OGH 9ObA226/98w

OGH9ObA226/98w7.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter SR Dr. Elisabeth Kahler und Heinrich Dürr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Antragstellers Land Steiermark, 8010 Graz, Hofgasse 15, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wider den Antragsgegner Österreichischer Gewerkschaftsbund (für die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst), 1010 Wien, Teinfaltstraße 7, vertreten durch Dr. Andre Alvarado-Dupuy, Zentralsekretär der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, ebendort, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Antrag auf Feststellung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Es wird festgestellt, daß für alle in einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark stehenden Personen das Steiermärkische Landespersonalvertretungsgesetz zur Anwendung kommt, soweit diese in folgenden Einrichtungen des Landes Steiermark beschäftigt sind:

Allgemeine Krankenpflegeschule in Graz und Leoben;

Kinderkrankenpflegeschule;

Akademie für den physiotherapeutischen Dienst;

Akademie für den medizinisch-technischen Laboratoriumsdienst;

Akademie für den radiologisch-technischen Dienst;

Akademie für den Diätdienst und den ernährungsmedizinischen Beratungsdienst;

Schule für den medizinisch-technischen Fachdienst.

Text

Begründung

Der Antragsteller beantragt wie im Spruch ersichtlich und bringt dazu vor wie folgt:

Die im Spruch genannten Einrichtungen seien nicht in das Regelschulsystem iS des Schulorganisationsgesetzes und des Schulunterrichtsgesetzes eingebunden; sie unterlägen auch nicht den Bestimmungen des Privatschulgesetzes, sondern hätten eigenständige (im Antrag im einzelnen angeführte) Rechtsgrundlagen. Obwohl es möglich wäre, daß auch private Träger solche Einrichtungen errichten, gebe es bisher ausschließlich die genannten, vom Land Steiermark eingerichteten Schulen und Akademien, die daher keine hoheitlichen Einrichtungen, sondern Einrichtungen nach den maßgebenden Gesetzen im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung seien. Die meisten der dort Beschäftigten (mehr als 200 Personen) seien Vertragsbedienstete; einige wenige Beamten - in der Regel leitende Personen - seien abgestellt. Der Unterricht gliedere sich lehrplanmäßig in theoretische und praktische Ausbildung. Die genannten Einrichtungen, die keine Arbeitsergebnisse und keine Einnahmen erzielten, würden als nachgeordnete Dienststellen des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung behandelt; sie hätten keine eigene Entscheidungsbefugnis und müßten sich bei allen Entscheidungen an die zuständigen Rechtsabteilungen der Landesregierung wenden. Strittig sei die Frage, ob Betriebsräte oder - wie der Antragsteller behaupte - Personalvertretungen zu wählen seien. Betrachte man die Einrichtungen als Verwaltungsstellen des Landes, komme die Anwendung des ArbVG im Hinblick auf die Bestimmung des § 33 Abs 2 Z 2 dieses Gesetzes nicht in Betracht. Jedenfalls komme § 33 Abs 2 Z 4 ArbVG zum Tragen, wonach öffentliche Unterrichts- und Erziehungsanstalten nicht unter die Bestimmungen des 2. Teiles dieses Gesetzes fallen, sofern für sie die Bestimmungen des Bundes-Personalvertretungsgesetzes gelten. Seit dem Inkrafttreten der B-VG Novellen 1974 und 1981 sowie der Schulverfassungsnovelle 1975 bestehe aber keine Anwendung. Das Arbeitsverfassungsgesetz schließe aber auch öffentliche Unterrichts- und Erziehungsanstalten von seiner Anwendung aus, auf die ein Landespersonalvertretungsgesetz anzuwenden sei. Das steiermärkische Landes-Personalvertretungsgesetz (stmk. LPVG) gelte nach seinem § 1 Abs 1 für alle in einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark stehenden Personen, soweit nichts anderes bestimmt sei; nach seinem § 1 Abs 2 seien aber von seinem Anwendungsbereich Bedienstete in Betrieben, die unter die Bestimmungen des 2. Teiles des ArbVG fallen, ausgenommen. Zufolge der umfassenden Leistungsbefugnis des Amtes der Landesregierung bzw der Landesregierung seien die genannten Einrichtungen, denen organisatorische Selbständigkeit fehle, jedoch nicht als Betriebe iS des ArbVG anzusehen, sodaß für die dort Bediensteten nicht das ArbVG, sondern das stmk LPVG zur Anwendung komme. Von dieser Rechtsfrage seien mehr als 200 Bedienstete des Landes Steiermark - in der Regel Vertragsbedienstete - betroffen.

