OGH 7Ob160/14a

OGH7Ob160/14a29.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** H*****, vertreten durch Hausmann & Hausmann Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. T***** S*****, 2. Mag. K***** S*****, beide *****, vertreten durch Mag. Dr. Michael Brunner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 26. März 2014, GZ 39 R 334/13a‑9, womit das Urteil des Bezirksgerichts Hietzing vom 31. Juli 2013, GZ 9 C 36/13‑5, bestätigt wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00160.14A.1029.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden, soweit sie das Unterlassungsbegehren gegenüber der erstbeklagten Partei betreffen, bestätigt, sodass die Entscheidung insoweit als Teilurteil lautet:

„Das Klagebegehren, die erstbeklagte Partei sei schuldig, die Nutzung des Mietobjekts *****, als Geschäftsräumlichkeit zu unterlassen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 330,63 EUR (darin 55,11 EUR an USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz und die mit 603,87 EUR (darin enthalten 100,65 EUR an USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Im Übrigen, also soweit die Urteile der Vorinstanzen das Unterlassungsbegehren hinsichtlich der zweitbeklagten Partei betreffen, werden sie aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.“

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer einer Liegenschaft in Wien.

Mit Mietvertrag vom 10. 2. 1947 mietete O***** S*****, der Vater des Zweitbeklagten, von der damaligen Hausinhabung das Bestandobjekt ***** auf unbestimmte Zeit an.

Gemäß § 1 Punkt 2 des Mietvertrags verpflichtete sich der Mieter, „den Mietgegenstand nur zu benützen als: Wohnung für seine Familie (Frau und Kinder) und seine Schwiegereltern“ .

In § 6 des Mietvertrags wurde vereinbart:

„...

3. Der Mieter darf die Mieträume nur zu den vertraglich bestimmten Zwecken benutzen. Will er sie zu anderen Zwecken benutzen, so bedarf er der schriftlichen Zustimmung des Vermieters.

4. Der Mieter darf die Mieträume nur mit Zustimmung des Vermieters untervermieten. Die Zustimmung erfolgt ein für allemal. Der Vermieter kann jedoch einer bestimmten Untervermietung widersprechen oder die Zustimmung widerrufen, wenn gegen den Untermieter ein wichtiger Grund vorliegt.

5. Bei unbefugter Untervermietung kann der Vermieter verlangen, dass der Mieter so bald wie möglich, spätestens jedoch binnen Monatsfrist, das Untermietverhältnis kündigt. Geschieht dies nicht, so kann der Vermieter das Hauptmietverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Diese Rechte kann er nur unverzüglich geltend machen, nachdem er die gegen den Untermieter sprechenden Gründe erfahren hat oder nachdem die Frist zur Kündigung des Untermietverhältnisses fristlos verstrichen ist.“

Seit Anmietung des Objekts werden die gemieteten Räumlichkeiten sowohl zu Wohnzwecken als auch zum Betrieb einer Steuerberatungskanzlei benutzt. Ende der 50er Jahre wurde die im zweiten Stock betriebene Steuerberatungskanzlei in die Dachgeschossräumlichkeiten übersiedelt. Zunächst arbeiteten die Eltern des O***** S*****, seine Frau und er selbst in der Kanzlei.

Der Kläger zog 1957 in das Haus ein. Seit damals ist ihm bekannt, dass im Bestandobjekt Steuerberatungstätigkeiten ausgeübt werden.

Nach dem Tod des Vaters des O***** S***** 1961 übernahm die Mutter des Zweitbeklagten, Mag. I***** S***** die Steuerberatungskanzlei. 1968 trat der Zweitbeklagte als Revisionsassistent in die Steuerberatungskanzlei ein. 1972 gründete er gemeinsam mit seiner Mutter eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht, die die Steuerberatungskanzlei betrieb. Ende der 70er Jahre gründete seine Mutter eine Zweigstelle und übersiedelte etwa zur gleichen Zeit mit ihrem Ehegatten in das Waldviertel. O***** S***** trat damals seine Mietrechte an den Zweitbeklagten ab. Seit 1989 führt der Zweitbeklagte allein die Steuerberatungskanzlei mit mehreren Angestellten. Er wohnt auch nach wie vor im Bestandobjekt.

Am 1. 3. 2012 trat der Zweitbeklagte seine Alterspension an. Mit Leibrentenvertrag vom 26. 2. 2012 verkaufte er seine Wirtschaftstreuhand‑ und Steuerberatungskanzlei mit Wirksamkeit zum 1. 3. 2012 an seinen Sohn, den Erstbeklagten. Mit Untermietvertrag vom selben Tag vermietete er seinem Sohn die im Dachgeschoss gelegenen Büroräumlichkeiten, ebenfalls beginnend ab 1. 3. 2012 auf unbestimmte Zeit.

