OGH 14Ns41/14m

OGH14Ns41/14m28.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in der Strafsache gegen Jan M***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 dritter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 35 Hv 61/14s des Landesgerichts St. Pölten, über Vorlage durch das Oberlandesgericht Wien, AZ 32 Bs 171/14b, gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 60 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo. 2005) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0140NS00041.14M.0828.000

 

Spruch:

Die Sache wird dem Oberlandesgericht Wien zur Zuweisung an das zuständige Gericht übermittelt.

Text

Gründe:

Mit der im Verfahren AZ 35 Hv 61/14s des Landesgerichts St. Pölten vorliegenden Anklageschrift (25 St 28/14m) legt die Staatsanwaltschaft St. Pölten Jan M***** als Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 und Abs 3 zweiter Fall SMG (I), nach § 28a Abs 1 zweiter Fall und Abs 4 Z 3 SMG, § 12 dritter Fall StGB (II) sowie nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 3 und Abs 3 „erster“ Fall SMG, § 15 StGB (III) beurteilte Taten zur Last.

Danach soll er jeweils vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich (unter anderem) Methamphetamin enthaltendes Crystal Meth, in näher bezeichneten Reinsubstanzmengen in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge von Tschechien nach Österreich eingeführt (II/1) und zur solchen Einfuhr durch zwei andere Personen beigetragen (II/2/a und b), sowie ‑ jeweils nach § 28a Abs 3 SMG privilegiert ‑ in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge in S***** und an einem noch festzustellenden Ort anderen überlassen (I/1 bis 4) und in S***** in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge erzeugt sowie dies versucht haben (III/1 und 2).

Ein Einspruch gegen die Anklageschrift wurde nicht erhoben.

Der Akt wurde vom Vorsitzenden des Schöffengerichts wegen Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichts St. Pölten gemäß § 213 Abs 6 zweiter und dritter Satz StPO dem Oberlandesgericht Wien und von diesem ‑ weil es für möglich hielt, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht zuständig sei ‑ nach Verneinung der Einspruchsgründe nach § 212 Z 1 bis 4 und 7 StPO (RIS-Justiz RS0124585; 13 Ns 46/09g, EvBl 2009/137, 918) ‑ gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz (iVm § 213 Abs 6 dritter Satz) StPO dem Obersten Gerichtshof vorgelegt.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Nach § 36 Abs 3 StPO knüpft die örtliche Zuständigkeit im Hauptverfahren ‑ abgesehen von hier nicht in Rede stehenden Sonderzuständigkeiten ‑ primär an den Ort der (versuchten) Tatausführung, mithin an den Ort der Handlung an. Dieser liegt beim Beitragstäter dort, wo er seinen Beitrag leistet (Nordmeyer, WK‑StPO § 25 Rz 1). Für den Fall, dass der Handlungsort im Ausland liegt oder nicht festgestellt werden kann, normiert § 36 Abs 3 StPO subsidiäre Zuständigkeitstatbestände, nämlich zunächst den Ort des (versuchten) Erfolgseintritts, für den Fall, dass es an einem solchen fehlt, den Wohnsitz oder Aufenthalt des Täters und ‑ in Ermangelung auch eines solchen ‑ den Ort seiner Betretung. Kann auch dadurch eine örtliche Zuständigkeit nicht bestimmt werden, ist der Sitz der Anklage erhebenden Staatsanwaltschaft maßgebend.

Nach § 37 Abs 1 erster Satz StPO ist im Fall gleichzeitiger Anklage einer Person wegen mehrerer Straftaten das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen. Dabei ist gemäß § 37 Abs 2 erster Satz StPO unter Gerichten verschiedener Ordnung das höhere, unter Gerichten gleicher Ordnung jenes mit Sonderzuständigkeit für alle Verfahren zuständig, wobei das für den unmittelbaren Täter zuständige Gericht das Verfahren gegen Beteiligte (§ 12 StGB) an sich zieht. Den Fall, dass für die gemeinsame Verfahrensführung mehrere untereinander gleichrangige Gerichte in Frage kommen, regelt § 37 Abs 2 StPO im zweiten und dritten Satz dahin, dass insoweit grundsätzlich die frühere Straftat zuständigkeitsbegründend wirkt (§ 37 Abs 2 zweiter Satz StPO). Wenn jedoch für das Ermittlungsverfahren eine Staatsanwaltschaft bei einem Gericht zuständig war, in dessen Sprengel auch nur eine der angeklagten strafbaren Handlungen begangen worden sein soll, so ist - unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge der Taten - dieses Gericht zuständig (§ 37 Abs 2 dritter Satz StPO). Der dritte Satz des § 37 Abs 2 StPO normiert somit eine - der Verfahrensökonomie dienende ‑ Ausnahme zum zweiten Satz dieser Bestimmung, lässt aber den ersten Satz unberührt (RIS-Justiz RS0124935, RS0125227).

