OGH 1Ob191/14s

OGH1Ob191/14s22.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Gernot Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei A ***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Pallauf Meissnitzer Staindl & Partner, Salzburg, wegen 5.171,32 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 28. Mai 2014, GZ 22 R 166/14m‑35, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 20. Februar 2014, GZ 17 C 133/13s‑31, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00191.14S.1022.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 447,98 EUR (darin 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte betreibt ein Erdbauunternehmen und lässt seit dem Kauf des Raupenbaggers von der Klägerin im Jahr 2004 alle Service‑ und Reparaturarbeiten bei dieser durchführen. Der Hersteller des Baggers existiert seit 1999/2000 nicht mehr. Wegen der geringen Stückzahl dieses Baggertyps sind Ersatzteile nicht oder nur schwer zu beschaffen.

Da der Antrieb des Baggers defekt war, beauftragte die Beklagte die Klägerin am 11. 5. 2011 mit der Reparatur. Besprochen wurde, dass es sich beim Raupenbagger um ein älteres Baujahr handelt und daher die Ersatzteilbeschaffung schwierig sein könnte.

Mitarbeiter der Klägerin nahmen am 11. 5. 2011 lediglich eine Teilzerlegung des Getriebes vor und erkannten dabei die Beschädigung der Planetenräder, des Sonnenrads mit Sonnenwelle und der Lager. Für eine vollständige Schadensfeststellung mit detaillierter Ersatzteilauflistung wäre es notwendig gewesen, den kompletten Endantrieb vom Kettenfahrwerk auszubauen und vollständig zu zerlegen. Eine solche Schadensfeststellung erfolgte durch die Klägerin vorerst nicht.

Obwohl der Geschäftsführer der Beklagten immer wieder die rasche Reparatur urgierte und die Klägerin durch einfache Recherche im Internet (Eingabe der Suchworte „Ersatzteile F***** Bagger“) mit drei Mausklicks ein Unternehmen eruieren hätte können, das sich seit über 20 Jahren mit der Beschaffung von Ersatzteilen beschäftigt, wurden von ihr seit der Auftragserteilung bis zum 22. 6. 2011 weder Ersatzteile besorgt noch bestellt. Die Beklagte nahm daraufhin die Besorgung der Ersatzteile selbst in die Hand, sodass diese am 18. 7. 2011 geliefert wurden.

Nach Einlangen der von der Beklagten selbst besorgten Ersatzteile am 18. 7. 2011 baute die Klägerin erst am 24. 8. 2011 den Endantrieb aus und schickte ihn zum Ersatzteilhändler, wo dieser vollständig zerlegt wurde. Dabei wurde festgestellt, dass auch noch ein Hauptlager und eine Bremslamelle defekt waren, wodurch auch noch die Erneuerung des Planetenträgers erforderlich wurde. Am 17. 10. 2011 traf der Endantrieb wieder bei der Klägerin ein und am 21. 10. 2011 wurden die Reparaturarbeiten abgeschlossen. Trotz schwieriger Ersatzteilbeschaffung hätte die gesamte Reparatur in ca zwei Monaten abgeschlossen werden können.

Die Beklagte mietete für die Reparaturdauer zur Durchführung beauftragter Arbeiten einen gleichwertigen Ersatzbagger an. Dadurch entstanden ihr monatliche Mietkosten von 4.363,20 EUR (brutto).

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung der Reparaturkosten für den Raupenbagger von 5.171,32 EUR sA. Die Reparaturdauer sei darin begründet, dass die Produktion des Raupenbaggers seit Jahren eingestellt sei, sodass es keine funktionierende Ersatzteilversorgung mehr gebe. Über Auftrag der Beklagten sei die Reparatur abgebrochen worden. Erst im August 2011 sei deren Fertigstellung beauftragt worden, woraufhin am 22. 8. 2011 das Gehäuse des Antriebs von ihr ausgebaut und an eine Ersatzteilherstellerin in Deutschland versandt worden sei. Die Dauer der Ersatzteilherstellung sei von der Ersatzteilherstellerin mit ca sechs bis acht Wochen bekannt gegeben worden und es sei auch die Beklagte über die voraussichtliche Dauer informiert worden. Allfällige Verzögerungen bei der Durchführung der Reparatur seien von ihr nicht zu vertreten.

