Spruch:
Der Berufung des Kammeranwalts wird nicht Folge gegeben.
Der Berufung des Beschuldigten wegen Schuld wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, im weiteren Umfang aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Dr. Janko T***** hat am 19. März 2003 in Klagenfurt im Rahmen eines Bevollmächtigungsvertrags zwischen der T***** Rechtsanwalts GmbH und der A***** I***** GmbH sein Honorar für die Gründung einer Projektgesellschaft zum Erwerb einer Liegenschaft in Ljubljana zwecks Errichtung eines Einkaufsmarkts mit rund 2,2 Millionen Euro um zumindest 1,8 Millionen Euro unangemessen überhöht verrechnet, und zwar unter Annahme einer Bemessungsgrundlage von damaligen 120 Millionen Deutsche Mark (DM) als Projektsumme, obwohl die T***** Rechtsanwalts GmbH nicht mit einer „Gesamtprojektbegleitung“, sondern nur mit der Errichtung konkreter Verträge samt Nebenleistungen beauftragt worden war, nämlich mit der Erstellung eines Gesellschaftsvertrags bezüglich einer neu zu gründenden slowenischen Gesellschaft und mit der Errichtung eines Liegenschaftskaufvertrags.
Er hat hiedurch das Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt begangen.
Über ihn wird hiefür nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt unter Bedachtnahme gemäß § 16 Abs 5 zweiter Satz DSt iVm §§ 31, 40 StGB auf die Erkenntnisse des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 23. Jänner 2007, AZ D 12/06, und vom 19. Februar 2007, AZ D 25/05, eine Zusatzgeldbuße von 3.500 Euro verhängt.
Ihm fallen die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zur Last.
Im Übrigen wird der Berufung des Beschuldigten wegen Schuld nicht Folge gegeben.
Mit seiner Berufung wegen Strafe wird er auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Dr. Janko T***** zum einen des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (§ 1 zweiter Fall DSt) schuldig erkannt.
Danach hat er
a) „im Rahmen eines Bevollmächtigungsvertrages zwischen der T***** Rechtsanwalts GmbH und der A***** I***** GmbH zur Errichtung einer Projektgesellschaft zum Erwerb einer Liegenschaft in Ljubljana zwecks Errichtung eines Einkaufsmarktes die anerlaufenen Kosten unangemessen und wesentlich überhöht verrechnet zu haben, und zwar mit einer an sich überhöhten Bemessungsgrundlage von 120 Millionen DM anhand einer von ihm errechneten Projektsumme, welche zum Zeitpunkt der Beauftragung überhaupt nicht bekannt war und unter Heranziehung einer nach einer 'Faustformel' errechneten 'Projektsumme', obwohl die T***** Rechtsanwalts GmbH nicht mit einer 'Gesamtprojektbegleitung' beauftragt worden war, sondern nur Einzelaufträge zur Errichtung konkreter Verträge samt Nebenleistungen erteilt worden sind, nämlich zur Erstellung eines Gesellschaftsgründungsvertrages bezüglich einer neu zu gründenden slowenischen Gesellschaft und zur Errichtung eines Liegenschaftskaufvertrages“.
Er wurde gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von 5.000 Euro und zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt.
Zum anderen wurde der Beschuldigte von weiteren zu b), c) und d) im Erkenntnis genannten Vorwürfen rechtskräftig sowie vom Vorwurf, er habe
e) auf die Bezahlung des unangemessen und wesentlich überhöhten Gesamthonorars von 2.208.780 Euro durch Einleitung des Verfahrens 21 Cg ***** des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz beharrt und dieses durch Einbringung einer Berufung fortgeführt, obwohl dem Klagebegehren lediglich im Umfang von etwa 14,5 Prozent stattgegeben und im Urteil ausgesprochen worden sei, dass der gegenüber dem Kläger im Verfahren 21 Cg ***** des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz erhobene Vorwurf des Wuchers berechtigt wäre, freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen letztgenannten Freispruch richtet sich die Berufung des Kammeranwalts wegen Schuld, während der Beschuldigte den ihn belastenden Teil des Erkenntnisses mit Berufung wegen Schuld und Strafe bekämpft.
Voranzustellen ist: Der Verzicht des DSt auf die in der StPO vorgesehene Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe bedeutet, dass der von den Kategorien der (die Schuldfrage betreffenden) Nichtigkeitsgründe erfasste Fehlerbereich von der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld erfasst wird (§ 49 DSt), die demnach im DSt die Berufungspunkte des § 464 Z 1 und 2 erster Fall StPO meint (RIS‑Justiz RS0128656).
Die Berufung des Kammeranwalts schlägt fehl.
