OGH 9ObA91/14v

OGH9ObA91/14v29.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger und Mag. Matthias Schachner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei MA S***** G*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler & Dr. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei J***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Helmut Engelbrecht, Rechtsanwalt in Wien, wegen 2.523,76 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. Mai 2014, GZ 7 Ra 8/14x‑17, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 3. Oktober 2013, GZ 21 Cga 147/12p‑13, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 373,68 EUR (darin 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die 1982 geborene Klägerin war bei der Beklagten vom 1. 9. 2009 bis 30. 9. 2011 beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis sind die Bestimmungen des Kollektivvertrags für die Berufsvereinigung von Arbeitgebern für Gesundheits- und Sozialberufe (BAGS‑KV) anzuwenden.

Die Beklagte betreibt eine sozialpädagogische Wohngemeinschaft, bei der es sich um eine Einrichtung zur Durchführung der Maßnahme der vollen Erziehung ‑ seit 31. 12. 2013 im Sinne des § 28 Abs 2 iVm § 32 Abs 1 und 2 Z 2 des Gesetzes vom 15. 10. 2013 über die Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche (Steiermärkisches Kinder‑ und Jugendhilfegesetz ‑ StKJHG), vor dem 31. 12. 2013 im Sinne des § 37 Abs 1des Steiermärkischen Jugendwohlfahrtsgesetzes 1991 (StJWG 1991) ‑ handelt. In dieser sozialpädagogischen Wohngemeinschaft bringt die Beklagte Minderjährige unter, deren Obsorge dem Land Steiermark als Kinder- und Jugendhilfeträger obliegt. Die Beklagte übt die Pflege und Erziehung durch Wohngruppenbetreuer aus, die in der Wohngemeinschaft mit allen damit zusammenhängenden Tätigkeiten betraut werden.

Die sozialpädagogische Wohngemeinschaft ist für die Unterbringung von höchstens sieben Jugendlichen ausgerichtet. Für diese standen mit der Klägerin insgesamt sechs Betreuer (5,5 vollzeitäquivalente Dienstposten) zur Verfügung. Da die Minderjährigen in der Wohngemeinschaft an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr betreut werden, ist mindestens ein Betreuer immer (rund um die Uhr) anwesend. Die Betreuer leisten 24‑Stunden‑Dienste. Grundsätzlich sind die Betreuer während ihrer Dienste für alle Bewohner verantwortlich.

Die sozialpädagogische Wohngemeinschaft ist auf der Grundlage der verbindlichen Vorgaben der am 19. 3. 2014 in Kraft getretenen Anlage 1 I.B. der Stmk Kinder‑ und Jugendhilfegesetz‑Durchführungsverordnung (StKJHG‑DVO), zuvor der Stmk Jugendwohlfahrtsgesetz-Durchführungs-verordnung StJWG‑DVO), organisiert. Danach wird das Erlernen von Selbstbestimmung und Alltagskompetenz durch Übereinkünfte und Routinen ermöglicht und eine individuelle Ortseinbindung der biografischen Entwicklung geboten. Das Leben in der Wohngemeinschaft ist möglichst an familiennahen bzw familienähnlichen Beziehungsregeln auszurichten. Nach Möglichkeit ist an einer Rückführung in die (Herkunfts‑)Familie zu arbeiten. Ziel sind die Emanzipation der Minderjährigen und der Erwerb von Ressourcen, die eine Lebensform in Selbstorganisation und Selbständigkeit ermöglichen. Entscheidungsfähigkeit, Handlungskompetenz und Mitwirkungsmöglichkeiten werden erweitert und Benachteiligungen/Defizite reduziert. Zielgruppe sind Minderjährige zwischen 10 und 18 Jahren.

Im Modell der von der Beklagten ebenfalls praktizierten Bezugsbetreuung wird jedem Bewohner ein/e bestimmte/r Betreuer/in zugewiesen, zu dem ein besonderes Vertrauensverhältnis entwickelt werden soll. Die Bezugsbetreuer sind in besonderer Weise für ihre Bezugsbewohner verantwortlich, erledigen für diese Behördenwege, besuchen Sprechstunden in der Schule, nehmen Kontakt zu den Lehrherren auf usw. Sie organisieren auch die für den jeweiligen Bewohner notwendigen medizinischen Maßnahmen, wie zum Beispiel einen Suchtmittelentzug. Bei allen Betreuern handelt es sich um geschulte Fachkräfte mit einer Ausbildung im psychosozialen Bereich, wie etwa Sozialpädagogen und Psychologen.