Mit Klage vom 14. 1. 2013 beantragte der Kläger, die Beklagten schuldig zu erkennen, die Nutzung des Mietobjekts zu Geschäftszecken durch den Erstbeklagten zu unterlassen. Das Bestandobjekt sei ausschließlich zu Wohnzwecken vermietet. In einem Vorverfahren (Kündigungsverfahren) sei festgestellt worden, dass der Zweitbeklagte berechtigt sei, die Räumlichkeiten im Dachgeschoss als Büro für seine Kanzlei zu nutzen. Dies sei damit begründet worden, dass der Ausweitung des Verwendungszwecks konkludent durch den Kläger und dessen Rechtsvorgänger zugestimmt worden sei. Diese Zustimmung umfasse aber nicht die Weitergabe der Räumlichkeiten an einen Dritten zur geschäftlichen Nutzung.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Die im zweiten Stock gelegenen Räumlichkeiten würden durch den Zweitbeklagten und seine Familie seit Jahrzehnten regelmäßig zu Wohnzwecken benützt. Die Verwendung der im Dachgeschoss gelegenen Räumlichkeiten erfolge ebenfalls seit Jahrzehnten durch den Zweitbeklagten zum Zweck des Betriebs einer Steuerberatungskanzlei. Die konkludente Zustimmung des Klägers, wonach der Zweitbeklagte im Dachgeschoss eine Steuerberatungskanzlei betreiben dürfe, erstrecke sich auch auf eine Untervermietung der Räumlichkeiten an den Erstbeklagten zum Weiterbetrieb der Steuerberatungskanzlei. Im Übrigen sei der Erstbeklagte nicht passiv legitimiert.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Der Erstbeklagte leite seine Mietrechte an Teilen des Bestandobjekt vom Zweitbeklagten ab und stehe in keinem Vertragsverhältnis zum Kläger. Das Begehren auf Unterlassung der Benützung sei daher gegenüber dem Erstbeklagten nicht durchsetzbar.

Aus den Feststellungen sei ersichtlich, dass auch Nichtmieter über Jahre und Jahrzehnte hinweg den Geschäftsbetrieb führten. Diese wechselnden und unterschiedlichen Benützer müssten auch dem im gleichen Haus wohnhaften Kläger bekannt gewesen sein. Grundsätzlich könne bei Dauerschuldverhältnissen ein Verhalten durch längere Zeit auf einen besonderen Willen der Parteien schließen lassen. Stillschweigen gelte nicht schlechthin als Zustimmung, wohl aber dann, wenn der Stillschweigende nach Treu und Glauben hätte reden müssen und dem Stillschweigen keine andere Bedeutung als jene der Zustimmung beigelegt werden könne. Der Kläger habe durch seine jahrzehntelange Akzeptanz des im Objekt geführten Steuerberatungsunternehmens, ohne zu hinterfragen, wer das Unternehmen führe, zu erkennen gegeben, dass er die Unternehmensführung durch wen auch immer, insbesondere durch Angehörige der Familie S*****, akzeptiere. Nach § 11 MRG könne sich der Vermieter auf ein vertragliches Untervermietverbot nur dann berufen, wenn er gleichzeitig einen wichtigen Grund gegen die Untervermietung behaupte und nachweise. Einen solchen wichtigen Grund könne der Kläger nicht nennen.

Das Berufungsgericht ließ nachträglich (§ 508 Abs 1 ZPO) die ordentliche Revision zu, weil der Frage, ob die Grundsätze für die Annahme eines konkludenten Rechts beachtet worden seien, über den konkreten Einzelfall hinauskommende Bedeutung zukomme. Insbesondere dürfte dem Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Annahme eines „Familienunternehmens“ eine erhebliche Fehlbeurteilung unterlaufen sein, die die nachträgliche Zulassung der Revision erforderlich mache.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag. Die Beklagten begehren, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, sie ist teilweise auch im Sinn des im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags berechtigt.

I. Der Kläger bekämpft nur formell die Abweisung des Klagebegehrens gegenüber dem Erstbeklagten; inhaltlich wendet er sich aber nicht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Passivlegitimation des Erstbeklagten sei unabhängig vom Bestehen eines Unterlassungsanspruchs gegenüber seinem Vertragspartner, dem Zweitbeklagten, zu verneinen. Die Rechtsrüge ist nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil nicht dargelegt wird, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht unrichtig erscheint (RIS‑Justiz RS0043603).

II.1. Nach ständiger Rechtsprechung sind bei Berufen wie denen des Realitätenvermittlers, Rechtsanwalts oder Arztes, die üblicherweise in der Wohnung ausgeübt werden, die zur Berufsausübung erforderlichen Räume als Wohnräume und nicht als Geschäftsräume anzusehen, weil in solchen Fällen das Wohnbedürfnis und der Berufszweck einander mindestens die Waage halten (RIS‑Justiz RS0068895, 1 Ob 413/97k [Steuerberatungskanzlei], 7 Ob 5/09z).

