OGH 1Ob729/80

OGH1Ob729/8017.12.1980

SZ 53/173

Normen

ABGB §878
ABGB §918
ABGB §920
ABGB §921
ABGB §1295
ABGB §1323
ABGB §878
ABGB §918
ABGB §920
ABGB §921
ABGB §1295
ABGB §1323

 

Spruch:

Bei einem synallagmatischen Vertrag kann ein durch vertragswidriges schuldhaftes Verhalten des Vertragspartners verursachter vergeblicher Aufwand, der zur Erreichung des Vertragszweckes wiederholt werden muß, als Verspätungsschaden begehrt werden

OGH 17. Dezember 1980, 1 Ob 729/80 (OLG Wien 11 R 72/80; LGZ Wien 19 Cg 116/79)

Text

Mit Leibrentenvertrag vom 16. Juni 1975 übertrug die Beklagte die ihr gehörige Liegenschaft EZ 546 KG A, Haus KNr. 585 in der B-Gasse Nr. 5 mit den Grundstücken 1913/3 Garten als Bauplatz und 1913/8 Baufläche, Haus zu gleichen Teilen an die Kläger. Laut Punkt 2 dieses Vertrages beabsichtigten die Kläger, das bestehende Haus abzutragen und an dessen Stelle ein neues Wohnhaus zu errichten, wozu die Beklagte ausdrücklich ihre Zustimmung erteilte und sich verpflichtete, allfällige hiefür erforderliche Erklärungen jederzeit abzugeben. Die Kläger verpflichteten sich, in diesem zu erbauenden Wohnhaus der Beklagten das ausschließliche lebenslängliche und unentgeltliche Wohnungsrecht an einer im ersten Stock gelegenen Wohnung, bestehend aus einem Zimmer im Ausmaß von 20 m2, einer Küche im Ausmaß von 15 m2 (diese Räume hatten annähernd quadratisch zu sein), einem Abstellraum, einem Bad, WC und Vorraum einzuräumen. Das Zimmer dieser Wohnung hatte einen Balkon aufzuweisen, welcher gartenseitig anzulegen war. Mit dem Wohnungsrecht hatte die Zuerkennung der zur Benützung dieser Räumlichkeiten notwendigerweise gehörigen Nebenrechte sowie freie Beheizung und Beleuchtung nach Wunsch und Anordnung der beklagten verbunden zu sein. Die Zustimmung zum Abbruch des Hauses gilt jedoch nur dann als erteilt, wenn die Kläger der Beklagten für die Dauer des Hausbaues unentgeltlich eine Ersatzwohnung im 10. Bezirk zur Verfügung stellten, welche ausstattungsmäßig zumindest dem Standard ihrer derzeitigen Wohnung entsprach und auch geeignet war, die Einrichtungsgegenstände der Beklagten aufzunehmen. Sämtliche Übersiedlungskosten in die Ersatzwohnung und zur endgültigen Wohnung hatten zu Lasten der Kläger zu gehen; zur Klarstellung wurde festgehalten, daß auch der Zins dieser Ersatzwohnung von den Klägern zu bezahlen war.

Die Abbruchgenehmigung für das Haus wurde den Klägern mit Bescheid vom 15. Dezember 1975 erteilt. Auf Drängen der Beklagten, die die Kläger aufforderte, möglichst rasch das Baumaterial zu kaufen, damit sie rasch bauen könnten, bestellten die Kläger am 6. Dezember 1975 Mauerziegel für das Erdgeschoß, wofür sie am 15. Dezember 1975 60 000 S anzahlten, und Betonschalsteine für das Kellergeschoß, wofür sie ebenfalls am 15. 12. 1975 40 000 S anzahlten. Das Material befindet sich noch immer bei den Lieferfirmen. Der Zweitkläger und seine Gattin mieteten mit Vertrag vom 18. März 1976 ab 1. April 1976 das Haus Wien 10, R-Gasse 6, gegen einen monatlichen wertgesicherten Mietzins von 3704 S. An Vertragserrichtungs-, Adaptierungs- und Nebenkosten der Ersatzwohnung wendeten die Kläger einen Betrag von 39 521 S auf. Obwohl die Ersatzwohnung der Bestimmung des § 2 des Leibrentenvertrages vom 16. Juni 1975 entsprach, ja sogar eine bessere Wohnqualität aufwies als das Haus in der B-Gasse, lehnte die Beklagte eine Übersiedlung auch nach Erteilung der Baubewilligung für das auf der Liegenschaft neu zu errichtende Haus, die mit Bescheid der MA 37 vom 3. März 1977 erteilt wurde, ab. Darauf kundigten der Zweitkläger und seine Gattin den Mietvertrag über die Ersatzwohnung mit 30. September 1977 auf. An Miete bezahlten sie einen Betrag von 57 841 S. Die Kläger begehrten den Zuspruch eines Betrages von 109 362 S. Die Beklagte habe sich zu Unrecht geweigert, in die Ersatzwohnung zu übersiedeln und halte diese Weigerung auch weiterhin aufrecht. Schon am 6. Dezember 1975 hätten die Kläger Baumaterialien um den Betrag von 102 676 S bestellt und nach Lieferung prompt bezahlt. Dazu hätten sie eigenes Geld verwendet, das sie jederzeit zu 4.5% verzinst anlegen hätten können. Daraus errechne sich ein Entgang von 12 000 S. Dazu kämen die Kosten für die Ersatzwohnung in der Höhe von 97 302 S. Es müsse den Klägern überlassen bleiben, ob sie die Beklagte auf Räumung klagen oder Schadenersatz fordern. Die Kläger würden aber der Anregung der Beklagten durchaus folgen und eine Räumungsklage gegen sie einbringen. Diese habe aber nichts mit dem Schaden zu tun, der den Klägern durch das vertragswidrige Verhalten der Beklagten schon bisher entstanden sei.

Die Beklagte wendete ein, daß sie vor Erteilung der Baubewilligung nicht verpflichtet gewesen sei, die Ersatzwohnung zu beziehen. Es stunde den Klägern frei, sie auf Räumung zu klagen. Infolge des Verhaltens der Kläger habe die Beklagte aber darauf bestanden, die Baudauer des Neubaues zu fixieren.

Das Erstgericht sprach einen Betrag von 103 687 S samt Anhang zu, das Mehrbegehren von 5765 S samt Anhang wies es unangefochten ab. Die Wohnung in der R-Gasse 6 habe die vereinbarten Bedingungen erfüllt. Da die Beklagte grundlos die Übersiedlung abgelehnt habe, sei sie verpflichtet, den Klägern die im Vertrauen auf den Vertrag aufgewendeten Kosten, deren Ziel die Beklagte zu Unrecht vereitelt habe, zu ersetzen. Zinsverlust gebühre den Klägern aber erst ab dem Tag der Baubewilligung (3. März 1977).

Über Berufung der Beklagten änderte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es auch das restliche Klagebegehren abwies. Es führte aus, daß dann, wenn die Erfüllung durch Verschulden des Verpflichteten oder einen von ihm zu vertretenden Zufall vereitelt werde, dem vertragstreuen Teil grundsätzlich das Wahlrecht zustehe, Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu fordern oder vom Vertrage zurückzutreten, letzteres allerdings nicht bei Nichterfüllung von Nebenverbindlichkeiten. Bei Nichterfüllung einer gültigen Verpflichtung sei stets das Erfüllungsinteresse zu ersetzen. Im vorliegenden Fall begehrten aber die Kläger Aufwendungen, die sie im Vertrauen auf den Bestand des Vertrages gemacht haben, nämlich die Kosten der Beschaffung, Miete und Instandsetzung einer Ersatzwohnung sowie den Zinsenentgang für das Kapital, das sie für die Beschaffung des bisher nicht verwendeten Baumaterials aufgewendet haben. Damit machten sie nicht das Erfüllungs-, sondern das Vertrauensinteresse geltend. Bei Nichterfüllung eines gültigen Vertrages könne vom Gläubiger aber nur das Interesse an der ausgebliebenen Leistung als Schadenersatz begehrt werden, nicht aber das, was er selbst im Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrages geleistet habe. Die Aufwendungen für Baumaterial, Beschaffung, Miete und Instandsetzung einer Ersatzwohnung hätten die Kläger auch bei Zuhaltung des Vertrages durch die Beklagte machen müssen. Das Begehren eines Ersatzes derartiger Aufwendungen sei nach den Regeln des Schadenersatzes nicht möglich, weil die in Erfüllung des Vertrages selbst erbrachte Leistung des Gläubigers kein durch die Vertragsverletzung des Schuldners verursachter Schaden sei. Als Schaden könne der Gläubiger nur ersetzt verlangen, was er durch das Ausbleiben der versprochenen Leistung eingebüßt habe. Wollten die Kläger aber nicht das Erfüllungsinteresse begehren, dann könnten sie Erfüllung, in diesem Fall Räumung und Schadenersatz wegen der Verspätung verlangen. Das vorliegende Begehren lasse sich aber nicht als solches auf Ersatz des Verzögerungsschadens auffassen. Die Kläger hätten bereits Baumaterial für einen Neubau angeschafft, ohne bisher den Abbruch des alten Hauses in die Wege zu leiten. Sie hätten nicht schlüssig begrundet, daß der Ankauf dieses Materials zu einem Zeitpunkt erforderlich gewesen sei, in welchem die Beklagte das Haus noch nicht geräumt hätte und mit dem Abbruch noch gar nicht begonnen worden sei. Nach der Lebenserfahrung sei davon auszugehen, daß es ausgereicht hätte, frühestens bei tatsächlichem Beginn der Abbrucharbeiten das Material für den Neubau zu bestellen. Daß besondere Umstände eine frühere Bestellung erfordert hätten, hätten die Kläger behaupten und beweisen müssen. Da dies nicht geschehen sei, könne ein Kausalzusammenhang zwischen der Weigerung der Beklagten, das Haus zu räumen, und dem Zinsenverlust, welcher dadurch eingetreten sei, daß die Kläger bereits am 15. Dezember 1975 Kapital zur Beschaffung des Baumaterials aufgewendet hätten, nicht erkannt werden. Aufwendungen für die Ersatzwohnung könnten nur insoweit als Verzögerungsschaden begehrt werden, als sie nicht aufgelaufen wären, wenn die Beklagte das Haus rechtzeitig geräumt hätte. Was die laufenden Kosten an Miete, Wasser und Energiebezug betreffe, könne davon nur jener Teil begehrt werden, welcher bei rechtzeitiger Räumung der Wohnung durch die Beklagte nicht aufgelaufen wäre. Dafür fehle es aber an schlüssigen Behauptungen, zumal sicherlich gerade die Aufwendungen während des in der Klage geltend gemachten Zeitraumes von den Klägern auf jeden Fall hätten gemacht werden müssen.

Über Revision der Kläger änderte der Oberste Gerichtshof die Urteile der Vorinstanzen dahin ab, daß die Beklagte zur Bezahlung des Betrages von 97 362 S samt Anhang verurteilt und nur ein Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 12 000 S samt Anhang abgewiesen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Was die Aufwendungen für Miete, Vertragserrichtungs- und Adaptierungskosten in der Höhe von 97 362 S betrifft, so handelt es sich dabei um Aufwendungen der Kläger aus einem entgeltlichen Vertrag, die durch die schuldhafte Nichterfüllung der der Beklagten obliegenden Verpflichtungen (Räumung des Hauses) nutzlos geworden sind.

Die primäre Funktion des gesamten Schadenersatzrechtes liegt in der Verwirklichung des Ausgleichsgedankens (SZ 50/26; 1 Ob 636/80 u. a.; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht[2] I, 3). Der Schaden ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln: Es ist zunächst der hypothetische heutige Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis zu ermitteln und von diesem Betrag der heutige tatsächliche Vermögensstand abzuziehen (SZ 50/50; EvBl. 1977/140; 8 Ob 510/80; 1 Ob 636/80 u.a.; Koziol, a.a.O., 13 f.; 33 f.; Alff in RGRK-BGB[12], Vorbemerkung 2 zu §§ 249 bis 253). Diese Differenz deckt sich betragsmäßig mit dem Interesse des Geschädigten an der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes. Bei Schadenersatzpflichten, die mit der Nichteinhaltung einer vertraglichen Leistungspflicht oder der fehlgeschlagenen Begründung einer solchen zusammenhängen, wird zwischen Nichterfüllungsschaden (positivem Interesse) und Vertrauensschaden (negativem Interesse) unterschieden. Wer wegen Nichterfüllung einer gültig begrundeten Leistungsverpflichtung Ersatz zu leisten hat, muß den Zustand herstellen, der im Vermögen des Gläubigers bei gehöriger Erfüllung bestunde (Nichterfüllungsschaden; Erfüllungsinteresse). Er hat also den Wert der geschuldeten Sache und allenfalls entgangenen Gewinn zu ersetzen. Wer hingegen einen anderen dafür zu entschädigen hat, daß dieser auf die Gültigkeit einer abgegebenen Erklärung und auf das Zustandekommen eines Vertrages vertraute, obwohl die Erklärung ungültig war und der Vertrag nicht zustande kam, hat den Vertrauenden so zu stellen, wie er stunde, wenn er mit der Gültigkeit der Verpflichtung nicht gerechnet hätte (EvBl. 1977/228 u. a.; Koziol - Welser[5] I 347 f.; Welser, Vertretung ohne Vollmacht, 127, 130; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I[12], 357). Macht der Geschädigte das Vertrauensinteresse geltend, so unterliegt es keinem Zweifel, daß der daran Schuldtragende frustrierte Aufwendungen zu ersetzen hat. Das Vertrauensinteresse kann aber nur begehrt werden, wenn der Geschädigte von der Ungültigkeit des Vertrages ausgeht. Die Kläger behaupten aber Gültigkeit des Vertrages. In diesem Fall hat der vertragstreue Vertragspartner zwei Möglichkeiten: Er kann entweder Erfüllung und Schadenersatz wegen der Verspätung begehren oder unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Nachholung den Rücktritt vom Vertrag erklären (§ 918 Abs. 1 ABGB). In letzterem Fall ist das bereits empfangene Entgelt auf eine solche Art zurückzustellen oder zu vergüten, daß kein Teil aus dem Schaden des anderen Gewinn zieht; darüber hinaus besteht Anspruch auf Ersatz des durch verschuldete Nichterfüllung verursachten Schadens (§ 921 ABGB). Nichts anderes gilt, wenn der Rücktrittsberechtigte zwar nicht zurücktritt, aber die Leistung des Vertragspartners ganz oder teilweise vereitelt wurde (§ 920 ABGB).

Die Kläger traten nicht vom Vertrag mit der Beklagten zurück, sondern bestehen weiterhin auf Erfüllung, kundigten sie doch an, sie würden der Anregung der Beklagten folgen und eine Räumungsklage einbringen. Die Erfüllung des Vertrages durch die Beklagte ist auch nicht unmöglich geworden und demnach auch nicht als vereitelt anzusehen. Daß auch dann, wenn der Gläubiger weiter auf Erfüllung des nicht auf die bedungene Weise erfüllten Vertrages besteht, Schadenersatz begehrt werden kann, ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 918 Abs. 1 ABGB. Er kann den sogenannten Verspätungsschaden begehren, das heißt den Ersatz jener Nachteile, die ihm durch die Verspätung der Leistung entstanden sind (Koziol - Welser[5] I, 202; vgl. Gschnitzer, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 70; Wahle in Klang[2] IV/2, 62; Bydlinksi in Klang[2] IV/2, 347). Eine nähere Regelung des Verspätungsschadens enthält das Gesetz nicht, da § 920 ABGB zwar nicht den Rücktritt vom Vertrag, aber doch die (gänzliche oder teilweise) Vereitelung der Erfüllung voraussetzt, also nur den Fall der endgültigen Nichterfüllung eines entgeltlichen Vertrages oder eines Teiles eines solchen Vertrages betrifft (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 483 f.). In diesem Fall besteht der objektiv zu berechnende positive Schaden im gemeinen Wert der vereitelten Leistung (Koziol a.a.O., 35).

Zum Erfüllungsinteresse wird (von Koziol a.a.O., 35 f.) die Auffassung vertreten, daß der Gläubiger nicht den Ersatz jener Aufwendungen begehren kann, die durch den Ausfall der erwarteten Leistung sinnlos wurden. Hiebei wird davon ausgegangen, daß der Gläubiger diese Aufwendungen auch bei Erfüllung des Vertrages getätigt hätte, sodaß sie keineswegs erst durch die Nichterfüllung verursacht wurden. Der Ersatz solcher frustrierter Aufwendungen würde nach dieser Meinung dazu führen, daß der Gläubiger das Risiko eines schlechten Geschäftes auf den Schuldner überwälzen könnte. Wäre, so wird als Beispiel angeführt, etwa der Einsatz einer gekauften, aber nicht gelieferten Maschine verlustbringend gewesen, so könne der Käufer nicht am Vertrag festhalten und die Kosten für die nun nutzlosen Fundamente und sonstigen Installationsarbeiten als Nichterfüllungsschaden begehren; diese Aufwendungen hätte er auch bei Erfüllung tragen müssen; er hätte die Kosten wegen seiner Fehldisposition auch nicht durch den Einsatz der Maschine erwirtschaftet. Es wird jedoch anerkannt, daß die vom Gläubiger zu tätigenden - und wohl auch die schon getätigten - Aufwendungen unter Umständen Anhaltspunkte für die Berechnung des Erfüllungsinteresses bieten können, wenn es sich um einen wirtschaftlich sinnvollen Vertrag handelt.

Die dargestellten Gedankengänge knüpfen an die bei etwa gleicher Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland herrschende Lehre und Rechtsprechung an, die ebenfalls dahin gehen, daß Aufwendungen, deren Zweck nachträglich vereitelt wurde, grundsätzlich keinen Vermögensschaden darstellen könnten (BGH BGHZ 71, 234, 237 und die dort zitierte Lehre und weitere Rechtsprechung). Keuk (Vermögensschaden und Interesse, 157 ff.) vertritt die Auffassung, das Interesse an dem vertragsgemäßen Verhalten des Schuldners sei allein positiv auf die Erbringung der Leistung gerichtet und werde dadurch befriedigt, daß dem Gläubiger die Vermögensvorteile vergütet werden, welche für ihn von der Leistung abhängig seien. Mit der Forderung des Ersatzes für andere im Hinblick auf die Vertragserfüllung erfolgte Aufwendungen begehre der Gläubiger nicht die Herbeiführung des Zustandes, wie er bei vertragsgemäßem Verhalten des Schuldners bestunde, sondern die Herstellung eines Zustandes, wie er bestunde, wenn der Vertrag nicht abgeschlossen worden wäre; er begehre damit nicht das Erfüllungsinteresse, sondern das negative Vertragsinteresse. Der Gläubiger müsse sich aber entscheiden, in welcher Richtung er sein Interesse geltend machen wolle, ob er bei dem Vertrag stehenbleiben, das Interesse an dem vertragsgemäßen Verhalten des Schuldners, das Erfüllungsinteresse, verfolgen oder ob er sich, weil der eigentliche Vertragszweck nicht mehr erreichbar sei, von dem Vertrage abwenden und das Interesse daran fordern wolle, daß für ihn von dem Vertrage mit dem Schuldner nie die Rede gewesen sei. Verlange er das Erfüllungsinteresse, so könne er nicht gleichzeitig das negative Vertragsinteresse, die Herbeiführung des Zustandes, die vor dem Vertragsabschluß bestanden habe, begehren.