Die Beklagte wendete ein, die Klägerin habe zwischen der Auftragserteilung am 11. 5. 2011 bis Ende Juni 2011 keinerlei Aktivitäten gesetzt, die zur Reparatur des Getriebes erforderlichen Ersatzteile zu organisieren. Sie selbst habe zur Beschleunigung der Reparatur die Anfertigung der Ersatzteile bei einem Unternehmen in Auftrag gegeben und der Klägerin zur Reparatur des Getriebes übergeben. Die Klägerin sei aber nicht bereit gewesen, diese Ersatzteile zu verwenden, weil man dafür keine Garantie gewähren habe wollen. Erst nachdem sie auf jegliche Garantieansprüche verzichtet habe, um den Bagger ehestmöglich repariert zu erhalten, sei die Klägerin zur Verwendung dieser Ersatzteile bereit gewesen. Allerdings sei dann erst von der Klägerin bekannt gegeben worden, dass auch ein Getriebedeckel benötigt werde. Dies habe einen neuerlichen Zeitverlust bedeutet, sodass auch deshalb die Reparatur erst im November 2011 abgeschlossen worden sei. Sie habe einen Ersatzbagger angemietet. Bei ordnungsgemäßer Durchführung der Reparatur wäre diese spätestens einen Monat nach Auftragserteilung fertiggestellt gewesen. Der durch die vertragswidrige und nachlässige Bearbeitung von der Klägerin verursachte Schaden belaufe sich auf fünf Monatsmieten für den Ersatzbagger von je 4.363,20 EUR (brutto). Diesen entstandenen Schaden wende sie aufrechnungsweise als Gegenforderung ein.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung von 5.171,31 EUR zu Recht und die eingewendete Gegenforderung in dieser Höhe ebenfalls zu Recht bestehe, und wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin wäre verpflichtet gewesen, die Reparatur ohne unnötigen Aufschub in Angriff zu nehmen und in angemessener Zeit fertigzustellen. Sie habe durch die allein in ihrer Sphäre begründete und zumindest drei Monate über die angemessene Reparaturdauer hinausgehende tatsächliche Reparaturdauer der Beklagten einen Schaden durch vermehrte Mietkosten für den Ersatzbagger zumindest in der Höhe des Klagsbetrags schuldhaft verursacht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Rechtlich führte es aus, die Beklagte habe erwarten können, dass sich die Klägerin nach Auftragserteilung ein Bild von den benötigten Ersatzteilen mache und nicht nur intern im Lager nachfrage oder in ihrem Archiv nachsehe, ob es dort noch Ersatzteile gebe. Sie hätte auch außerhalb ihres Betriebs ‑ zeitgemäß im Internet ‑ nach einem möglichen Lieferanten suchen müssen. Dass sich die (offenbar gemeint:) Klägerin nicht innerhalb angemessener Zeit, wofür selbst in der Urlaubszeit acht Tage ausreichten, einen Überblick darüber verschafft habe, welche Ersatzteile sie benötige und in Ermangelung eines anderen Lieferanten nicht im Internet nach einem Lieferanten gesucht habe, sei ihr als Verschulden anzulasten. Selbst wenn man für die Zerlegungsarbeiten und Recherchen acht Tage zubillige, sei ihr ab der Auftragserteilung bis zur Anfrage an den Ersatzteillieferanten eine unnötige Verzögerung von 21 Tagen anzulasten. Ab dem Einlangen des Angebots des Ersatzteillieferanten bis zur Bestellung seien wiederum acht Tage vergangen, sodass bei großzügiger Annahme von drei Tagen für die Bestellung wiederum eine Verzögerung von fünf Tagen zu ihren Lasten gehe. Von der Anlieferung der Teile bis zum Ausbau des Endantriebs seien weitere 37 Tage vergangen. Wenn man auch für diese Arbeiten acht Tage zugestehe, treffe die (gemeint:) Klägerin immer noch ein Verschulden an der Verzögerung von 29 Tagen. Die Versendung der ausgebauten Teile wäre im Hinblick auf die ohnedies schon eingetretenen Verzögerungen sicher innerhalb eines Tages zumutbar gewesen, weshalb ihr von der dadurch eingetretenen weiteren Verzögerung von fünf Tagen jedenfalls vier Tage als Verschulden anzulasten sei. Durch diese Zeiträume sei bereits eine fast zweimonatige schuldhafte Verzögerung der Reparatur eingetreten, sodass die eingewendete Gegenforderung jedenfalls bis zur Höhe des Klagsbetrags zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht ließ nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO die Revision zu, weil zur Frage, ob die Durchführung eines Reparaturauftrags ohne unnötigen Aufschub in Angriff zu nehmen sei, wenn im Zeitpunkt der Auftragserteilung noch nicht feststehe, ob die Reparatur überhaupt durchgeführt werden könne, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