Der Antragsgegner beantragt die Abweisung des Feststellungsantrages. Zwar habe der Oberste Gerichtshof mehrmals entschieden, daß öffentliche Unterrichts- und Erziehungsanstalten der Länder - als solche seien auch die hier in Rede stehenden Einrichtungen zu betrachten - ab dem Inkrafttreten von Landes-Personalvertretungsgesetzen infolge analoger Anwendung des § 33 Abs 2 Z 4 ArbVG nicht mehr dem Arbeitsverfassungsgesetz unterliegen. Diese Rechtsprechung sei aber überprüfungsbedürftig, weil die ihr zugrunde liegende Auffassung, öffentliche Unterrichts- und Erziehungsanstalten seien keine "Betriebe" iS Art 21 Abs 2 B-VG auf der unrichtigen Annahme beruhe, der Begriff des "Betriebes" iS der zitierten Norm sei nicht nach dem ArbVG sondern nach dem Betriebsrätegesetz auszulegen. Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers des ArbVG sei dieses Gesetz auf die in Rede stehenden Einrichtungen einzuwenden.

Rechtliche Beurteilung

Der Feststellungsantrag ist zulässig (zur Legitimation der Parteien:

SZ 62/217; zuletzt 8 ObA 224/97t [Antragsteller] und SZ 67/149 [Antragsgegner]; zur Zulässigkeit des Begehrens vgl 9 ObA 602/93) und auch berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat sich mit den hier zu beurteilenden Rechtsfragen erstmals in seiner (Tiroler Landesberufsschülerheime betreffenden) Entscheidung 9 ObA 246/94 (DRdA 1996/9) auseinandergesetzt. Dabei vertrat er folgende Rechtsauffassung:

"Abgesehen vom" (im Anlaßfall verneinten) "Ausnahmsfall des § 33 Abs 2 Z 2 ArbVG sind gemäß Z 4 leg cit auch die öffentlichen Unterrichts- und Erziehungsanstalten vom Geltungsbereich des II. Teils des ArbVG ausgenommen, sofern für sie die Bestimmungen des Bundes-Personalvertretungsgesetzes gelten. Aus dem rechtssystematischen Zusammenhang zwischen diesen beiden Tatbeständen folgt, daß öffentliche Unterrichts- und Erziehungsanstalten unter der dort angeführten Bedingung jedenfalls und ohne Rücksicht darauf, ob sie ihrer rechtlichen oder organisatorischen Struktur nach auch Merkmale einer "sonstigen Verwaltungsstelle" aufweisen, allein aus dem Grund des § 33 Abs 2 Z 4 ArbVG vom Anwendungsbereich des II. Teils des ArbVG ausgenommen sind (VwGHSlg 9313 A = Arb 9584). Diese Ausnahme gilt sohin auch für Anstalten, die im Rahmen der Privatwirtschaft geführt werden. Hinsichtlich des Vorliegens einer Unterrichts- und Erziehungsanstalt ist von einem weiten Erziehungsbegriff auszugehen. Dieser umfaßt jede planmäßige Einwirkung auf die Entwicklung des Menschen im Sinne einer Unterstützung und Förderung, aber auch die Beeinflussung der Persönlichkeitsentwicklung sowie jeglichen Unterricht oder jegliche Ausbildung, gleichgültig, ob in allgemeiner oder fachlicher Hinsicht.

Das Alter der Benützer ist umaßgeblich. ...... Eine Unterrichts- und

Erziehungsanstalt ist im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn

öffentlich, wenn sie von einer Gebietskörperschaft geführt wird

(Strasser in Floretta/Strasser, HandkommzArbVG § 33 Erl 3.6;

Schrammel, Das Sonderrecht der Gebietskörperschaften auf dem

Prüfstand, ZAS 1988, 187 ff [193]; Thienel, öffentlicher Dienst und

Kompetenzverteilung, 190; Schragel, Handkommentar zum PVG § 1 Rz 6;

