OGH 15Os71/14a

OGH15Os71/14a27.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Moritz als Schriftführer in der Strafsache gegen Hartwin M***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 3. Oktober 2013, GZ 11 Hv 187/12d‑111, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0150OS00071.14A.0827.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hartwin M***** der Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (A) sowie der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (B) schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz

A./ von 22. November 2001 bis Juli 2011 in zahlreichen Angriffen die ihm als Hausverwalter durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er von den im Urteil unter A/I bis A/VI (US 2 bis 4) näher bezeichneten, von ihm verwalteten Häuserkonten (US 7, 9 ff) die zu A/I bis A/VI im Einzelnen beschriebenen Barbehebungen und Überweisungen (Summe zu A/I: 279.548,81 Euro; zu A/II: 246.593,87 Euro; zu A/III: 187.961,39 Euro; zu A/IV: 343,913,38 Euro; zu A/V: 61.697,68 Euro; zu A/VI: 2.083,97 Euro) teils zugunsten anderer von ihm verwalteter Wohnungseigentümer-gemeinschaften und teils zu seinen eigenen Gunsten vornahm und dadurch den jeweiligen Eigentümern der verwalteten Objekte ***** und ***** in Graz einen insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Vermögensnachteil zufügte;

B./ von 1. November 2002 bis 7. Dezember 2007 Güter in einem insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Wert, die ihm (erkennbar ohne rechtlich eingeräumte Verfügungsmacht) anvertraut worden waren, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, und zwar Einzahlungen bislang nicht näher bekannter, von ihm verwalteter Hauseigentümer-gemeinschaften in der Höhe von 30.812,06 Euro auf sein als „Sammelkonto“ geführtes Privatkonto, indem er die monatliche Kredittilgung seines Privatkredits von diesem „Sammelkonto“ veranlasste (B/I), und weiters die zu B/II bis B/V angeführten Geldbeträge (B/II: 5.177,34 Euro: B/III: 3.516,68 Euro; B/IV: in Summe 18.778,56 Euro; B/V: 4.715,76 Euro), indem er zwischen August und Dezember 2007 die im Urteil im Einzelnen beschriebenen Barbehebungen von den dort angeführten Sparbüchern bei der S***** AG zum Nachteil der Eigentümer der Objekte ***** (B/II), ***** (B/III), ***** (B/IV) und ***** (B/V) vornahm.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Mit der zu A/I bis A/VI vorgetragenen Kritik (Z 5), das Erstgericht habe einzelne in der Beschwerdeschrift aufgelistete ‑ „Gutbuchungen“ oder „Zugänge“ (zu A/I: insgesamt 229.731,59 Euro, davon „138.105,04 Euro“ von Fremdkonten und „126.444,18 Euro“ vom Angeklagten; zu A/II: insgesamt 105.630,07 Euro, davon 95.109,10 Euro von Fremdkonten und 10.520,96 Euro vom Angeklagten; zu A/III: 9.591,46 Euro vom Angeklagten; zu A/IV: in Summe 122.861,67 Euro, davon 108.488,83 Euro von Fremdkonten und 14.372,84 Euro vom Angeklagten; zu A/V: in Summe 7.083,97 Euro, davon 2.083,97 Euro von Fremdkonten und 5.000 Euro vom Angeklagten; zu A/VI: 3.414,77 Euro von Fremdkonten) „übergangen“, weshalb „durch die Nichtberücksichtigung der Gutbuchungen zumindest in dem Umfang, in dem die Zahlungen vom Angeklagten selbst stammen“ der „Ausspruch des Gerichts über entscheidende Tatsachen, nämlich über die Schadenssumme undeutlich geblieben und unbestimmt“ sei (zur Abgrenzung von formellen Urteilsmängeln iSd Z 5 erster Fall von materieller Nichtigkeit vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 418 f, 570 f), lässt der Nichtigkeitswerber prozessordnungswidrig die Gesamtheit der Entscheidungsgründe außer Acht (RIS‑Justiz RS0119370). Neben den widmungswidrigen Abgängen von den betroffenen Konten der Wohnungseigentümergemeinschaften (in der Höhe von insgesamt 1.121.799,10 Euro [US 12]) sind nämlich ohnehin die vom Angeklagten zu A/II bis A/VI angesprochenen, von ihm teils aus Fremdgeldern, teils aus eigenen Geldern veranlassten Zuflüsse festgehalten (US 9 ff), diese allerdings ‑ ebenso wie der zu A/I im Urteil festgestellte Gesamtzugang (229.731,59 Euro) aus Überweisungen von einem konkret genannten Fremdkonto (138.105,05 Euro) und vom Angeklagten selbst (Summe im Urteil nicht ausgewiesen, rechnerische Differenz zu 229.731,59 Euro demnach 91.626,54 Euro; US 9) ‑ in rechtlicher Hinsicht nicht als strafaufhebende Schadensgutmachung iSd § 167 Abs 2 StGB gewertet wurden (US 12 und 18). Weshalb das Urteil daher bei objektiver Betrachtung für sämtliche Urteilsadressaten in Bezug auf - für den Schuldspruch oder für die zufolge § 29 StGB unter Zusammenrechnung der Schadensbeträge aus sämtlichen Taten derselben Art vorzunehmende Subsumtion ‑ entscheidende Tatsachen (RIS‑Justiz RS0099497, RS0106268) unklar geblieben sein soll (Z 5 erster Fall), erklärt das Rechtsmittel nicht.