Die Vorgaben der Beklagten an die Betreuer orientieren sich am gesetzlichen Auftrag. Es sollen, wie bereits erwähnt, möglichst familienähnliche Beziehungsstrukturen geschaffen und es soll zwischen den Betreuern und den Bewohnern eine Vertrauensbasis aufgebaut werden. Dafür ist sehr viel Zeit und Beziehungsarbeit notwendig. Die Betreuer stehen den Bewohnern als Ansprechperson bei der Bewältigung aller Alltagsprobleme zur Verfügung.

In der Zeit, in der die Klägerin bei der Beklagten beschäftigt war, waren in der Wohngemeinschaft durchschnittlich sieben Jugendliche im Alter zwischen 15 und 17 Jahren zu betreuen. Die Beklagte strukturierte den Tagesablauf der Bewohner nach folgendem Rahmenkonzept, das die Betreuer umsetzen sollten: Am Morgen wurden die Jugendlichen zwischen 6:00 Uhr und 6:30 Uhr geweckt und in in ihre jeweilige Ausbildungsstelle geschickt. Für Jugendliche, die nicht mehr schulpflichtig waren oder eine Ausbildung generell verweigerten, organisierten die Betreuer ein individuelles Arbeitsprogramm, das auf die Mitwirkung im Haushalt (beispielsweise Rasen mähen, Schnee schaufeln, einkaufen) und die Arbeitssuche ausgerichtet war. Erfüllten die Bewohner ihre Aufgaben nicht freiwillig, dann hatten die Betreuer sich darum zu kümmern, dass sie diese dennoch erfüllten. Hatten die Bewohner andere Termine (AMS, Therapieeinrichtungen) wahrzunehmen, mussten die Betreuer sie dazu bringen, diese einzuhalten. Am Nachmittag herrschte in der Einrichtung ein ständiges Kommen und Gehen. Die Jugendlichen, die die Schule besuchten, erledigten ihre Hausaufgaben. Die Betreuer mussten sie dabei bei Bedarf unterstützen. Mit den anderen Bewohnern wurden teilweise organisatorische Dinge erledigt (Besorgen von Schulsachen oder Arbeitskleidung) oder Freizeitaktivitäten unternommen. Ältere Jugendliche hatten einen größeren Freiraum. Am Abend sollten die Betreuer dafür sorgen, dass ein gemeinsames Abendessen aller Bewohner stattfand. Die Betreuer achteten auch darauf, dass die Bewohner die Hausregeln einhielten und sich bis zur Nachtruhe um 22:00 Uhr wieder im Haus befanden. Ab 22:00 Uhr mussten sich die Bewohner in ihren Zimmern aufhalten. Die Betreuer mussten am Wochenende darauf achten, dass die Bewohner, die bis 2:00 Uhr früh ausgehen durften, rechtzeitig in die Einrichtung zurückkehrten. Die Betreuer, die Nachtbereitschaft hatten, verbrachten die Nacht in der Wohngemeinschaft, um bei Bedarf den Bewohnern beiseite zu stehen. Für den Erfolg der Arbeit der Betreuer war es entscheidend, eine Beziehung zu den Bewohnern aufzubauen, persönlich für diese da zu sein, diese zu begleiten und mit ihnen Gespräche zu führen. Die Betreuer hatten auch dafür Sorge zu tragen, dass sich immer genügend Lebensmittel im Haus befanden. Sie kontrollierten die Zimmer der Bewohner und achteten auf Ordnung und Sauberkeit im Haus. Wenn die Bewohner ihre Verpflichtungen nicht erfüllten, legten die Betreuer Konsequenzen, wie zum Beispiel den Entzug des Taschengeldes, fest. Es kam oft vor, dass die Bewohner zu den vereinbarten Zeiten nicht in die Einrichtung zurückkamen. Die Betreuer mussten sie bei der Polizei abgängig melden. Die Betreuer feierten in der Wohngemeinschaft mit den Bewohnern Feste im Jahreskreis (Weihnachten, Ostern, Geburtstage), aber auch den Schul- oder Lehrabschluss und den Abschied aus der Einrichtung. Der Betreuungsumfang in der Wohngemeinschaft war während des ganzen Jahres gleich. Der Unterschied zwischen Schul- und Ferienzeit lag nur darin, dass sich während der Ferienzeit tagsüber mehr Jugendliche in der Einrichtung befanden und die Ausgehzeit nicht so streng gehandhabt wurde. Die Betreuer unternahmen mit den Jugendlichen in dieser Zeit auch vermehrt Freizeitaktivitäten und fuhren mit ihnen auf Ferienlager. Die Betreuer konnten den eigenen Urlaub mit der Beklagten individuell vereinbaren.