Auch in der Rechtsprechung des Reichsgerichtes und ihr folgend des Bundesgerichtshofes wurde hervorgehoben, daß die Schwierigkeit in der Anerkennung der Ersatzfähigkeit nutzlos gewordener ("frustrierter") Aufwendungen beim Ersatz des sogenannten positiven Interesses (Erfüllungsinteresses) aus dem Blickwinkel der Differenzhypothese im Kausalitätsgesichtspunkt begrundet sei, weil die vertragsbezogenen, später frustrierten Aufwendungen des Gläubigers auch bei vertragstreuem Verhalten des Schuldners entstanden wären. Es wurde auch erkannt, daß das Problem sich sowohl bei vertraglichen Ansprüchen auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung als auch bei Ansprüchen wegen verspäteter Erfüllung (Schuldnerverzug) stelle. Dennoch wurde insbesondere seit der Entscheidung RGZ 127, 245 in ständiger Rechtsprechung der Standpunkt vertreten, daß der vertragstreue Partner auch die mit dem Vertragsschluß verbundenen nutzlos gewordenen Auslagen als Mindestschaden berechnen dürfe. Dabei wurde vor allem auf den synallagmatischen Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung abgestellt und ausgeführt, daß sich die beiderseitigen Leistungen nach dem Parteiwillen als gleichwertig gegenüberstunden; die Erstreckung der Ersatzpflicht auf alle anderen Aufwendungen zur Erlangung der Gegenleistung (z.B. Beurkundungskosten) wurde mit der Erwägung begrundet, daß der Gläubiger sie durch den Vorteil der erwarteten Gegenleistung wieder eingebracht hätte. Gegen diese "Rentabilitätsvermutung" wurde dem Schuldner nur der Beweis dafür eröffnet, daß sich der Vertrag bei ordnungsgemäßer Durchführung für den Gläubiger als Verlustgeschäft erwiesen hätte (s. die Darstellung der Judikatur in BGHZ 71, 234, 238, 239; vgl. auch Rabel, Das Recht des Warenkaufes I, 427 f; Huber, Haftung des Verkäufers wegen positiver Vertragsverletzung, AcP 177, 281 ff., insbesondere 300; Tölk, Der Frustrierungsgedanke und die Kommerzialisierung immaterieller Schäden, 88; Heinrichs in Palandt[39], 228, der nur darauf hinweist, daß besondere Aufwendungen für einen bestimmten einmaligen Zweck endgültig fehlgeschlagen sein müssen). Der Bundesgerichtshof wies darauf hin, daß auf der Grundlage vermuteter hypothetischer Rentabilität der frustrierten Aufwendungen sich der Frustrationsgedanke auch im bislang anerkannten Bereich des Schadenersatzes wegen Nichterfüllung als schlichter Anwendungsfall der Differenzhypothese erweise. Die Vermutung, daß die - vermögensmindernden - Aufwendungen durch eine entsprechende (hypothetische) Vermögensmehrung ausgeglichen worden wäre, begrunde lediglich eine Darlegungs- und Beweiserleichterung, führe aber nicht zu einer Erweiterung des Schadensbegriffes im Sinne der Differenzhypothese. Für die Zuerkennung frustrierter Aufwendungen als Verzugsschäden erachtete der Bundesgerichtshof die gleiche Rechtsauffassung gerechtfertigt, da die Rentabilitätsvermutung sich ohne weiteres auch auf die (hypothetische) Vermögenslage erstrecken lasse, die sich bei termingerechter Leistung des Schuldners ergeben hätte.

Am umfassendsten wurde das im vorliegenden Rechtsfall zu lösende Problem bisher von Stoll, Die bei Nichterfüllung nutzlosen Aufwendungen des Gläubigers als Maßstab der Interessenbewertung (FS für Konrad Duden, 641 ff.), behandelt. Nach Untersuchung der deutschen, amerikanischen und englischen Rechtsprechung kommt er zum Ergebnis, diese ließe sich auf den Grundsatz zurückführen, daß der Schuldner es regelmäßig hinnehmen müsse, wenn der Gläubiger sein Interesse an der Leistung nach dem zur Interessenverwirklichung nötigen Aufwand bewertet. Diese Form der Interessenbewertung sei für einen Gläubiger besonders dann wichtig, wenn sein Erfüllungsinteresse nicht meßbare oder schwer beweisbare Vorteile umfasse. Gerechtfertigt sei jener Bewertungsmaßstab immer dann, wenn der Schuldner sich ihm unterworfen habe, weil er beim Vertragsabschluß erkannte oder erkennen mußte, daß der Gläubiger sich die Leistung den Aufwand kosten lasse. Dem Schuldner stehe nur für den Fall, daß der Gläubiger erkennbar kommerzielle Interessen verfolge, der Nachweis zu, den Gläubiger auf den objektiven Wert der Leistung zuzüglich eines etwaigen Gewinnes zu verweisen, wenn diese Summe geringer sei als der Betrag der vergeblichen Aufwendung. Verfolge hingegen der Gläubiger ein immaterielles Interesse, so werde der Schuldner stets hinzunehmen haben, daß der Gläubiger den durch Vereitelung dieses Interesses entstehenden Schaden mindestens in der Höhe seiner vergeblichen Aufwendungen berechne. Für den Fall, daß der Schuldner nicht fristgerecht aus einem von ihm zu vertretenden Grund leistet, der Vertrag aber in Zukunft dennoch durchgeführt werden soll und deshalb die Aufwendungen wiederholt werden müßten, tritt Stoll (a.a.O., 652) der (von Planck - Siber, Kommentar zum BGB II/I, Anm. 2 a zu § 286 BGB vertretenen) Ansicht bei, daß der Gläubiger die Aufwendung als Verspätungsschaden geltend machen könne, da sie durch den Verzug zwecklos geworden und deshalb durch ihn entstanden seien.

