European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0170OS00005.14K.0811.000
Spruch:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.
II/ zu Recht erkannt:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Mit ihren Rechtsmitteln werden die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Katharina M***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat sie im Mai 2011 den abgesondert verfolgten Manuel H*****, der beim Magistratischen Bezirksamt für den ***** Bezirk als Vertragsbediensteter der Stadt Wien für die Ausstellung von Ausnahmebewilligungen gemäß § 45 Abs 4 StVO (iVm § 43 Abs 2a Z 1 StVO; [„Parkpickerl“]) zuständig war, sohin einen Beamten der Gemeinde Wien, dazu bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB), „mit dem Vorsatz, dadurch die Gemeinde Wien in ihrem Recht auf Parkraumbewirtschaftung zu schädigen, seine Befugnis, im Rahmen“ (gemeint wohl: Namen) „der Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Geschäfte Amtsgeschäfte vorzunehmen, indem er Original‑Parkpickerl ohne entsprechenden formellen Antrag sowie (damit einhergehend) ohne Prüfung der von der Gemeinde Wien im Sinn einer effektiven und zielführenden Parkraumbewirtschaftung erstellten Voraussetzungen für die von seinen Abnehmern gewünschten Bezirke gegen Bezahlung eines nicht den standardmäßigen Tarifen entsprechenden, geringeren Betrages herstellte und die solcherart eingehobenen Beträge nicht an die Gemeindekasse abführte, sondern für private Zwecke verwendete, wissentlich zu missbrauchen“, indem sie einem unbekannten Mittelsmann des Manuel H***** in Kenntnis des Tatplans das Kennzeichen W***** des von ihr benutzten Fahrzeugs und zwei von ihr gewünschte Bezirke samt Gültigkeitsdauer von jeweils zwei Jahren mitteilte und ihm anschließend nach Erhalt der beiden widerrechtlich hergestellten „Parkpickerl“ 600 Euro übergab.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.
Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
Die Angeklagte hat in der Hauptverhandlung vom 16. Oktober 2013 keine Rechtsmittelerklärung abgegeben (ON 13 S 13). Mit Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat sie durch Vorlage der Übermittlungsprotokolle samt positiver Rückmeldung der Übermittlungsstelle betreffend die Übernahme der Daten der Eingabe (vgl § 89d Abs 1 GOG) bescheinigt (ON 18 S 7 ff), dass die ‑ nach der Aktenlage (vgl den AV vom 23. Dezember 2013 [ON 17 S 1]) nicht bei Gericht eingelangte ‑ Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde (und der Berufung) am 18. Oktober 2013, also innerhalb der dreitägigen Frist (§ 284 Abs 1 StPO), im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs erfolgte. Mangels Versäumung einer prozessualen Frist war daher der Antrag auf Wiedereinsetzung als gegenstandslos zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0101307; Lewisch, WK‑StPO § 364 Rz 7).
Zur amtswegigen Maßnahme:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil ein nicht geltend gemachter Rechtsfehler (mangels Feststellungen [Z 9 lit a]) zum Nachteil der Angeklagten anhaftet, der von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
Missbrauch der Amtsgewalt setzt in subjektiver Hinsicht den Vorsatz des Täters voraus, jemand anderen durch (wissentlichen) Befugnismissbrauch an seinen Rechten zu schädigen. Strafbarkeit eines Bestimmungs- oder Beitragstäters liegt nur dann vor, wenn er selbst sämtliche Elemente (auch) des subjektiven Tatbestands erfüllt. Zudem handelt es sich um ein Sonderdelikt, dessen Unrecht im Sinn des § 14 Abs 1 zweiter Satz StGB davon abhängt, dass der Beamte als Träger der „besonderen persönlichen Eigenschaften“ (Intraneus) in bestimmter Weise ‑ nämlich durch (zumindest bedingt) vorsätzlichen Fehlgebrauch der Befugnis ‑ an der Tat mitwirkt. Gerade auch darauf muss sich das Wissen eines an der strafbaren Handlung (als Bestimmungs- oder Beitragstäter) beteiligten Extraneus beziehen (RIS‑Justiz RS0108964, RS0089030; Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 70 und 105 sowie § 14 Rz 17).
Schädigungsvorsatz der Angeklagten hat das Erstgericht nicht festgestellt. Dieses Konstatierungsdefizit wird auch nicht dadurch ausgeglichen, dass das Recht der Gemeinde Wien „auf Parkraumbewirtschaftung“ (gemeint: Einhebung der Parkometerabgabe [vgl § 45 Abs 4 und 4a StVO iVm §§ 2 und 4 wr. PauschalierungsVO) im Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) erwähnt wird (RIS-Justiz RS0114639).
Dieser Rechtsfehler machte ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ eine sofortige Aufhebung des Schuldspruchs bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO), demgemäß auch des Strafausspruchs, samt Rückverweisung der Sache an das Erstgericht unumgänglich. Eine Erörterung der Mängelrüge erübrigt sich daher.
Mit ihren Rechtsmitteln waren die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.
Im zweiten Rechtsgang wird das Gericht ‑ die neuerliche Annahme einer Erfüllung des (objektiven und subjektiven) Tatbestands vorausgesetzt ‑ unter dem Aspekt der nunmehr gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit einer Diversion neben deren allgemeinen Voraussetzungen zu prüfen haben, ob die Angeklagte durch die Tat eine (tatsächliche) Schädigung an (Vermögens-)Rechten herbeigeführt und ob diese gegebenenfalls die in § 198 Abs 3 StPO normierte Geringfügigkeitsschwelle (vgl AB 2457 BlgNR 24. GP, 4) überschritten hat.
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