Arb 8548; VwSlg 9313 A = Arb 9584). ....... Öffentliche Unterrichts-

und Erziehungsanstalten sind nur dann vom Geltungsbereich des ArbVG ausgenommen, wenn sie der Geltung des Bundes-Personalvertretungsgesetzes unterliegen. Das ArbVG statuiert damit den Vorrang dieses Gesetzes als lex specialis. Diese umfassende Bundeskompetenz ist allerdings seit dem Inkrafttreten der B-VG-Novellen 1974 und 1981 sowie der Schulverfassungs-Novelle 1975 nicht mehr gegeben. Die betriebliche Vertretung der in landeseigenen Unterrichts- und Erziehungsanstalten beschäftigten Personen obliegt nur mehr im Rahmen der Art 14 und14a B-VG dem Bund. Nur für diese landeseigenen Anstalten kann der Bund daher den Vorrang des Bundespersonalvertretungsrechtes statuieren. Alle anderen landes- und gemeindeeigenen Anstalten würden damit dem ArbVG unterliegen. Dies wäre aber mit der Kompetenzverteilung auf dem Gebiet des Betriebs- und Personalvertretungsrechtes nicht vereinbar (vgl Schrammel aaO 193; Cerny in Cerny/Haas-Laßnigg/B. Schwarz, ArbVG Band 2 § 33 Erl 1). Unterrichts- und Erziehungsanstalten der Länder und Gemeinden können daher nicht mehr in den Geltungsbereich des ArbVG fallen, wenn das Land entsprechende Personalvertretungsvorschriften erlassen hat (vgl Schragel aaO § 1 Rz 6, der darauf hinweist, daß diese Bedingung als überflüssig überhaupt entfallen sollte; VwGHSlg 9313 A = Arb 9584; differenzierend Thienel aaO 192). Nach § 1 Abs 1 des Tiroler Landes-Personalvertretungsgesetzes, LGBl 1981/61, gilt dieses Gesetz für alle in einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Land stehenden Personen (Bediensteten), die in einer Dienststelle tätig sind. Gemäß § 1 Abs 2 gilt dieses Gesetz nicht für Bedienstete, die in Betrieben tätig sind (vgl § 1 Abs 1 [Bundes]-PVG). Soweit also das ArbVG, auf das § 1 Abs 1 PVG verweist, auf das PVG zurückverweist und sich damit wiederum gerade auf § 1 Abs 1 PVG bezieht (vgl Schragel aaO § 1 Rz 3), muß dies sinngemäß auch im Verhältnis der Absätze 1 und 2 des § 1 des Tiroler LPVG gelten. Andernfalls wären zufolge § 1 Abs 3 des Tiroler LPVG die Ausnahmstatbestände des § 33 Abs 2 ArbVG auf den § 33 Abs 2 Z 2 ArbVG reduziert. Liegt daher der Ausnahmetatbestand des § 33 Abs 2 Z 4 ArbVG vor, kann dem nicht entgegengehalten werden, es handle sich dennoch um einen Betrieb im Sinne der § 33 Abs 1 und § 34 Abs 1 ArbVG bzw des § 1 Abs 2 lit a des Tiroler LPVG (in diesem Sinn auch VwGHSlg 9313 A = Arb 9584; Arb 9909, 10.300)."

Dieser Rechtsauffassung, der Holzer (Anm zu DRdA 1996/9) zugestimmt hat und die in der Folge vom Obersten Gerichtshof in den das Konservatorium Innsbruck betreffenden Entscheidungen 9 ObA 54/95 (Arb 11.389) und 8 ObA 234/95 (Arb 11.504) bekräftigt wurde, schließt sich auch der erkennende Senat an. Sie ist auf den hier zu beurteilenden Fall vollinhaltlich übertragbar, zumal nicht zweifelhaft sein kann (und auch nicht strittig ist), daß die in Rede stehenden Einrichtungen als Unterrichts- und Erziehungsanstalten iS § 33 Abs 2 Z 4 ArbVG zu qualifizieren sind und § 1 des hier in Betracht kommenden stmk. LPVG dem in den zitierten Entscheidungen erörterten § 1 des Tiroler LPVG - soweit hier von Interesse - inhaltlich völlig entspricht.

Die gegen die zitierte Rechtsprechung vorgetragenen Einwände des Antragsgegners überzeugen nicht. Er beruft sich vor allem auf die vom Obersten Gerichtshof in den genannten Vorentscheidungen ohnedies zitierte, aber nicht geteilte Rechtsauffassung Thienels (aaO 190f), der im übrigen selbst darauf verweist, daß seine Meinung in Widerspruch zur Vorjudikatur des VwGH und des Einigungsamtes Innsbruck sowie zur Auffassung Schrammels (aaO 193) steht. Mit dem Hinweis auf die Meinung Thienels werden daher keine Umstände aufgezeigt, die eine von der bisherigen Rechtsprechung abweichende Beurteilung erfordern würden. Auch auf den Willen des historischen Gesetzgebers kann sich der Antragsgegner nicht mit Erfolg berufen, zumal die von ihm zitierten Ausführungen der Regierungsvorlage zum ArbVG (840 BlgNR 13. GP 68) aus der Zeit vor der oben dargestellten Änderung der verfassungsrechtlichen Kompetenzbestimmungen und der dadurch bedingten Schaffung von Landes-Personalvertretungsgesetzen stammen und demgemäß auf die durch diese Entwicklung aufgeworfenen Rechtsfragen in keiner Weise Bedacht nehmen. Mit der nunmehr gegebenen Kompetenzverteilung auf dem Gebiet des Betriebs- und Personalvertretungsrechtes wäre aber - wie schon in den zitierten Vorentscheidungen unter Berufung auf Schrammel (aaO 193) ausgeführt - das vom Antragsgegner gewünschte Ergebnis nicht vereinbar.

Der Oberste Gerichtshof hält daher an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, auf deren Grundlage sich der vorliegende Feststellungsantrag als berechtigt erweist.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte