OGH 15Os85/14k

OGH15Os85/14k27.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Moritz als Schriftführer in der Strafsache gegen Hans Jürgen F***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 1. April 2014, GZ 37 Hv 126/13f‑125, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0150OS00085.14K.0827.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Hans Jürgen F***** des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (I./1./), jeweils eines Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (I./2./) und der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (II./), des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (III./), des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 3 StGB (IV./) sowie jeweils mehrerer Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (VI./) und der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (VII./) schuldig erkannt.

Danach hat er am 6. August 2013 in W*****, im Gemeindegebiet von B***** sowie an anderen Orten

I./ Dr. Jael B*****, indem er ihr „zu ihrem Fahrzeug folgte, sich unaufgefordert hinter die auf dem Fahrersitz platzierte Genannte auf die Rückbank setzte, ihr ein Messer am Hals ansetzte, befahl, ruhig zu sein und auf die Autobahn Richtung Graz zu fahren, sie sodann bei einer Ausfahrt von der Autobahn herunter dirigierte, im Gemeindegebiet von B***** zwang, in einen Wald zu fahren, das Fahrzeug anzuhalten und sich auf den Beifahrersitz zu setzen, sie sodann mit den Armen unter Zuhilfenahme einer Hundeleine an den Sitz fesselte und ihre Beine mit einem Hemd zusammenband und das Fahrzeug tiefer in den Wald hineinlenkte,“

1./ widerrechtlich gefangen gehalten und ihr die persönliche Freiheit entzogen;

2./ durch gefährliche Drohung zu Handlungen, Duldungen und Unterlassungen genötigt, „nämlich zu seiner Verbringung in ihrem Pkw auf der von ihm vorgegebenen Fahrtroute, zur Abstandnahme von Hilferufen sowie dazu, sich auf den Beifahrersitz zu setzen und sich fesseln zu lassen, wobei er die Nötigung beging, indem er durch das Ansetzen des Messers im Halsbereich mit dem Tod drohte;“

II./ im Anschluss an die unter I./ geschilderten Tathandlungen die gefesselte Dr. Jael B***** mit Gewalt und (zu ergänzen: durch Entziehung der persönlichen Freiheit [US 6 und 9] sowie) durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) zur Duldung von dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlungen genötigt, indem er ihre Brüste „derb packte, ihr die Hose herunterriss und auszog, mehrere seiner Finger in ihre Scheide steckte, sie unter Vorhalt eines Messers zwang, seinen Penis in den Mund zu nehmen und mit der Hand zu reiben, sie sodann aus dem Auto zerrte und zu Boden schleuderte, sich unter neuerlichem Vorhalt des Messers über die am Rücken Liegende legte und zumindest versuchte, mit seinem Penis in ihre Scheide einzudringen“, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine 24 Tage weit übersteigende „Anpassungsstörung ICD‑10: F43.2“, zur Folge hatte;

III./ „dadurch, dass er im Anschluss an die unter II./ geschilderte Tathandlung sich über die am Rücken liegende Dr. Jael B***** kniete, ein Messer über sie hielt, als ob er gleich zustechen wolle, und ankündigte, er müsse sie jetzt umbringen, das sei ja wohl klar, die Genannte gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, wobei er die gefährliche Drohung beging, indem er mit dem Tod drohte;“

IV./ „im Anschluss an die unter III./ geschilderte Tathandlung fremde bewegliche Sachen, nämlich den Pkw Citroen, Kennzeichen *****, der Dr. Jael B***** samt darin befindlicher Handtasche, Geldbörse mit Bargeld, Mobiltelefon und Handyladegerät, unter Verwendung des der Genannten abgenommenen Fahrzeugschlüssels mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Diebstahl an Sachen, deren noch festzustellender Wert 3.000 Euro jedenfalls übersteigt, beging, indem er eine sonstige Sperrvorrichtung, nämlich das Zündschloss des Fahrzeugs, mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel öffnete;“

VI./ Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, indem er im Zuge der unter IV./ geschilderten Tathandlung die im Pkw Citroen aufbewahrte E‑Card, den deutschen Führerschein, einen deutschen und einen österreichischen Ärzteausweis sowie einen Zulassungsschein „der Gewahrsame der Dr. Jael B***** entzog und auf seiner Flucht im Pkw mit sich nahm“ und indem er „die auf dem Fahrzeug montierte hintere Kennzeichentafel in weiterer Folge herunternahm und in einem stark bewachsenen Waldstück versteckte;“

VII./ unbare Zahlungsmittel, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, unterdrückt, indem er im Zuge der unter IV./ geschilderten Tathandlung die im Pkw aufbewahrte Erste Bank‑Card sowie eine Karte der Deutsche Apotheker‑ und Ärztebank aus der Gewahrsame der Dr. B***** entzog und auf seiner Flucht mit sich nahm.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde schlägt fehl.

