European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00165.14T.0918.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Nachdem er zum gesamten Nachlass die bedingte Erbantrittserklärung abgegeben hatte, wurde die Verlassenschaft dem Bruder des Verstorbenen mit Beschluss vom 10. 11. 2010 zur Gänze eingeantwortet.
Der Antragsteller begehrte mit seiner Eingabe vom 21. 3. 2014 die Übermittlung einer Abschrift des Verlassenschaftsakts, insbesondere des Inventars und aller Unterlagen, die die Gläubigerkonvokation betreffen, oder die Übersendung des Akts an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien oder an das Bezirksgericht Josefstadt, um Akteneinsicht zu nehmen. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, er habe gemeinsam mit dem Verstorbenen eine Haftungserklärung für einen Bankkredit unterfertigt, aufgrund der, sollte die Haftung nicht dem Konsumentenschutzgesetz unterliegen, was strittig sei, eine Solidarforderung von etwa 2 Mio EUR zu begleichen sei. Über diese Frage sei bereits zum Zeitpunkt der Einantwortung ein Gerichtsverfahren anhängig gewesen. Es bestünden Zweifel an der Bewertung des Nachlasses. Auch stelle sich die Frage, ob in Kenntnis einer schwebenden Verbindlichkeit eine Gläubigerkonvokation stattfinden habe dürfen.
Der Erbe sprach sich gegen die begehrte Akteneinsicht aus.
Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss des Erstgerichts, mit dem dieses den Antrag abgewiesen hatte, weil der Antragsteller kein rechtliches Interesse an der begehrten Akteneinsicht geltend mache.
Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers, der keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG geltend macht.
Rechtliche Beurteilung
1. Die vom Revisionsrekurswerber behaupteten Mängel der Rekursentscheidung wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG).
2. Fehlt ‑ wie hier ‑ die Zustimmung der Partei zur Akteneinsicht durch einen Dritten, muss der Einsichtswerber ein rechtliches Interesse glaubhaft machen (§ 219 Abs 2 ZPO iVm § 22 AußStrG). Ob ein rechtliches Interesse vorliegt, hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab, weswegen der Frage, wem im Verlassenschaftsverfahren konkret Akteneinsicht zu gewähren ist, regelmäßig auch keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS‑Justiz RS0027923).
3. Das rechtliche Interesse an der Akteneinsicht muss nach der Judikatur konkret vorliegen. Das heißt, die Einsichtnahme muss sich auf die privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Verhältnisse des antragstellenden Dritten günstig auswirken, sei es auch nur dadurch, dass er in die Lage versetzt wird, die Beweislage für sich günstiger zu gestalten (RIS‑Justiz RS0037263). Ein bloß wirtschaftliches Interesse oder Interesse an der Information reicht nicht aus (RIS‑Justiz RS0079198).
4.1 Der Antragsteller leitet sein rechtliches Interesse daraus ab, dass er mit dem Verstorbenen eine Solidarverpflichtung eingegangen sei, und bezweifelt Vorgänge im Zusammenhang mit der Gläubigereinberufung, die hier von Amts wegen (§ 165 Abs 2 AußStrG) vorzunehmen war. Dabei erkennt er selbst, dass der (erstmals im Revisionsrekurs behauptete) zwischen der Verlassenschaft und der Gläubigerbank abgeschlossene Vergleich auf einen möglichen Regressanspruch eines Mitschuldners keine Auswirkung hat (vgl Gamerith in Rummel, ABGB³ § 896 Rz 8 mwN).
4.2 Voraussetzung für einen Rückgriffsanspruch des Solidarschuldners ist die Zahlung auf die gesamtschuldnerische Verpflichtung hin, und zwar zumindest in einer Höhe, die über dem internen Anteil des Zahlenden liegt. Das bloße Feststehen der Gesamtschuld oder die Erwartung baldiger Inanspruchnahme reicht nicht aus (3 Ob 35/07d; P. Bydlinski in KBB4 § 896 ABGB Rz 1 mwN). Dass er eine solche Zahlung bislang geleistet hätte und daher einen Regressanspruch geltend machen könnte, behauptet der Antragsteller gar nicht. Steht demnach noch nicht einmal seine Stellung als (Regress‑)Gläubiger fest, begründet die Ansicht der Vorinstanzen, die ein rechtliches Interesse des Antragstellers schon deshalb verneinten, weil die Haftung für die gemeinsame Schuld wegen des noch nicht beendeten Rechtsstreits noch gar nicht feststehe, auch keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung.
4.3 Darüber hinaus gilt: Bei Einantwortung aufgrund einer bedingten Erbantrittserklärung hat der Erbe ‑ ebenso wie der Vertreter des Nachlasses zuvor ‑ dafür zu sorgen, dass die Befriedigung der Gläubiger nach der gesetzlichen Ordnung vor sich geht und kein Gläubiger unrechtmäßig begünstigt wird. Auch nach der Einantwortung bleibt der Erbe daher verpflichtet, die Gläubiger quotenmäßig zu befriedigen (RIS‑Justiz RS0015478 [T1], RS0013015 [T1, T3]). Dabei ist es nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht Sache des Gläubigers, zu behaupten und nachzuweisen, dass der Nachlass zur Befriedigung seiner Forderung ausreicht, sondern der Erbe, der eine bedingte Erbantrittserklärung abgegeben hat, muss die Unzulänglichkeit des Nachlasses einwenden und beweisen (RIS‑Justiz RS0013013; Sailer in KBB4 § 802 Rz 5 mwN). Auch diese Verteilung der Behauptungs‑ und Beweislast macht deutlich, dass die vom Antragsteller begehrte Akteneinsicht zur Verbesserung der Beweislage nicht erforderlich ist. Informationen, die allenfalls der Beurteilung der Erfolgsaussichten eines möglichen Regressprozesses dienlich sein können, berühren aber ausschließlich wirtschaftliche Interessen.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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