OGH 7Ob144/14y

OGH7Ob144/14y17.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Blaschitz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Paar & Zwanzger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. Mai 2014, GZ 1 R 271/14p‑13, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00144.14Y.0917.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 556,99 EUR (darin enthalten 92,83 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht begründete die Zulassung der ordentlichen Revision damit, dass es zu den Bestimmungen der ARB 2003 keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe.

Die Beklagte führt zur Revisionszulässigkeit aus, dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof zu den einschlägigen Bestimmungen der ARB 2003 (Art 8.1.1., Art 9.2.3. und Art 21.4.) und auch zur Frage fehle, ob die in den Rechtsschutzbedingungen als Voraussetzung für die Leistungsfreiheit wegen Verletzung der „Alkoholklausel“ vorgesehene Feststellung der Alkoholisierung im Spruch oder in der Begründung einer im Zusammenhang mit dem Versicherungsfall ergangenen rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde auch im Deckungsprozess erfolgen könne.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Oberste Gerichtshof ist zur Entscheidung über Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht „jedenfalls“, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind (RIS-Justiz RS0121516). Die Auslegung von Versicherungsbedingungen ist nur dann revisibel, wenn deren Wortlaut nicht so eindeutig ist, sodass Auslegungszweifel verbleiben können (RIS-Justiz RS0121516).

Davon abgesehen kann die Auslegung von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmter Geschäftsbranchen, welche regelmäßig für eine größere Anzahl von Kunden und damit Verbrauchern bestimmt und von Bedeutung sind, nach ständiger Rechtsprechung jedenfalls nur dann eine erhebliche Rechtsfrage darstellen, wenn solche Klauseln bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht zu beurteilen waren (RIS-Justiz RS0121516).

Dem Rechtsschutzversicherungsvertrag zwischen den Parteien liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2003) und die Ergänzenden Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ERB 2005) zu Grunde.

Mit der Auslegung des Art 19.4. ARB 1994, der mit dem hier zu beurteilenden Art 21.4. ARB 2003 wortident ist, hat sich der Oberste Gerichtshof bereits zu 7 Ob 255/08p auseinandergesetzt und ausgeführt, dass daraus eine generelle Obliegenheit des Versicherungsnehmers, eine wie immer geartete Alkoholbeeinträchtigung jederzeit zu vermeiden, nicht entnehmen lässt. Die Auslegung von Art 21.4. ARB 2003 folgt dieser Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0124401).

Zur Frage der Anzeigepflicht gemäß Art 8.1.1. ARB 2003 hat der Oberste Gerichtshof bereits in 7 Ob 6/97a und 7 Ob 41/04m Stellung genommen. Diesen Entscheidungen lagen zwar andere Fassungen der ARB zu Grunde, die aber jeweils mit Art 8.1.1. ARB 2003 wortidente Klauseln enthielten.

Der Oberste Gerichtshof ist auch schon auf die in Art 9.2.3. ARB 2003 vereinbarte Klausel in der Entscheidung 7 Ob 17/12v eingegangen. Darin wurde die nach Ansicht der Beklagten erhebliche Rechtsfrage, ob die für eine Leistungsfreiheit wegen Verletzung der „Alkoholklausel“ erforderliche Feststellung (des diesbezüglichen Umstands im Spruch oder in der Begründung einer im Zusammenhang mit dem Versicherungsfall ergangenen rechtskräftigen Entscheidung eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde) auch im Deckungsprozess erfolgen kann, unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung (im Ergebnis, also inhaltlich) wie folgt beantwortet:

Feststellungen im Deckungsprozess über Tatfragen, die Gegenstand des Haftpflichtprozesses (des zu deckenden Prozesses) sind, sind für den Haftpflichtprozess nicht bindend, daher überflüssig und, soweit sie getroffen werden, für die Frage der Deckungspflicht unbeachtlich. Eine Vorwegnahme der Beweiswürdigung und des Ergebnisses des Haftpflichtprozesses kommt im Deckungsprozess bei Beurteilung der Erfolgsaussichten nicht in Betracht (RIS‑Justiz RS0081927). Wäre eine Feststellung der Alkoholisierung auch in der Entscheidung des Deckungsprozesses ausreichend, dann wäre der Ausgang des Deckungsprozesses vom Inhalt eines Urteils abhängig, das erst im zu deckenden Prozess gefällt wird.

Es werden keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Der Kläger wies auf die Unzulässigkeit der Revision hin.

Stichworte