Diese Leistungen werden in der sozialpädagogischen Wohngemeinschaft wie folgt erbracht:

Art

Inhalt/Tätigkeit

Durchgängige

Anwesenheit/Erreichbar-keit

Tagdienst

Aktiver Betreuungsdienst;

pädagogische, pflegerische,

betreuerische Aktivitäten bzw. Versorgung (Vollverpflegung)

6:00 – 8:00 Uhr

14:00 – 22:00 Uhr

Nachtbereitschaft

Anwesenheit in der Einrichtung, schläft - wird aktiv bei Bedarf (selbst wahrgenommen bzw aktive Anfrage eines Bewohners) durch pädagogische Fachkraft (abgeschlossene Ausbildung lt Qualifikationsvorgaben)

22:00 – 6:00 Uhr

Tagbereitschaft

Nur für Minderjährige, die keiner Beschäftigung/ Beschulung nachgehen bzw wegen (vorübergehender) Krankheit oder während des Urlaubs keine andere Betreuungsform in Anspruch nehmen (können). Anwesenheit in der Einrichtung, wird aktiv bei Bedarf (selbst wahrgenommen bzw aktive Anfrage eines Minderjährigen)

365 Tage/Jahr

8:00 – 14:00 Uhr

Für Bewohner, die aufgrund ihres Verhaltens für eine Regelschule nicht tragbar, aber schulpflichtig waren, organisierten die Betreuer die Zusatzleistung der „Intensivbetreuung mit besonderer Beschulung“. Während die Klägerin in der sozialpädagogischen Wohngemeinschaft arbeitete, wurde regelmäßig ein Bewohner in dieser Form zusätzlich betreut. Diese Intensivbetreuung wurde von einem dafür ausgebildeten (externen) Lehrer durchgeführt, mit dem ein entsprechender Dienstvertrag abgeschlossen wurde. Die Klägerin hielt diesen Unterricht nicht ab.

Die Klägerin übte als Betreuerin in einer sozialpädagogischen Wohngemeinschaft die Obsorge über die Bewohner im Bereich der Pflege und Erziehung aus. Ihr Tätigkeitsbereich umfasste alle Betreuungsaufgaben im stationären Wohnbereich und auch die Bezugsbetreuung.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten, gestützt auf eine Berechnung der Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz (AZG), den Klagsbetrag, bestehend aus Zuschlägen für die von ihr im Zeitraum 1. 2. 2011 bis 30. 9. 2011 geleisteten Überstunden.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass die Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit als Wohngruppenbetreuerin in der sozialpädagogischen Wohngemeinschaft gemäß § 1 Abs 2 Z 6 AZG und gemäß § 1 Abs 1 Z 4 ARG vom Geltungsbereich dieser beiden Gesetze ausgenommen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ‑ nach Einschränkung der Verhandlung auf den Grund des Anspruchs ‑ ab. Rechtlich folgerte es, dass die Einrichtung, an der die Klägerin tätig gewesen sei, nicht bloß der Unterbringung, sondern der Betreuung der Bewohner „rund um die Uhr“ diene und Erziehungsmaßnahmen im Vordergrund stünden. Die Notwendigkeit möglichst weniger Beziehungsabbrüche und die dadurch sachlich begründete lange Einsatzzeit der Wohngruppenbetreuer mache eine Bindung an die Arbeitszeitgrenzen des AZG nur schwer möglich. Der Ausnahmebedarf sei für Einrichtung der „vollen Erziehung“ grundsätzlich gegeben. Die Klägerin sei Erziehungskraft im Sinne des § 1 Abs 2 Z 6 AZG gewesen, weshalb die Ausnahmebestimmung greife. Die EU‑Arbeitszeitrichtlinie könne keine Wirkung entfalten, weil die Beklagte ein privater Rechtsträger sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Eine richtlinienkonforme Interpretation des AZG vermöge den Anspruch der Klägerin schon deshalb nicht zu tragen, weil das Gesetz keinen Spielraum biete und die Richtlinie keinen Anspruch auf Vergütung der Arbeitnehmer für geleistete Arbeitszeit begründe. Mangels Vorliegens höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Auslegung des § 1 Abs 2 Z 6 AZG ließ das Berufungsgericht die ordentliche Revision zu.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

1. Die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes gelten für die Beschäftigung von Arbeitnehmern (Lehrlingen), die das 18. Lebensjahr vollendet haben (§ 1 Abs 1 AZG).

Nach § 1 Abs 2 Z 6 AZG sind vom Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes Lehr‑ und Erziehungskräfte an Unterrichts- und Erziehungsanstalten, soweit sie nicht unter Z 1 fallen, ausgenommen. Der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 1 AZG, der vor allem Arbeitnehmer von Gebietskörperschaften betrifft, kommt auf das zwischen den Streitteilen bestandene Dienstverhältnis nicht zur Anwendung.

2. Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nur dann zustehen können, wenn sie dem AZG unterliegt. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist daher ausschließlich die Auslegung des von der Beklagten relevierten Ausnahmetatbestands des § 1 Abs 2 Z 6 AZG. Die Klägerin versteht die Begriffe „Lehr- und Erziehungskräfte“ sowie „Unterrichts‑ und Erziehungsanstalten“ jeweils kumulativ, die Beklagte hingegen alternativ, also im Sinne von „Lehr‑ oder Erziehungskräfte“ sowie „Unterrichts‑ oder Erziehungsanstalten“.

3. § 6 ABGB bestimmt, dass einem Gesetz in der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden darf, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet. Am Anfang jeder Gesetzesauslegung steht daher die wörtliche (sprachliche, grammatikalische) Auslegung, der nach ständiger Rechtsprechung große Bedeutung zukommt (9 ObA 53/11k ua). Dabei ist nach dem Wortsinn der Norm und innerhalb des durch den äußerst möglichen Wortsinn abgesteckten Rahmens nach der Bedeutung eines Ausdrucks im allgemeinen Sprachgebrauch oder dem des Gesetzgebers und in seinem Zusammenhang innerhalb der Regelung zu fragen (RIS‑Justiz RS0008896 [T4]; P. Bydlinski in KBB4 § 6 Rz 3; Posch in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 6 Rz 5 uva).

Die Gesetzesauslegung darf aber nicht bei der Wortinterpretation stehen bleiben (RIS‑Justiz RS0008788 ua). Der übliche formale Wortsinn ist nur ein Hinweis für die Auslegung der Norm, nicht mehr; erst der äußerste mögliche Wortsinn steckt die Grenze jeglicher Auslegung ab, die auch mit den sonstigen Interpretationsmethoden nicht überschritten werden darf (RIS‑Justiz RS0008788 [T2]).

Bleibt nach Wortinterpretation und logischer Auslegung die Ausdrucksweise des Gesetzes dennoch zweifelhaft, dann ist die Absicht des Gesetzgebers zu erforschen (RIS‑Justiz RS0008836) und der Sinn einer Bestimmung unter Bedachtnahme auf den Zweck der Regelung zu erfassen (objektiv‑teleologische Interpretation; 5 Ob 126/13k). Dabei sind Ausnahmebestimmungen im Allgemeinen nicht ausdehnend auszulegen (RIS‑Justiz RS0008903; Posch in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 6 Rz 30 ua). Der Rechtsanwender hat unter gleichzeitiger Heranziehung aller zur Verfügung stehenden Kriterien in wertender Entscheidung den Sinn der Regelung klarzustellen (5 Ob 126/13k; RIS‑Justiz RS0008836 [T3]; Posch in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 6 Rz 26; Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.01 § 6 Rz 25).

4.1. Die wörtliche Auslegung der Begriffe „Lehr- und Erziehungskräfte“ sowie „Unterrichts- und Erziehungsanstalten“ lässt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, grundsätzlich sowohl ein alternatives, als auch ein kumulatives Verständnis dieser Begriffe zu. Der Gesetzgeber könnte damit entweder zum Ausdruck gebracht haben, dass die Ausnahmebestimmung sowohl auf Lehrkräfte als auch auf Erziehungskräfte zutrifft, die entweder in Unterrichtsanstalten oder in Erziehungsanstalten tätig sind, oder aber, dass sie nur für Arbeitnehmer anzuwenden ist, die als Lehr- und auch als Erziehungskraft in einer Anstalt beschäftigt sind, die (gemeinsam) als Unterrichts‑ und Erziehungsanstalt fungiert.

4.2. Die Gesetzesmaterialien geben über den Grund und den Inhalt der fraglichen Ausnahmebestimmung keinen Aufschluss. Das dem Arbeitszeitgesetz vom 11. 12. 1969 zugrunde liegende Volksbegehren (1327 BlgNR 11. GP 1 ff) wies noch keine Ausnahmebestimmungen auf. Erst der Ausschuss für soziale Verwaltung, dem das Volksbegehren vom Nationalrat zur Vorbereitung zugewiesen worden war, legte in § 1 Abs 2 AZG Ausnahmebestimmungen, ua jene des § 1 Abs 2 Z 6 AZG, fest. Welche Beweggründe den Ausschuss dazu veranlassten, ist dem Ausschussbericht nicht zu entnehmen (AB 1463 BlgNR 11. GP 1 ff). Dasselbe trifft auf die Materialien zur gleichlautenden Ausnahmebestimmung des § 19b Abs 4 Z 4 AZG zu, die nur allgemein auf die Ausnahmen zum AZG verweisen (IA 408/A BlgNR 20. GP 34; AB 622 BlgNR 20. GP 7).

