European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0150OS00086.14G.0827.001
Spruch:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt 4./, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), im Konfiskations- und im Adhäsionserkenntnis ebenso aufgehoben wie der Beschluss gemäß § 494a StPO und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde wird der Angeklagte im Umfang der Aufhebung ebenso wie mit seiner Berufung und Beschwerde auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch von einem weiteren Tatvorwurf enthält, wurde H***** S***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB (1./), des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (2./), des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (3./) sowie des Vergehens der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 und Abs 2 Z 2 StGB (4./) schuldig erkannt.
Danach hat er in H***** und I***** ***** *****
1./ am 19. Juli 2013 in seiner Wohnung mit Gewalt, indem er sie rücklings auf ein Bett drückte, sich auf ihr Becken setzte, um sie solcherart zu fixieren, und teilweise auch ihre Arme festhielt, zur Vornahme des Oralverkehrs an ihm, sohin zu einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, wobei er die Genannte dadurch in besonderer Weise erniedrigte, dass er ihr ins Gesicht ejakulierte;
2./ „zwischen Ende Juli 2013 und 21. August 2013 durch an sie elektronisch übermittelte Nachrichten wie 'antworte mir ... mein Schwanz in deinem Maul du Bastard ... wenn du willst, dass sie dein Bild und dein Video nicht sehen, dann bring mir sofort mein Foto ... wenn deine Freunde uns beim ficken sehen könnten ... was hätten sie wohl für einen Spaß ... ich werde dein Leben zerstören ... bring mir mein Foto ich schwöre auf mein Leben, das ist die letzte Chance, die ich dir gebe ... ich habe einen Film von dir', durch gefährliche Drohung […] zu Handlungen, nämlich zur Aufrechterhaltung des Kontaktes zu ihm und zur Rückgabe eines ihr übergebenen Fotos, zu nötigen versucht“;
3./ „zwischen 26. Juli und 21. August 2013 durch elektronisch und telefonisch an sie übermittelte Nachrichten wie 'ich werde dein Leben zerstören ... eins sag ich dir, wenn du dich bisher vor irgendjemandem gefürchtet hast, das war nichts im Vergleich zu dem, was ich mit dir Gutes vor habe … ich bin jetzt da und werde dich mit meinen Freunden ficken', gefährlich bedroht […], um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen“;
4./ von 26. Juli bis 21. August 2013 in einer Weise, die geeignet ist, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, widerrechtlich beharrlich verfolgt, indem er eine längere Zeit hindurch fortgesetzt im Wege einer Telekommunikation und unter Verwendung sonstiger Kommunikationsmittel Kontakt zu ihr herstellte, insbesondere, indem er ihr „zahlreiche elektronische Nachrichten mit sexistischem, beleidigendem und vulgärem Inhalt zukommen ließ“.
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass das Urteil zu 4./ des Schuldspruchs mit vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachter, diesem zum Nachteil gereichender materieller Nichtigkeit (Z 9 lit a) behaftet ist, die eine amtswegige Aufhebung dieses Schuldspruchs erfordert (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
Rechtliche Beurteilung
Die Feststellungen, wonach der Angeklagte ***** ***** etwa ein Monat lang „zahllose […] elektronische Nachrichten mit eindeutig sexistischem, beleidigendem und äußerst vulgärem Inhalt zukommen“ ließ (US 10), „unablässig elektronische Nachrichten übermittelte“ und sie „massiv belästigte“, weshalb sie sich „gezwungen sah, ihr Handy auszuschalten“, sich überdies ein neues Mobiltelefon „mit neuer Nummer kaufte und darüber hinaus zwei Facebook‑Accounts deaktivierte“ (US 12, 20, 25), lässt eine abschließende Beurteilung der (als Rechtsfrage zu lösenden) objektiven Eignung, das Opfer in der Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, nicht zu. Denn das entscheidende Kriterium der Belastung, wozu neben Anzahl, Dauer und dazwischenliegenden Abständen der Kontaktaufnahmen auch der Inhalt von SMS‑Nachrichten, E‑Mails oder Anrufen gehört (Schwaighofer in WK² § 107a Rz 10; Wach SbgK § 107a Rz 54 f, 57 f, 63 ff) kann an Hand dieser Urteilsannahmen trotz Hervorhebung von zwei ‑ den Gegenstand auch des Schuldspruchs zu 2./ und 3./ bildenden Textpassagen (US 10 f) ‑ mangels näheren Sachverhalts-substrats nicht abschließend beurteilt werden, woran auch die zur subjektiven Tatseite getroffenen Urteilsannahmen nichts ändern (US 12, 20).