Für den vorliegenden Fall bedeutet das:

Die nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (I) und nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 3 SMG, § 15 StGB (III) inkriminierten Straftaten fallen zufolge der Privilegierung nach § 28a Abs 3 SMG nicht in die Zuständigkeit des Landesgerichts als Schöffengericht (§ 31 Abs 3 Z 1 StPO; Schwaighofer in WK² SMG § 28a Rz 37). Zuständigkeitsbegründend sind vielmehr ausschließlich die nach § 28a Abs 1 zweiter Fall und Abs 4 Z 3 SMG, teils auch nach § 12 dritter Fall StGB inkriminierten Straftaten (II).

Nach den mängelfrei und aktenkonform begründeten Erwägungen des Vorsitzenden des Schöffengerichts (ON 30 S 3) wurde das zu diesen Anklagepunkten (II/1 sowie II/2/a und b) tatverfangene Suchtgift nach der Verdachtslage zwar durchwegs an ‑ im Sprengel des Landesgerichts Linz gelegenen ‑ Grenzübergängen nach Oberösterreich von Tschechien nach Österreich eingeführt.

Die Staatsanwaltschaft legt Jan M***** ‑ wie bereits angesprochen ‑ aber (nur) zum Anklagefaktum II/1 die ‑ von 2011 bis 2013 begangene ‑ Einfuhr von zumindest 192,76 Gramm reinem Methamphetamin sowie von Cannabiskraut als unmittelbarer Täter zur Last. Zu II/2/a und b wird ihm dagegen vorgeworfen, er habe in Tschechien durch zahlreiche Einzelverkäufe von Methamphetamin enthaltendem Crystal Meth an die unmittelbaren Täter (von Sommer bis Winter 2011 insgesamt 37,92 Gramm [a] und im Juni 2013 50,56 Gramm [b]) zur Einfuhr von insgesamt 88,48 Gramm Methamphetamin nach Österreich beigetragen. Damit ist nach dem Vorgesagten zwar zu II/1 von einem im Sprengel des Landesgerichts Linz, zu II/2/a und b jedoch von einem in Tschechien gelegenen Tatort auszugehen, wobei die früheste der zu einer Subsumtionseinheit (sui generis; vgl RIS-Justiz RS0117464) nach § 28a Abs 1 zweiter Fall und Abs 4 Z 3 SMG zusammengefassten Taten (nämlich die Beteiligung an der Einfuhr von Suchtgift nach Österreich durch Übergabe von 15 Gramm Crystal Meth an Jacqueline H*****), die insoweit für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgeblich ist (vgl dazu 13 Ns 21/09f; 13 Ns 5/11f), nach der Aktenlage in Tschechien begangen wurde (S 4, 6 f der Anklageschrift).

Dieser im Ausland gelegene Handlungsort scheidet nach § 36 Abs 3 zweiter Satz StPO als Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit aus.

Verbrechen und Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz sind abstrakte Gefährdungsdelikte (RIS‑Justiz RS0108961, RS0087857; vgl auch Schwaighofer in WK² SMG § 28 Rz 2); die abstrakte Gefahr (oder auch deren Realisierung) stellt keinen Erfolg im Sinn des § 67 Abs 2 StGB dar (zur Auslegung des Begriffs des Erfolgsorts im Sinn des § 36 StPO: Oshidari, WK‑StPO § 36 Rz 6). Ein an diesen anknüpfender Tatort kann sich nur aus dem (geplanten) Eintritt einer im Tatbild formulierten ‑ hier nicht vorausgesetzten ‑ Wirkung in der Außenwelt (nicht jedoch aus der damit verbundenen abstrakten Gefährdung) ergeben (in diesem Sinn [zu § 114 Abs 1 FPG] schon 13 Os 4/13g). Zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit kommt die in § 36 Abs 3 StGB vorgesehene Erfolgsanknüpfung (auch für den Beitragstäter; vgl dazu Schwaighofer SbgK § 62 Rz 22 ff, 31; § 67 Rz 21 [„tatbildmäßige Erfolg“]; § 64 Rz 109 f) somit nicht in Betracht (Oshidari, WK‑StPO § 36 Rz 6 mwN).

Mangels eines im Inland gelegenen Wohn- oder Aufenthaltsorts des Angeklagten (vgl ON 8) richtet sich die örtliche Zuständigkeit im vorliegenden Fall demnach nach dem Ort seiner Betretung, die im Wohnhaus der abgesondert verfolgten Jutta B***** in S*****, sohin im Sprengel des Landesgerichts St. Pölten, erfolgte (ON 7 S 13).

Entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur waren die Akten daher dem Oberlandesgericht Wien zu übermitteln, das gemäß § 215 Abs 4 erster Satz StPO die Sache dem zuständigen Landesgericht zuzuweisen hat (vgl für viele 14 Ns 5/14t).

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