Die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) geht mit der bloßen Behauptung, auch die gerichtliche Geltendmachung einer unberechtigten Honorarforderung durch Einbringung einer Klage und einer Berufung stelle eine disziplinär zu ahndende Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes dar, nicht von des Feststellungen des Disziplinarrats in ihrer Gesamtheit aus (RIS‑Justiz RS0099810), vernachlässigt sie doch die Konstatierungen zum Nichtvorliegen der subjektiven Tatseite infolge eines dem Beschuldigten zugebilligten (ersichtlich gemeint: nicht vorwerfbaren) Rechtsirrtums (ES 7 f).
Der Berufung des Beschuldigten wegen Schuld kommt teilweise Berechtigung zu.
Der Verfahrensrüge (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) zuwider erfolgte die Abweisung der Anträge auf Beischaffung und Verlesung des Akts AZ 24 Cg ***** des Landesgerichts Klagenfurt („klagende Partei TR***** GmbH, vertreten durch Dr. Janko T*****, gegen die beklagten Partei S***** AG“) zum Beweis dafür, dass bei derartigen Projekten das Honorar von der Gesamtdurchführungssumme zu bemessen sei, und auf Einholung eines Gutachtens eines „Kostensachverständigen“ zum Beweis dafür, dass keine überhöhte Honorarabrechnung erfolgt sei (ON 58 S 7), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten.
Inwieweit dem Inhalt des genannten Akts für die Lösung der Frage der Bemessungsgrundlage im gegenständlichen Verfahren Bedeutung zukommen soll, ist dem Beweisantrag nicht zu entnehmen und auch nicht offensichtlich (vgl RIS‑Justiz RS0118444; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 327 f). Soweit der Antrag auch zum Beweis dafür gestellt wurde, dass Dr. A***** selbst ersucht habe, „so wie mit der S***** AG abzurechnen“, legte er nicht dar, welche Anhaltspunkte für diese ‑ der Verantwortung des Beschuldigten entsprechende, vom Disziplinarrat jedoch als widerlegt angesehenen (ES 4 und 6) ‑ Behauptung sich aus dem Akt ergeben sollen.
Sachverständigengutachten sind nur zu Tat-, nicht aber zu Rechtsfragen ‑ im gegebenen Zusammenhang: der Auslegung und Anwendung der AHR (RIS‑Justiz RS0121240) ‑ einzuholen (vgl RIS‑Justiz RS0099342; Hinterhofer, WK‑StPO § 127 Rz 12 ff). Das im Antrag genannte Thema („keine überhöhte Honorarabrechnung“) lässt nicht erkennen, ob es sich auf die genannte Rechtsfrage oder aber auf eine (Voraussetzung für deren Lösung darstellende) Tatfrage bezieht. Zu einer Tatfrage wäre die Beiziehung eines Sachverständigen im Übrigen auch nur dann geboten, wenn ‑ nach der auf den Einzelfall bezogenen Wertung des Obersten Gerichtshofs ‑ nicht jedes Mitglied des erkennenden Spruchkörpers die erforderlichen Fachkenntnisse für deren Beurteilung besitzt (RIS‑Justiz RS0121297; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 346).
Ohne Konkretisierung des Beweisthemas und auch ohne Vorbringen dazu, warum die Mitglieder des Senats nicht über diese Kenntnisse verfügten und aus welchen Gründen der Sachverständige zum Schluss kommen solle, dass „keine überhöhte Honorarabrechnung“ erfolgt sei, zielte der Antrag somit auch nur auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330 f).
Die ‑ vor der Rechtsrüge zu behandelnde (Ratz, WK‑StPO § 476 Rz 9) ‑ Schuldberufung vermag mit einer Wiederholung der Verantwortung des Beschuldigten keine Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der Annahmen des Disziplinarrats zur objektiven Tatseite zu wecken oder eine Außerachtlassung aktenkundiger Beweisergebnisse aufzuzeigen, die sich bei einer lebensnahen, an der allgemeinen menschlichen Erfahrung orientierten Beurteilung mit dem festgestellten Sachverhalt nicht in Einklang bringen ließen. Einer Beweiswiederholung oder -ergänzung bedurfte es daher in diesem Umfang nicht.
Die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a) behauptet das Fehlen von Feststellungen zur objektiven Tatseite, vernachlässigt aber, dass der Disziplinarrat mit hinreichend deutlichen Verweisen (insb ES 6) auf das Urteil im Verfahren 21 Cg ***** des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz erkennbar (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19) dessen Feststellungen zu den Grundlagen für die Annahme der Angemessenheit von weniger als 20 Prozent der verrechneten Kosten übernommen hat (vgl Danek, WK‑StPO § 270 Rz 32 mwN).