Soweit die Mängelrüge mit Verweis auf ‑ vom Schöffensenat mit umfassender Begründung berücksichtigte (US 10 f; Z 5 zweiter Fall) ‑ Widersprüche in den Aussagen des Tatopfers der Sache nach eine unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) geltend macht, übersieht sie, dass das Gericht keineswegs verpflichtet ist, sich bei mehreren denkbaren Schlussfolgerungen durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RIS‑Justiz RS0098336; Lendl, WK‑StPO § 258 Rz 38). Der in diesem Zusammenhang ins Treffen geführte Zweifelsgrundsatz („in dubio pro reo“) kommt als Gegenstand einer Mängelrüge (Z 5) nicht in Betracht (vgl RIS‑Justiz RS0102162).

Behauptete Begründungsmängel zur Feststellung, der Angeklagte habe versucht, mit seinem Penis in die Scheide des Tatopfers einzudringen (US 7), betreffen schon angesichts des ebenfalls konstatierten vollzogenen Oralverkehrs (US 6), der bereits per se den objektiven Tatbestand des § 201 Abs 1 StGB erfüllt, keine entscheidende Tatsache.

Soweit der Beschwerdeführer aufgrund vermisster detaillierterer Befragung seiner Person (im Sinn einer Aufklärungsrüge aus Z 5a) eine „Missachtung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsfindung“ moniert, macht er nicht deutlich, wodurch er an der Ausübung seiner (ohnehin ausgeübten) Rechte, sich in der Hauptverhandlung zum Sachverhalt zu äußern (§ 245 Abs 1 StPO; ON 123 S 4 ff) und durch seinen Verteidiger ergänzende Fragen ‑ auch an ihn selbst ‑ stellen zu lassen (§ 249 Abs 1 StPO; ON 123 S 37 ff), gehindert war (RIS‑Justiz RS0115823).

Warum es trotz festgestellten bedingten Vorsatzes bezogen auf die Sachwegnahme der zu IV./ genannten Diebsbeute bzw auf die Unterdrückung der zu VI./ und VII./ aufgezählten Urkunden und unbaren Zahlungsmittel (US 9 f) zusätzlicher Konstatierungen „zur Kenntnis vom Vorhandensein dieser Gegenstände“ bedurft hätte (formal Z 5, materiell Z 9 lit a), legt die Rüge nicht dar.

Die in der Rechtsrüge (Z 9 lit a, inhaltlich Z 10) aufgestellte Behauptung, „das Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB“ sei „subsidiär gegenüber der Nötigung nach § 105 StGB“ (vgl indes RIS‑Justiz RS0093064, RS0090763 ua), wird durch bloßen Verweis auf eine nicht näher bezeichnete „ständige Rechtsprechung“ nicht vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet (RIS‑Justiz RS0116565).

Im Übrigen war die (schwere) Nötigung ‑ den entsprechenden Feststellungen zufolge (US 6 iVm US 2) ‑ bereits mit der Aufforderung des Angeklagten an sein Opfer, sich auf den Beifahrersitz zu setzen (und sich fesseln zu lassen), beendet, während die bis dahin erlittene Einschränkung der persönlichen Freiheit durch die unmittelbar anschließende Fesselung am Beifahrersitz intensiviert und durch die darauffolgende Weiterfahrt bis zu einer Waldlichtung prolongiert wurde (US 6). Damit geht aber die Freiheitsentziehung deutlich über jenes Maß hinaus, welches mit der Begehung des Primärdelikts (hier der schweren Nötigung) schon der Natur nach notwendigerweise verbunden ist (vgl RIS‑Justiz RS0093064, RS0090976), weshalb ihre Konsumtion als „typische Begleittat“ im Anlassfall nicht in Betracht kommt.

Indem sich die Subsumtionsrüge (Z 10) allein gegen die Begründung zur festgestellten subjektiven Tatseite beim Urteilsfaktum IV./ (US 14 f) richtet und damit auf die Bekämpfung der dazu erfolgten tatrichterlichen Beweiswürdigung beschränkt, verfehlt sie ihren gesetzlichen, in der Gesamtheit der erstgerichtlichen Konstatierungen gelegenen Bezugspunkt (RIS‑Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), auf die handschriftliche Eingabe des Angeklagten vom 21. August 2014 war nicht einzugehen (§§ 285 Abs 1, 285a Z 3 StPO). Zur Entscheidung über die Berufung ist nunmehr das Oberlandesgericht zuständig (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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