichts unternommen oder unterlassen wird, wodurch die Gegenseite zu Schaden kommt (Feil/Wennig, AnwR8 § 10 RAO Rz 16 mwN).
Demgemäß erfordert die unter dem Gesichtspunkt der Verpflichtung des Rechtsanwalts zu Redlichkeit und Ehrenhaftigkeit (§ 10 Abs 2 RAO) geschuldete Interessenwahrnehmung auch zu Gunsten nicht von ihm vertretener Parteien zumindest, eine (wie vorliegend weichende) Vormieterin aus Anlass ihrer in der Rechtsanwaltskanzlei durch Unterfertigung abgegebenen Erklärung („mit dem Mieterwechsel gemäß Punkt I./ sowie der Verrechnung des Mietzinses und der Betriebskosten gemäß Punkt XII./ [gemeint richtig XIII./; vgl ON 7] einverstanden“), die ihre Zustimmung betreffenden Vertragspassagen durchlesen zu lassen und ihr eine Kopie derselben auszufolgen.
Das Argument des Berufungswerbers, er sei zur Wahrnehmung der Interessen und Rechte seiner Klienten, insbesondere zur Wahrung seiner Verschwiegenheitspflicht diesen gegenüber verpflichtet gewesen, „den von ihm abzuschließenden Mietvertrag der weichenden Vormieterin, die am Vertragstext selbst ja kein gesondertes Interesse haben konnte“, nicht auszuhändigen, orientiert sich nicht an den Feststellungen und am Gegenstand des in Rede stehenden Erkenntnisses, das ausdrücklich auf die von der rechtsgeschäftlichen Einverständniserklärung der ‑ somit insoweit sehr wohl rechtlich interessierten ‑ Vormieterin betroffenen Vertragspassagen abstellt.
Das Vorbringen zu einem Silvia P***** betreffenden zivilgerichtlichen Verfahren zu 20 Cg 167/12p des Landesgerichts Wiener Neustadt ist im Nichtigkeitsverfahren als novum unbeachtlich.
Im Rahmen einer Schuldberufung ist nach § 49 DSt 1990 das Vorbringen neuer Tatsachen und die Benützung neuer Beweismittel zulässig, es sei denn, dass diese dem Berufungswerber bereits spätestens zum Zeitpunkt des Abschlusses des Beweisverfahrens im Verfahren vor dem Disziplinarrat bekannt waren oder bekannt sein mussten und es ihm nicht als Versehen bloß minderen Grades anzulasten ist, dass er von diesen nicht Gebrauch gemacht hat. Diese Begrenzung der Zulässigkeit des Vorbringens von Neuerungen oder neuen Beweismitteln erfordert nach dem Sinn dieser Bestimmung, welche auf Ausnahmesituationen abstellt, die idR nur dem Rechtsmittelwerber bekannt sein können, entsprechende Darlegungen des Berufungswerbers dazu.
Soweit daher die (ohne entsprechende Spezifizierung eines Ausnahmetatbestands für die Nutzung eines neuen Beweismittels) beantragte Aktenbeischaffung als Teil einer Schuldberufung aufzufassen wäre, ist im Hinblick auf die am 15. April 2013 stattgefundene Verhandlung vor dem Disziplinarrat diese geltend gemachte Neuerung schon unter dem Aspekt der Verfristung unbeachtlich. Es bedarf daher keines weiteren Eingehens auf das nicht näher substantiierte Begehren auf Beischaffung des Akts 20 Cg 167/12p des Landesgerichts Wiener Neustadt unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden, indes prozessual vorauszusetzenden (vgl Feil/Wennig, AnwR8 Anm zu § 49 DSt) Darlegung der Schulderheblichkeit eines diesem Verfahren zugrunde liegenden Zahlungsprozesses zwischen einer (in der Berufungsausführung weder namentlich genannten noch sonst konkretisierten) Person und der Disziplinaranzeigerin Silvia P***** für das gegenständliche Disziplinarverfahren.
Bei der Strafbemessung wertete der Disziplinarrat als erschwerend das Zusammentreffen zweier Disziplinarvergehen und als mildernd das Geständnis zu dem D 21/12 betreffenden Schuldspruch.
Für eine mit der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe begehrte Reduktion der Sanktion besteht mit Blick auf die in der angefochtenen Entscheidung zwar erwähnten, bei der Strafbemessung aber nicht erwogenen sechs disziplinären Vorstrafen sowie auf die vom Disziplinarrat zutreffend herangezogenen sonstigen Strafbemessungsgründe kein Anlass.
Der Berufung war daher insgesamt keine Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt 1990 iVm § 36 Abs 2 DSt 1990.
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