1. Die Klägerin releviert sowohl als Nichtigkeit im Sinn des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO als auch als wesentlichen Verfahrensmangel des Berufungsverfahrens, dass sich das Berufungsgericht mit dem „Berufungsgrund der unvollständigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung“ nicht auseinandergesetzt habe. Eine gesetzmäßige Beweisrüge (vgl nur RIS‑Justiz RS0041835 [T5]; Kodek in Rechberger 4 § 471 ZPO Rz 8) hat die Klägerin in der Berufung nicht ausgeführt. Damit liegt weder die behauptete Nichtigkeit noch eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vor.

Sekundäre Feststellungsmängel, die mit Rechtsrüge geltend zu machen sind (Kodek aaO § 496 Rz 4 mwN), zeigt die Klägerin nicht auf.

2. Schuldnerverzug im Sinn des § 918 ABGB wird unter anderem durch Leistungsverspätung (vgl P. Bydlinski in KBB4 § 918 ABGB Rz 4: „Kernbereich“) begründet. Für die Leistungszeit gilt beim Werkvertrag an sich § 904 ABGB (Rebhahn in Schwimann, ABGB³ § 1165 ABGB Rz 53; vgl Kletečka in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 1165, 1166 Rz 68; P. Bydlinksi aaO). Fälligkeit ist der Zeitpunkt, zu dem der Schuldner die Leistung bewirken und der Gläubiger sie annehmen soll; sie richtet sich primär nach der (ausdrücklichen oder konkludenten) Vereinbarung, wobei der Vertragszweck eine maßgebende Rolle spielt, und nach dem Gesetz, subsidiär nach der Natur der Leistung (2 Ob 31/07h mwN; Bollenberger in KBB4 § 904 ABGB Rz 1; Reischauer in Rummel³ § 904 ABGB Rz 2 ff; Binder/Kolmasch in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 904 Rz 1 f). Erst bei Versagen dieser Bestimmungsgründe ist „ohne unnötigen Aufschub“ zu leisten (1 Ob 122/00y mwN; Bollenberger aaO § 904 ABGB Rz 2; Reischauer aaO § 904 ABGB Rz 5; Binder/Kolmasch aaO § 904 Rz 2). Die Fälligkeit der Leistungsverpflichtung tritt dann erst mit der Aufforderung zur Erbringung der Leistung durch den Gläubiger ein (RIS‑Justiz RS0017614; Bollenberger aaO § 904 Rz 1; Reischauer aaO § 904 ABGB Rz 5). Das gilt nicht nur für die Zahlungsverpflichtung (RIS‑Justiz RS0017614 [T5]).