4.3. In der Lehre werden zum telos des Begriffs „Unterrichts‑ und Erziehungsanstalten“, auf den in der Folge der Schwerpunkt in der Revisionsentscheidung gelegt wird, unterschiedliche Meinungen vertreten:

4.3.1. Heilegger (in Heilegger/Klein/Schwarz, AZG³ § 1 Erl 13) sieht den Zweck der Ausnahmeregelung darin, dass bei bestimmten Tätigkeiten im Rahmen des Schul- und Erziehungswesens eine Bindung an Arbeitszeitgrenzen nur schwer möglich oder ‑ wie zB in Internatsschulen ‑ sogar eine Betreuung „rund um die Uhr“ notwendig sei. Gemeint seien also (nur) Einrichtungen, die beiden Zwecken, nämlich Unterricht und Erziehung dienten. Das seien im Wesentlichen Privatschulen iSd § 2 Privatschulgesetz 1962. Einrichtungen, die in erster Linie der Unterbringung von Kindern oder Jugendlichen dienten, ohne dass der Unterrichts‑ und Erziehungszweck im Vordergrund stehe, wie zB Kinderdörfer, Lehrlingsheime, Jugendwohnheime und dergleichen, würden nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 6 AZG fallen.

4.3.2. Nach Grillberger (AZG³ § 1 Rz 24) dürfte der Zweck der Ausnahmeregelung des § 1 Abs 2 Z 6 AZG darin bestehen, jenen Besonderheiten der Arbeitsleistung Rechnung zu tragen, wie sie bei Lehrkräften an staatlichen Schulen regelmäßig vorlägen: Zeiten stärkerer Inanspruchnahme der Lehrkraft wechselten auf Grund der gesetzlich geregelten Ferien mit längeren Freizeiten. Die ursprünglich relativ starre Arbeitszeitregelung (8‑Stundentag, 40‑Stundenwoche) erschiene unter solchen Bedingungen nicht sachgerecht. Grillberger definiert jedoch den Begriff „Unterrichts‑ und Erziehungsanstalten“ nicht als einen gemeinsamen Ausdruck, sondern die Termini Unterrichtsanstalten und Erziehungsanstalten jeweils gesondert.

4.3.3. Pfeil (in ZellKomm2 § 1 AZG Rz 9) sieht unter Berufung auf Grillberger die Legitimation für diese Ausnahme, die aber gleichzeitig als ein diese begrenzendes Tatbestandsmerkmal gesehen werden müsse, ebenfalls in der Arbeitszeitverteilung, die eine höhere Inanspruchnahme deshalb zulasse, weil dann durch Ferienzeit ein längerer Ausgleich erfolge. Nur solche Einrichtungen im Sinne des Privatschulgesetzes (idF BGBl I 2008/71) würden als Anstalten im hier geforderten Sinn verstanden werden können.

4.3.4. Auch nach Binder/Brunner/Szymanski (AZG § 1 Anm 38 f), sei der Gesetzgeber offensichtlich davon ausgegangen, dass in solchen Einrichtungen eine Bindung an die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes nur schwer möglich sei. Gehe man davon aus, dass durch die Ausnahmebestimmung eine Gleichstellung mit Schulen von Gebietskörperschaften beabsichtigt sei, würden unter die Ausnahme insbesondere Privatschulen fallen.

4.3.5. Wolfsgruber (Der Geltungsbereich des Arbeitszeitgesetzes, in Resch, Arbeitszeitrecht, 20 f) definiert den Begriff Erziehungsanstalten, verweist aber dazu im Wesentlichen auf die Ansichten von Grillberger und Cerny.

4.3.6. Schrank (AZG² § 1 Rz 32, 35) vertritt die Auffassung, dass das jeweilige „und“ in § 1 Abs 2 Z 6 AZG nicht kumulativ, sondern als „und/oder“ gemeint und auch so zu verstehen sei. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, nur kombinatorische Einrichtungen ausgenommen zu haben, bestehe der sachliche Ausnahmebedarf doch in gleichem Maße auch bei getrennten Einrichtungen, was bei der Auslegung des „und“ als kumulativ und nicht auch alternativ zu unsachlicher und auch quantitativ unverständlicher Einengung der Ausnahme führen würde. Die Ausnahme des § 1 Abs 2 Z 6 AZG müsse umso mehr für erzieherisch qualifizierte Einrichtungen (Wohn-gemeinschaften) der „vollen Erziehung“ gelten, sollten diese ihren Zweck erreichen können.

Rechtliche Beurteilung

4.4. Der BAGS‑KV sieht bereits seit der Stammfassung vom 17. 12. 2003 in seinem § 24 „Sonderbestimmungen für Arbeitnehmerinnen, die in Kinder- und Jugendwohngruppen der Vollen Erziehung pädagogisch tätig sind“ vor. § 24 Abs 1 BAGS‑KV ermöglicht eine deutliche Arbeitszeitflexibilisierung für diese Arbeitnehmer, § 24 Abs 2 BAGS-KV sieht eine Sonderregelung für den Fall der Nachtarbeitsbereitschaft vor. Nach Löschnigg/Resch (BAGS‑KV 2013 § 24 Erl 1) unterliege das pädagogisch tätige Personal unter Umständen gemäß § 1 Abs 2 Z 6 AZG nicht dem AZG, weil nach dieser Bestimmung das AZG für Lehr- und Erziehungskräfte an Unterrichts- und Erziehungsanstalten nicht zur Anwendung komme.