Ebensowenig belegt die Beschwerde - in prozessordnungswidriger Vernachlässigung der gesetzlichen Anordnung, die Nichtigkeitsgründe bestimmt zu bezeichnen, aus welchen in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnissen sich zu A/I eine angebliche Zahlung des Angeklagten von „insgesamt 126.444,18 Euro“ aus seinem Vermögen (neben jener von 138.105,05 Euro von einem konkret genannten Fremdkonto [US 9]) ergeben soll, sodass dieser Einwand auch unter dem Aspekt einer Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) der Begründung der aus dem Urteil erhellenden Annahme einer Rückzahlung von bloß 91.626,54 Euro aus Mitteln des Angeklagten (US 9) ins Leere geht.

Mangels Entwicklung der eingewendeten Nichtigkeit aus den Akten durch Benennung entsprechender Fundstellen im umfangreichen Akt (RIS‑Justiz RS0124172) scheitert auch die zu B pauschal ‑ ohne Rücksicht auf die verschiedene Wohnungseigentümergemeinschaften be-treffende Faktenmehrzahl ‑ vorgebrachte Kritik an der angeblichen „Nichtberücksichtigung einer Auszahlung von 47.000 Euro an einen Wohnungseigentümer, einen israelischen Staatsbürger“.

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) teils bloß das Vorbringen der Mängelrüge wiederholt, zu A/I und A/IV in Bezug auf „Gutbuchungen“ von höheren Beträgen ausgeht als die Tatrichter (US 9 ff; zu A/I: neben „138.105,04 Euro“ auch „126.444,18 Euro“ anstatt - aus den Feststellungen ableitbar ‑ bloß 91.626,54 Euro; zu A/IV ‑ überdies im Widerspruch zur Mängelrüge ‑ neben 108.488,83 Euro und 14.372,84 Euro auch „18.313,55 Euro“), zu B abermals (ohne Bezug zu einer konkreten Wohnungseigentümerschaft und ohne Anführung einer entsprechenden Belegstelle in den Akten) eine Auszahlung von 47.000 Euro an „einen Wohnungseigentümer“ mit israelischer Staatsbürgerschaft behauptet und darüber hinaus einen deliktsspezifischen Vorsatz des Angeklagten (US 12 f) aufgrund eigenständiger Würdigung der Verfahrensergebnisse in Abrede stellt, nimmt sie nicht Maß am Urteilssachverhalt und verfehlt damit eine gesetzmäßige Ausrichtung (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581; RIS‑Justiz RS0099810). Auch Feststellungsmängel in Bezug auf entscheidende Tatsachen (schuld- oder subsumtionsrelevante Gutbuchungen oder Auszahlungen) werden dadurch ‑ ohne konkreten Hinweis auf in der Hauptverhandlung vorgekommenes Tatsachensubstrat ‑ nicht prozessordnungsgemäß zur Darstellung gebracht (RIS‑Justiz RS0099730).

Soweit die Rechtsrüge unter dem Aspekt der Z 9 lit b zu A neuerlich bloß auf die bereits angesprochenen „Gutbuchungen“ verweist, verabsäumt sie eine methodengerechte Argumentation (RIS-Justiz RS0116565, RS0118416), weshalb dem Angeklagten im konkreten Fall tätige Reue im Sinn des § 167 StGB zu Gute kommen sollte. Im Übrigen kommt dieser Strafaufhebungsgrund im Fall einer auf einen einheitlichen Willensentschluss zurückgehenden Faktenmehrheit (vgl US 8, 12 f) bei bloß unvollständiger (vgl US 9 ff und 18) Rückzahlung von treuwidrig verwendeten Beträgen nicht in Betracht (vgl Kirchbacher in WK2 StGB § 167 Rz 48, 65 ff; RIS‑Justiz RS0124909, RS0117252).

Indem das Rechtsmittel (nominell Z 9 lit b) zu A (unter Hinweis auf die angesprochenen „Gutbuchungen“) und zu B (durch die neuerlich nicht näher begründete Behauptung einer „Auszahlung“ an einen israelischen Wohnungseigentümer) jeweils die Zurechnung eines geringeren Schadens anstrebt (der Sache nach Z 10), macht sie auch nicht klar, weshalb solche Transaktionen Auswirkungen auf die jeweils zufolge § 29 StGB zu bildende Subsumtionseinheit nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (A) oder nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (B) haben könnten. Ebensowenig wird deutlich, inwiefern den erwähnten „Gutbuchungen“ oder der „Auszahlung“ Relevanz für den Schuldspruch zu A oder B zukommen sollte (Z 9 lit a und lit b).

Bleibt darauf hinzuweisen, dass die erschwerende Wertung des Missbrauchs des Vertrauensverhältnisses (US 18) einen ‑ vom Nichtigkeitswerber (auch in seiner Berufung) nicht gerügten ‑ Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) begründet, weil der Vertrauensmissbrauch ein Charakteristikum sowohl der Untreue als auch der Veruntreuung ist (vgl RIS‑Justiz RS0120526, 11 Os 98/83). Die insoweit vorliegende Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO) wird daher vom Berufungsgericht im Rahmen der Berufungsentscheidung zu berücksichtigen sein (RIS‑Justiz RS0119220).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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