Im Hinblick auf die bereits aus diesem Grund gebotene Kassation des Schuldspruchs zu 4./ erübrigt sich ein Eingehen auf die (aus Z 9 lit a [inhaltlich Z 10] erhobene) Beschwerdeargumentation, die Konsumtion der inkriminierten beharrlichen Verfolgung der ***** ***** (4./) durch die Schuldsprüche wegen des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (2./) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (3./) im Übrigen bloß behauptet, ohne dies methodengerecht aus dem Gesetz abzuleiten (RIS‑Justiz RS0116565).
Zum übrigen Teil des Urteils verfehlt die Nichtigkeitsbeschwerde ihr Ziel.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags auf Einholung eines gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens „zum Beweis dafür, dass die von der Zeugin ***** ***** behaupteten sexuellen Handlungen am 19. Juli 2013 nicht in der von ihr geschilderten Art und Weise stattgefunden haben können“ (ON 61 S 2), Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt. Denn der Antrag ließ nicht erkennen, weshalb ein Sachverständiger aus dem Fachbereich der Medizin ein halbes Jahr nach dem Vorfall trotz des Fehlens zeitnaher Befunde von körperlichen Untersuchungen des Opfers zum behaupteten Ergebnis gelangen sollte (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330 f), und lief demnach auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung hinaus.
Mit dem Vorwurf von „Aktenwidrigkeit“ (Z 5 fünfter Fall) wird im Rechtsmittel inhaltlich kein Fehlzitat im Sinn einer unrichtigen Wiedergabe eines Beweismittelinhalts durch formalen Vergleich von Zitat und Aktenlage aufgezeigt (RIS‑Justiz RS0099547), sondern bloß die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung angegriffen, indem auf Basis von - im Übrigen auch nicht durch Angabe der entsprechenden Fundstellen im umfangreichen Akt deutlich und bestimmt bezeichneten (RIS‑Justiz RS0124172) ‑ Verfahrensergebnissen (Textnachrichten des Opfers) für den Angeklagten günstigere Schlüsse eingefordert werden.
Auch die schlichte Erklärung des Inhalts, „die Feststellungen S 8 und 9 ab 8 Mitte 'Plötzlich' bis 9 unten 'erniedrigt' zu bekämpfen“ und deren „ersatzlosen Entfall zu beantragen“, wird der gesetzlichen Anordnung, Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt zu bezeichnen (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO), nicht gerecht.
Da die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit einer Person aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht releviert werden kann (RIS‑Justiz RS0106588), geht die abermals auf eigenständige Überlegungen zu - erneut nicht durch Fundstellen im Akt bezeichneten - Inhalten der „Handyauswertung der Zeugin“ sowie zu deren Verhalten vor und nach der Tat gestützte Kritik an der Verlässlichkeit der Angaben der Zeugin ***** ***** ins Leere.
Auch die Behauptung, die von der Genannten geschilderte Tathandlung sei „rein technisch nicht möglich“, zumal sie „sichtbare Verletzungen hätte davontragen müssen“ und offenbar „einen Vorfall in ihrer Jugend bis heute nicht verarbeitet“ habe, setzt dem Urteilssachverhalt ‑ wieder ohne Aktenbezug ‑ nur eigene Überlegungen zum Verhalten des Opfers nach dem Vorfall vom 19. Juli 2013 (1./) und zu dessen „SMS‑Verkehr seit der angeblichen Vergewaltigung“ entgegen. Die Beschwerde zeigt solcherart kein den Entscheidungsgründen anhaftendes Begründungsdefizit auf (Z 5).
Ebensowenig gelingt es ihr mit diesem Versuch, die Beweiswürdigung der Tatrichter in Zweifel zu ziehen (US 14 ff), beim Obersten Gerichtshof sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken (RIS‑Justiz RS0118780) gegen die Richtigkeit der getroffenen Urteilsannahmen (Z 5a) zu erwecken.
Da die dem Schuldspruch 4./ anhaftende materielle Nichtigkeit dessen Kassation erfordert und demnach auch zur Aufhebung des Strafausspruchs führt, erübrigt sich ein Eingehen auf die Sanktionsrüge (Z 11).
Somit war ‑ im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ das angefochtene Urteil aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde im Schuldspruch zu 4./, mangels Teilbarkeit des eine Entschädigung für alle Taten umfassenden Zuspruchs an die Privatbeteiligte (US 26) sowie mit Blick auf die nach Aufhebung eines Teils des Schuldspruchs erforderliche Neubewertung der Verhältnismäßigkeit der Konfiskation (§ 19a Abs 2 StGB) auch in diesen Aussprüchen, sohin im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang bereits in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben (§ 285e StPO). Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Mit seiner Berufung und seiner (impliziten) Beschwerde (§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO) war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO; sie bezieht sich nicht auf die amtswegige Maßnahme ( Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12).
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