Vor allem letzterer Gesichtspunkt erscheint dem erkennenden Senat für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites, soweit er den Anspruch der Kläger auf Ersatz von Aufwendungen für die der Beklagten zur Verfügung gestellte Ausweichwohnung betrifft, ausschlaggebend. Die Kläger verfolgten mit dem Abschluß des Vertrages mit der Beklagten einen auch für diese klar erkennbaren wirtschaftlichen und damit vermögenswerten Zweck: Sie wollten nicht ein abbruchreifes Althaus, sondern einen durch Abbruch des Althauses zu gewinnenden Bauplatz erlangen, um auf diesem einen auch ihren Interessen dienenden Neubau zu errichten; um den zu Erlangung des Bauplatzes notwendigen Abbruch des Althauses möglichst rasch durchführen zu können, war die Beklagte verpflichtet, für die Dauer der Abbrucharbeiten und der Errichtung des Neubaues eine von den Klägern beschaffte und bezahlte, gewissen Voraussetzungen entsprechende Ersatzwohnung zu beziehen. Es handelt sich bei den Vereinbarungen zwischen den Streitteilen insoweit um einen synallagmatischen Vertrag, als die Beistellung der Ersatzwohnung (nach ihrer vorherigen Beschaffung) durch die Kläger und die Freimachung des Abbruchhauses gleichzeitig zu erfolgen hatten; die Beklagte hatte das Haus nur Zug um Zug gegen Beistellung der dem Vertrag entsprechenden Ersatzwohnung zu räumen. Diese beiderseitigen Leistungen standen sich nach dem Parteiwillen gleichwertig gegenüber. Die Kläger übernahmen die Verpflichtung zur Beschaffung der Ersatzwohnung und machten auch die Aufwendungen hiefür nur unter der Voraussetzung, daß sie durch die vertragsmäßig erfolgende Gegenleistung der Beklagten wertmäßig hereingebracht würden. Die Erreichung dieses wirtschaftlichen Zweckes vereitelte die Beklagte dadurch, daß sie sich weigerte, die von den Klägern beschaffte, den vertraglichen Voraussetzungen entsprechende Ersatzwohnung zu beziehen, sodaß die Kläger den Zins für die Ersatzwohnung bezahlen mußten, ohne damit den ihnen zustehenden Vorteil erreicht zu haben. Damit wurde den Klägern das vermögensmäßige Äquivalent für ihre Leistung durch schuldhaftes Verhalten der Beklagten vorenthalten. Da sie trotzdem weiterhin auf Zuhaltung des Vertrages durch die Beklagten bestehen, müssen sie, wenn sie die Beklagte auf Räumung klagen, wieder eine den vertraglichen Bedingungen entsprechende Ersatzwohnung für die Beklagte beschaffen und für sie bereithalten, weil sie nach wie vor zur vereinbarten Zug-um-Zug-Leistung verpflichtet sind. Die ihr Vermögen mindernden Aufwendungen der Kläger wurden durch Verschulden der Beklagten nicht durch die von ihnen erwartete entsprechende Verbesserung ihrer Vermögenslage bzw. günstigere Anlage ihres Vermögens durch möglichst rasche und damit u. a. auch die Nachteile der ständig stark steigenden Baukosten vermeidende Aufführung des Neubaues ausgeglichen. Die Herbeiführung des Zweckes des für die Kläger sinnvollen Vertrages wurde durch die Beklagte vereitelt. Durch den Verzug der Beklagten mit ihrer Gegenleistungsverpflichtung wurden die bereits gemachten und zu wiederholenden Aufwendungen der Kläger sinnlos und wirkten damit, da ihren Aufwendungen keine gleichwertige vermögenswerte Gegenleistung gegenüberstand, vermögensmindernd. Der Schaden der Kläger als Folge des vertragswidrigen Verhaltens der Beklagten ist mindestens in der Höhe der vergeblichen Aufwendungen für die von der Beklagten vertragswidrig nicht bezogene Ersatzwohnung bereits entstanden. Gewiß hätten sie diesen Aufwand auch tätigen müssen, wenn die Beklagte sich vertragstreu verhalten hätte; in diesem Falle wäre ihnen aber gleichzeitig die für sie gleichwertige Gegenleistung der Beklagten zugute gekommen; und sie hätten sich die (nach allen Erfahrungen wahrscheinlich auch) teurer kommende nochmalige Beschaffung einer Ersatzwohnung erspart. Die nach der Differenzmethode für eine Schadenersatzforderung vorausgesetzte, für die Kläger nachteilige Veränderung ihres Vermögensstandes ist durch das vertragswidrige Verhalten der Beklagten bereits eingetreten. Es wäre daher nicht einzusehen, rechtlich davon ausgehen zu müssen, daß den Klägern nicht bereits derzeit, sondern erst anläßlich der notwendigen Wiederholung des Aufwandes für eine Ersatzwohnung ein Schaden entstehe. Ihnen ist vielmehr der von ihnen behauptete Vermögensschaden, soweit er den Aufwand für die Ersatzwohnung betrifft, bereits entstanden und daher von der Beklagten zu ersetzen.