Im Recht ist die Rechtsrüge aber dahin, dass dem Erkenntnis keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite
(s RIS‑Justiz RS0055146) zu entnehmen sind. Der Oberste Gerichtshof sah sich gemäß § 52 erster Satz DSt veranlasst, die notwendigen Verfahrensergänzungen durch einvernehmlichen Vortrag (§ 252 Abs 2a StPO) des erheblichen Inhalts des erstinstanzlichen Akts und des Akts 21 Cg ***** des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz selbst vorzunehmen und ergänzend festzustellen, dass der Beschuldigte bei sorgfaltsgemäßem Verhalten, zu dem er verpflichtet und befähigt war und das ihm zuzumuten war, erkennen hätte können, dass er seiner Mandantschaft um zumindest 80 Prozent überhöhte Kosten verrechnet hat. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte aus besonderen Gründen zur Einhaltung der ihn treffenden subjektiven Sorgfaltspflicht nicht imstande gewesen sei, lassen sich aus den vorliegenden Verfahrensergebnissen nicht ableiten.
Nach Kassation des Schuldspruchs und Sanierung des Rechtsfehlers mangels Feststellungen war in der Sache selbst zu erkennen (vgl Ratz, WK‑StPO § 473 Rz 11 ff).
Der Beschuldigte hat unter Zugrundlegung von (nicht vom Auftraggeber angegebenen, sondern vom Beschuldigten aus dem Liegenschaftskaufpreis samt Neben- und Baukosten für das geplante Einkaufszentrum selbst errechneten) Gesamtprojektkosten in Höhe von 120 Millionen DM rund 2,2 Millionen Euro Honorar verrechnet (und gerichtlich eingefordert). Wie auch im Honorarprozess 21 Cg ***** des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz angenommen wurde, wäre ein Honorar von maximal rund 383.000 Euro gerechtfertigt gewesen, weil als Kostenbemessungsgrundlage für die vom Beschuldigten erbrachten Leistungen nach den (im Leistungszeitraum in Geltung gestandenen) „Autonomen Honorar-Richtlinien“ für die Errichtung eines „Gesellschaftsgründungsvertrags“ und eines „Joint‑Venture‑Vertrags“ (wegen geringeren Stammkapitals) der Mindestbetrag von jeweils 36.000 Euro (§ 5 Z 17 lit c AHR), für die Errichtung eines „Kaufvertrags“ die Kaufsumme von 7.638.087 Euro (§ 8 Abs 5 iVm § 5 Z 23 AHR) und für die Errichtung eines „Mietvertrags“ und eines dazugehörigen „Optionsvertrags“ jeweils der mit 1.468.800 Euro angenommene dreifache Jahresbestandzins (§ 5 Z 6 AHR), in Summe 10.647.687 Euro (entsprechend 20.825.065,67 DM) heranzuziehen gewesen wären und der Beschuldigte drei Prozent der ‑ mit einem Satz von einem bis fünf Prozent rechtswirksam vereinbarten -Kostenbemessungsgrundlage angesprochen hat. Die dem zuwider vorgenommene, in auffallendem Missverhältnis zwischen Leistung und eingeforderter Gegenleistung stehende Verrechnung unter Zugrundelegung einer den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechenden Bemessungsgrundlage verstößt gegen Ehre und Ansehen des Standes und stellt ‑ im vorliegenden Fall fahrlässigen Handelns ‑ ein Disziplinarvergehen nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt dar (vgl RIS‑Justiz RS0055665).
Es war daher (erneut) mit einem Schuldspruch im oben angeführten Sinn ‑ unter Ergänzung des erstinstanzlichen Tenors um den Tatzeitpunkt und Kürzung um eine für die rechtliche Beurteilung irrelevante Textpassage - vorzugehen.
Bei der erforderlichen Strafneubemessung war gemäß § 16 Abs 5 zweiter Satz DSt iVm §§ 31, 40 StGB auf die Erkenntnisse des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer für Kärnten vom 23. Jänner 2007, AZ D 12/06, und vom 19. Februar 2007, AZ D 25/05, (Geldbußen von insgesamt 2.500 Euro) Bedacht zu nehmen. Dabei war das Zusammentreffen mehrerer Disziplinarvergehen in Hinblick auf die genannten Vorverurteilungen als erschwerend zu werten, als mildernd hingegen die vom Beschuldigten nicht zu vertretende insgesamt unverhältnismäßig lange Dauer des Verfahrens (§ 34 Abs 2 StGB). In Hinblick auf Unrechtsgehalt der Tat und Schuld des Beschuldigten erschien eine zusätzliche Geldbuße von 5.000 Euro angemessen, welche zum Ausgleich für die ‑ durch die lange Verfahrensdauer bewirkte - Grundrechtsverletzung auf 3.500 Euro zu reduzieren war (vgl RIS‑Justiz RS0114926).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 38 Abs 2 und § 54 Abs 5 DSt.
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