4.5. Um zu erforschen, welchen Inhalt der Gesetzgeber dem Begriff „Unterrichts‑ und Erziehungsanstalt“ in § 1 Abs 2 Z 6 AZG verleihen wollte, ist es zweckdienlich, noch auf zwei andere arbeitsrechtliche Gesetze zu reflektieren, in denen der Gesetzgeber denselben Wortlaut verwendet hat:

4.5.1. Das Arbeitsruhegesetz nimmt in § 1 Abs 2 Z 4 ARG ebenso Lehr‑ und Erziehungskräfte an Unterrichts- und Erziehungsanstalten, soweit sie nicht bereits unter Z 1 (öffentlich Bedienstete) fallen, von seinem Geltungsbereich aus. Bereits die Stammfassung BGBl 1983/144 des mit 1. 7. 1984 in Kraft getretenen Arbeitsruhegesetzes wies diese Ausnahmebestimmung (damals in § 1 Abs 2 Z 3 ARG) auf. Nach den Gesetzesmaterialien (RV 1289 BlgNR 15. GP 16) entspricht diese Ausnahme § 1 Abs 2 Z 6 AZG. Daher seien auch Arbeitnehmer an privaten Unterrichts- und Erziehungsanstalten ausgenommen, allerdings nur, soweit es sich um Lehr- und Erziehungskräfte handle. Die Begriffe „Lehr- und Erziehungskräfte“ und „Unterrichts‑ und Erziehungsanstalten“ seien ‑ da sie in einer Ausnahmebestimmung verwendet würden ‑ eng auszulegen. Unter dem Begriff „Unterrichts‑ und Erziehungsanstalten“ seien vor allem Schulen und Einrichtungen der Jugendwohlfahrt zu verstehen. Einrichtungen, die in erster Linie der Unterbringung von Kindern oder Jugendlichen dienten, ohne dass der Unterrichts‑ oder Erziehungszweck im Vordergrund stehe, wie zum Beispiel Kinderdörfer, Lehrlingsheime und dergleichen, fielen nicht unter dieses Ausnahmebestimmung.

4.5.2. Das Arbeitsverfassungsgesetz verwendet den Begriff (öffentliche) „Unterrichts‑ und Erziehungsanstalten“ in § 33 Abs 2 Z 4 ArbVG. Es nimmt diese öffentlichen Einrichtungen, sofern für sie die Bestimmungen des Bundes-Personalvertretungsgesetzes gelten, von den Bestimmungen des II. Teils des ArbVG und damit vom sachlichen Geltungsbereich der Betriebsverfassung, der nach der Generalklausel des § 33 Abs 1 ArbVG für Betriebe aller Art gilt, aus.

Die in Rede stehende Wortfolge wurde vom Gesetzgeber wortgleich aus dem Betriebsrätegesetz (BRG) BGBl 1947/97 in das Arbeitsverfassungsgesetz übernommen. Der Rückgriff auf Erwägungen des Gesetzgebers, die in den Materialien zum ArbVG (RV 840 BlgNR 13. GP 68) oder in jenen zum BRG (RV 320 BlgNR 5. GP 8) einen Niederschlag gefunden haben, hilft nicht weiter.

Es hat aber der Oberste Gerichtshof bereits in mehreren Entscheidungen zur Frage des Betriebsbegriffs im Sinne der Ausnahmebestimmung des § 33 Abs 2 Z 4 ArbVG Stellung genommen: So wurde unter Zugrundelegung eines weiten Erziehungsbegriffs ein Landesberufsschülerheim, das nicht bloße Unterbringuns‑ und Hotelfunktion aufwies und das nicht nur pädagogische und erzieherische Zwecke verfolgte, sondern in dem die Schüler auch in schulischen und außerschulischen Belangen unterstützt und gefördert wurden, als öffentliche Unterrichts‑ und Erziehungsanstalt angesehen (9 ObA 246/94). Dieser weite Erziehungsbegriff erfasse jegliche planmäßige Einwirkung auf die Entwicklung des Menschen im Sinne einer Unterstützung und Förderung, aber auch die Beeinflussung seiner Persönlichkeitsentwicklung, sowie jeglichen Unterricht oder jegliche Ausbildung, gleichgültig ob in allgemeiner oder fachlicher Hinsicht. Das Alter der Benützer sei unmaßgeblich (permanent education). Auch die Lehranstalt „Konservatorium Innsbruck“ wurde, weil ihr neben der fachlichen Ausbildung auch die Festigung der charakterlichen Anlagen der Schüler und Studierenden in sittlicher Hinsicht oblag, unter diese Ausnahmebestimmung subsumiert (8 ObA 234/95). Ebenso wurden eine Allgemeine Krankenpflegeschule und ähnliche Einrichtungen (9 ObA 226/98w), die Musikschule einer Gemeinde (8 ObA 257/98x) und sogar die Jugendstelle einer Gemeinde (8 ObA 204/99d) der Ausnahmeregelung des § 33 Abs 2 Z 4 ArbVG unterstellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat ein Landesjugendheim (Fürsorgeerziehungsheim) dem Begriff der „öffentlichen Erziehungsanstalt“ im Sinne des § 33 Abs 2 Z 4 ArbVG unterstellt, ist damit also klar von zwei alternativen Begriffen, nämlich Unterrichtsanstalt und Erziehungsanstalt ausgegangen (VwSlg 9.319 = Arb 9584)