Die Beklagte trat einen Beweis in der Richtung, daß die nutzlos gewordenen Aufwendungen nicht zumindest dem Erfüllungsinteresse der Kläger entsprachen, nicht an. Auch ihr Einwand, sie wäre erst bei Rechtskraft der Baubewilligung verpflichtet gewesen, das Haus zu räumen, versagt: Daß ihre Räumungsverpflichtung von der Rechtskraft der Baubewilligung abhängig gewesen wäre, wurde nicht festgestellt; der Abbruch des Althauses, der dessen Räumung durch die Beklagte voraussetze, war aber schon nach Erteilung der Abbruchgenehmigung rechtlich möglich. Der Anspruch der Kläger auf Ersatz der nutzlos gemachten Aufwendungen besteht daher zu Recht.

Anders ist die Rechtslage beim Entgang bankmäßiger Zinsen für das zur Bestellung (Anschaffung) von Baumaterial notwendige Kapital. Hier mangelt es dem Begehren der Kläger schon an der erforderlichen Schlüssigkeit. Wie schon dargelegt wurde, ist der Schaden grundsätzlich im Wege einer Differenzrechnung zu ermitteln. Die Kläger behaupteten zwar, daß durch die Verzögerung der Erfüllung ihr Vermögen durch Zinsentgang des für Baumaterial aufgewendeten Kapitals geringer sei, es fehlt jedoch die komplementäre Behauptung, daß die Preise der Baumaterialien während der Dauer des Verzuges der Beklagten nicht ebenso gestiegen wären oder der Preisanstieg zumindest nicht die Höhe des Zinsentganges erreicht hätte. In ihrer Revision gehen die Kläger auch selbst davon aus, daß sie, würden sie erst unmittelbar vor Baubeginn kaufen, bedeutend mehr Geldmittel für den Ankauf der Baumaterialien aufwenden müßten. Es ist daher durchaus denkbar, daß die Kläger auch bei Wissen des Verhaltens der Beklagten die Baumaterialien zum selben Zeitpunkt gekauft hätten.

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