3. Die Parteien schlossen einen Werkvertrag über die Reparatur des Raupenbaggers. Sie trafen weder eine Vereinbarung über den Leistungszeitpunkt, noch kann dieser nach Gesetz oder Natur der Leistung bestimmt werden. Die Beklagte war im Zeitpunkt der Auftragserteilung in Kenntnis, dass die Ersatzteilbeschaffung schwierig sein könnte. Damit musste sie daher rechnen, jedoch konnte sie davon ausgehen, dass die Klägerin zielgerichtet den Reparaturauftrag durchführt. Obwohl der Geschäftsführer der Beklagten seit Auftragserteilung immer wieder die rasche Reparatur urgiert und damit die Klägerin gemahnt, dh zur Erbringung der Leistung aufgefordert hatte (1 Ob 122/00y), wobei ihr jedenfalls im Ergebnis auf Grundlage der Feststellungen die für die ordnungsgemäße Werkerstellung nötige Zeit (vgl Krejci in Rummel³ § 1166 ABGB Rz 90; Reischauer aaO § 904 ABGB Rz 5; Rebhahn aaO) zur Verfügung stand, erfüllte sie erst viel später. So gelang es einem Mitarbeiter der Klägerin erst nach einem knappen Monat eine Ersatzteillieferantin ausfindig zu machen. Tatsächlich hätte dieses Unternehmen durch einfache Suche im Internet leicht ausfindig gemacht werden können. Als Fachunternehmen, das seit sieben Jahren Service- und Reparaturarbeiten an diesem Baggertyp durchführt, musste sie diese zumutbare Maßnahme ergreifen. Wenn sie in der Revision die Fertigkeiten ihrer Mitarbeiter im Umgang mit dem Internet in Abrede stellt, zeigt sie damit nur ihr Organisationsverschulden auf. Der Klägerin sind aber nicht nur die Verzögerungen beim Auffinden des Ersatzteillieferanten als Verschulden anzulasten, sondern auch, dass sie nicht bereits zu Beginn eine vollständige Schadensfeststellung mit detaillierter Ersatzteilauflistung vornahm. Zu einer der Klägerin anzulastenden Verzögerung kam es auch zwischen dem Einlangen des Angebots des Ersatzteillieferanten am 14. 6. 2011 und der Bestellung der erforderlichen Ersatzteile durch die Beklagte am 22. 6. 2011, die die Besorgung selbst in die Hand nahm, nachdem die Klägerin diese bis dahin nicht bestellte. Nach Anlieferung der Teile zur Klägerin verging bis zum Ausbau des Endantriebs wiederum weit über ein Monat. Selbst nach dem Ausbau des Endantriebs dauerte es immerhin noch fünf Tage, bis dieser an den Ersatzteillieferanten geschickt wurde. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin insgesamt eine fast zweimonatige schuldhafte Verzögerung der Reparaturarbeiten zu verantworten hat, ist daher zutreffend.

4. Die Beklagte kann wegen des vorliegenden Schuldnerverzugs gemäß § 918 Abs 1 erster Fall ABGB neben der Erfüllung, wenn der Verzug dem Schuldner ‑ wie hier der Klägerin die Leistungsverspätung ‑ subjektiv vorwerfbar ist, den Ersatz jener Nachteile verlangen, die ihr durch die Verspätung der Leistung entstanden sind (6 Ob 604, 605/80 = RIS‑Justiz RS0018422; 1 Ob 729/80 = SZ 53/173 = JBl 1981, 537 [Koziol] mwN; 1 Ob 629/88 = SZ 61/199 ua; RS0018266; P. Bydlinski in KBB4 § 918 ABGB Rz 3 und 8). Die Beklagte wendet einen solchen Verspätungsschaden als Gegenforderung gegen die zu Recht bestehende Klagsforderung ein. Da infolge verschuldeter Verzögerung der Reparatur durch die Klägerin der Beklagten für knapp zwei Monate Mietkosten für einen Ersatzbagger angefallen sind, die die Klagsforderung übersteigen, haben die Vorinstanzen zutreffend das Klagebegehren abgewiesen.

5. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

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