2. Der Oberste Gerichtshof führte aber auch aus, es möge zwar zulässig sein, in einer Wohnung den Rechtsanwaltsberuf auszuüben, ohne dass deshalb eine Widmungsänderung vorliegen müsse, davon könne aber nicht (mehr) gesprochen werden, wenn die Wohnung dem Hauptmieter mit der Vereinbarung vermietet worden sei, den Mietgegenstand nur zu Wohnzwecken zu verwenden; am vertraglichen Ausschluss jeder anderen Verwendung der vermieteten Wohnung zu Wohnzwecken könne nämlich ein besonders anzuerkennendes Interesse des Vermieters bestehen. Diese Einschränkung sei in Ermangelung einer dem § 11 MRG vergleichbaren Vorschrift zulässig und bindend (RIS‑Justiz RS0020522, 3 Ob 523/90, 7 Ob 5/09z).

3. Hier wurde das Bestandobjekt nur zu Wohnzwecken vermietet. Ob die Duldung der Berufsausübung des Erstbeklagten im Bestandobjekt durch den Zweitbeklagten einen Eingriff in vertraglich begründete Rechte des Klägers darstellt und diesem insoweit ein Unterlassungsanspruch zusteht, hängt im vorliegenden Fall von der Lösung der Frage ab, inwieweit der Vermieter nachträglich der Verwendung des Bestandobjekts auch zu Geschäftsobjekten zustimmte.

Der Kläger gesteht zu, dass eine  ‑ konkludente ‑ Ausweitung des Verwendungszwecks dahingehend erfolgt sei, dass der Zweitbeklagte die Räumlichkeiten im Dachgeschoss zur Führung seiner Steuerberatungskanzlei verwenden dürfe. Die Übertragung des Unternehmens an den Erstbeklagten samt Untervermietung des entsprechenden Teils der Wohnung sei von dieser Zustimmung nicht umfasst. Die Beklagten halten dem entgegen, dass sich die (konkludente) Zustimmung des Klägers auch auf die Untervermietung der Dachgeschossräumlichkeiten zum Weiterbetrieb der Steuerberatungskanzlei durch den Erstbeklagten erstrecke. Entscheidungswesentlich ist demnach der Inhalt der (konkludenten) Zustimmung des Klägers.

4. Eine stillschweigende Erklärung im Sinn des § 863 ABGB besteht in einem Verhalten, das primär etwas anderes als eine Erklärung bezweckt, dem aber dennoch auch ein Erklärungswert zukommt, der vornehmlich aus diesem Verhalten und den Begleitumständen geschlossen wird. Sie kann in einer positiven Handlung oder in einem Unterlassen (Schweigen) bestehen. Nach den von Lehre und Rechtsprechung geforderten Kriterien muss die Handlung ‑ oder Unterlassung ‑ nach der Verkehrssitte und nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in eine Richtung zu verstehen sein, also den zwingenden Schluss zulassen, dass die Partei einen Vertrag schließen, ändern oder aufheben wollte. Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt, wobei stets die gesamten Umstände des Einzelfalls zur Beurteilung heranzuziehen sind (RIS‑Justiz RS0109021). Jedenfalls setzt die Annahme einer schlüssigen Erklärung gewisse Kenntnisse des Erklärenden (Dulder) über die im Zeitpunkt seines Verhaltens vorliegenden maßgeblichen Umstände voraus (RIS‑Justiz RS0109021 [T2]).

Im vorliegenden Fall traf das Erstgericht Feststellungen zur jeweiligen Unternehmensführung und zur Kenntnis des Klägers von der Ausübung einer Steuerberatungstätigkeit in den bestehenden Räumlichkeiten. Schon mangels Feststellungen zur Kenntnis des Klägers über die jeweilige Unternehmensführung kann nicht beurteilt werden, ob sich die konkludente Zustimmung des Vermieters auf die Ausübung des Berufs nur durch den Zweitbeklagten als den in den Bestandräumlichkeiten wohnenden Mieter oder auch durch Familienmitglieder bezog. Allein aus der Kenntnis des Klägers über den Betrieb einer Steuerberatungskanzlei in den Bestandräumlichkeiten an sich kann keine Aussage darüber getroffen werden, ob die Führung der Kanzlei durch den Erstbeklagten, dessen Benützung der Bestandräumlichkeiten zu Wohnzwecken nicht feststeht, und der, ohne Hauptmieter zu sein, das von seinem Vater erworbene Unternehmen im Bestandobjekt auf Grundlage eines Untermietvertrages betreibt, von der Zustimmung des Klägers mitumfasst ist.

Das Fehlen ausreichender Feststellungen ist insbesondere auch auf das Fehlen entsprechenden Parteivorbringens zurückzuführen. Im fortgesetzten Verfahren wird es Sache des Zweitbeklagten, der sich auf die stillschweigende Zustimmung des Klägers im obigen Umfang beruft, sein, Umstände aufzuzeigen, die auf eine entsprechende Willenserklärung des Klägers schließen lassen. Die Ansicht, dass sein Vorbringen nicht ausreicht, wurde mit dem Zweitbeklagten nicht erörtert, weshalb er damit auch nicht überrascht werden darf (RIS‑Justiz RS0037300), sodass insoweit derzeit noch keine Spruchreife gegeben ist. Demgemäß sind die Entscheidungen beider Vorinstanzen betreffend den Zweitbeklagten aufzuheben und dem Erstgericht insoweit eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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