5. Der erkennende Senat gelangt zusammenfassend zur Überzeugung, dass die vom Gesetzgeber in § 1 Abs 2 Z 6 AZG formulierten Begriffe „Lehr‑ und Erziehungskräfte“ sowie „Unterrichts‑ und Erziehungsanstalten“ alternativ, also im Sinne von Lehrkräfte oder Erziehungskräfte sowie Unterrichtsanstalten oder Erziehungsanstalten auszulegen sind.

5.1. Schon die wörtliche Auslegung spricht eher dafür, dass der Gesetzgeber mit den gewählten Begriffen „Lehr- und Erziehungskräfte“ sowie „Unterrichts- und Erziehungsanstalten“ nur eine verkürzte Formulierung gegenüber der doch sprachlich etwas schwerfälligen Ausdrucksweise „Lehrkräfte und Erziehungskräfte in Unterrichtsanstalten und Erziehungsanstalten“ gewählt hat.

5.2. Dies wird auch dem Zweck der Ausnahmebestimmung, der ‑ wie auch Heilegger (in Heilegger/Klein/Schwarz, AZG³ § 1 Erl 13) betont ‑ darin liegt, dass bei bestimmten Tätigkeiten im Rahmen des Schul- und Erziehungswesens eine Bindung an Arbeitszeitgrenzen nur schwer möglich oder sogar eine Betreuung „rund um die Uhr“ notwendig ist, gerecht. Weshalb dann aber aus dieser Zweckbestimmung zu folgern sei, dass nur Einrichtungen, die beiden Zwecken, nämlich Unterricht und Erziehung dienen, gemeint sein sollen, ist nicht ersichtlich. Wie Schrank (AZG² § 1 Rz 32, 35) überzeugend hervorhebt, besteht der sachliche Ausnahmebedarf für Unterrichtsanstalten in gleichem Maße auch für Erziehungsanstalten. Auch nach Auffassung des Senats ist gerade für Einrichtungen wie einer hier gegenständlichen sozialpädagogischen Wohngemeinschaft, die ihre Tätigkeit aufgrund der ihr vom Kinder‑ und Jugendhilfeträger übertragenen Obsorge im Rahmen der vollen Erziehung erbringt, ein sachlicher Ausnahmebedarf von den zulässigen Höchstarbeitszeitgrenzen des Arbeitszeitgesetzes gegeben, wollen sie dem Ziel einer familienähnlichen Einrichtung gerecht werden. Die volle Erziehung umfasst die (außerfamiliäre) Pflege und Erziehung der Minderjährigen, sofern der Jugendwohlfahrtsträger ‑ wie hier ‑ mit der Pflege und Erziehung zur Gänze betraut wurde (§ 28 StKJHG). Insbesondere die vielfältigen erzieherischen, organisatorischen und nicht immer zeitlich planbaren Aufgaben der in einer derartigen Einrichtung beschäftigten Erziehungskräfte lassen das dafür doch enge Korsett des Arbeitszeitgesetzes nicht unbedingt geeignet erscheinen. Damit trägt die Ausnahmebestimmung den spezifischen Anforderungen an eine professionelle Erziehungsarbeit im Sinne der vollen Erziehung Rechnung und ermöglicht eine möglichst nachhaltige, familienähnliche Erziehungsarbeit. Dass bei Anwendung des Arbeitszeitgesetzes (vgl insbesondere die nur in § 24 Abs 2 BAGS‑KV vorgesehene Möglichkeit, Zeiten der Nachtarbeitsbereitschaft nicht in die wöchentliche Normalarbeitszeit von 38 Stunden einzurechnen) ein häufigerer Betreuungswechsel erfolgen müsste, würde den Aufbau von stabilen und von Kontinuität des persönlichen Betreuers geprägten Beziehungen (Bezugsbetreuung) zu den Bewohnern sowie die Schaffung und den Erhalt eines familienähnlichen Umfelds in der Wohngemeinschaft nicht bloß erschweren, sondern geradezu unmöglich machen.

5.3. Mit dieser Gesetzesauslegung wird die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 6 AZG entgegen mancher Befürchtung auch nicht ausdehnend ausgelegt, weil es sich bei den von der Klägerin verrichteten Tätigkeiten zweifellos um Erziehungstätigkeiten im engsten Sinne handelt, die sonst üblicherweise im Familienverband von den Eltern wahrgenommen werden (§ 160 ABGB).

5.4. Dieses alternative Begriffsverständnis legte aber auch der Gesetzgeber, wie aus den Gesetzesmaterialien deutlich hervorgeht (siehe 4.5.1.), seiner gleichlautenden und denselben Zweck verfolgenden Bestimmung im Arbeitsruhegesetz zugrunde. Es entspricht auch dem Verständnis des Verwaltungsgerichtshofs zu § 33 Abs 2 Z 4 ArbVG (siehe 4.5.2.). Soweit der Oberste Gerichtshof den zu § 33 Abs 2 Z 4 ArbVG ergangenen Entscheidungen (siehe 4.5.2.) überhaupt ein kumulatives Verständnis zugrunde gelegt hat, darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass in diesen Entscheidungen im Wesentlichen nicht die Rechtsfrage strittig war, ob es sich bei der jeweiligen Einrichtung um eine „Unterrichts‑ und Erziehungsanstalt“ handelte, sondern ob diese der Ausnahmebestimmung des § 33 Abs 2 Z 4 ArbVG auch dann unterfielen, wenn auf sie nicht das Bundes-Personalvertretungsgesetz anzuwenden ist, sondern die vom Land erlassenen Personalvertretungsvorschriften. Nach Grillberger (AZG³ § 1 Rz 24) lässt sich aus dem weiten Begriff der Unterrichts‑ und Erziehungsanstalten, wie er dem § 33 Abs 2 ArbVG zugrunde gelegt werde, für das AZG ohnehin nichts ableiten.

6. Die Frage, ob die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. 11. 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (kurz: Arbeitszeit-Richtlinie) vom nationalen Gesetzgeber nur unzureichend umgesetzt wurde und insbesondere die generelle Ausnahme von Lehr- und Erziehungskräften an Unterrichts- und Erziehungsanstalten (§ 1 Abs 2 Z 6 AZG) unionsrechtswidrig ist (vgl Grillberger, AZG³ § 1 Rz 24; Resch, Das neue Arbeitszeitrecht 23 mwN), kann hier unerörtert bleiben. Eine unmittelbare Wirkung von Richtlinien zwischen Privaten kommt nämlich nicht in Betracht (Art 288 AEUV; RIS‑Justiz RS0111214). Die innerstaatlichen Behörden haben die inhaltlich von der Richtlinie berührten Normen aber soweit wie möglich im Einklang mit der Richtlinie („richtlinienkonform“) auszulegen (RIS‑Justiz RS0111214). Dies gilt auch für nicht umgesetzte Richtlinien nach Ablauf der Umsetzungsfrist (Vcelouch in Mayer/Stöger, Komm EUV/AEUV, Art 288 Rz 79 mwN). Eine richtlinienkonforme Auslegung einer Bestimmung kann aber nur soweit erfolgen, als das nationale Recht dem Rechtsanwender einen Spielraum einräumt. Sie darf einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen nationalen Regelung keinen durch die nationalen Auslegungsregeln nicht erzielbaren abweichenden oder gar entgegengesetzten Sinn geben (9 ObA 20/14b; RIS‑Justiz RS0114158). Das wäre aber hier der Fall, würde man die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 6 AZG wegen Verstoßes gegen das Unionsrecht unangewendet lassen.

7. Zusammengefasst ist die Klägerin, die als Betreuerin in einer sozialpädagogischen Wohngemeinschaft alle Betreuungsaufgaben im stationären Wohnbereich und auch die Bezugsbetreuung ausübte, als Erziehungskraft anzusehen und die von der Beklagten betriebene sozialpädagogische Wohngemeinschaft, der die Durchführung der Maßnahme der vollen Erziehung im Sinn des § 28 Abs 2 iVm § 32 Abs 1 und 2 Z 2 StKJHG obliegt, als Erziehungsanstalt. Die Klägerin ist damit vom Geltungsbereich des AZG ausgenommen (§ 1 Abs 2 Z 6 AZG).

Der Revision der Klägerin war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Oberster Gerichtshof,Wien, am 29. Oktober 2014 Dr. H o p fFür die Richtigkeit der Ausfertigungdie Leiterin der Geschäftsabteilung:

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