OGH 5Ob28/14z

OGH5Ob28/14z25.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj L***** S*****, geboren am ***** 1999, und V***** S*****, geboren am ***** 2001, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Vaters Mag. C***** H*****, vertreten durch Dr. Peter Birgmayer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. September 2013, GZ 45 R 272/13b‑141, in der Fassung des Ergänzungsbeschlusses vom 18. Oktober 2013, mit dem infolge Rekurses des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 19. April 2013, GZ 10 Pu 111/10p‑135, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0050OB00028.14Z.0725.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die im übrigen Umfang als in Rechtskraft erwachsen unberührt bleiben, werden

hinsichtlich des mj L***** S***** im Umfang der monatlichen Unterhaltserhöhung von 70 EUR für die Zeit von 1. 9. 2006 bis 31. 12. 2006, von 65 EUR für die Zeit von 1. 1. 2007 bis 31. 12. 2007, von 50 EUR für die Zeit von 1. 1. 2008 bis 31. 12. 2008 und von 70 EUR für die Zeit von 1. 1. 2009 bis 31. 10. 2010 sowie

hinsichtlich des mj V***** S***** im Umfang der monatlichen Unterhaltserhöhung um 70 EUR für die Zeit von 1. 9. 2006 bis 31. 10. 2010

jeweils samt den entsprechenden Zinsenzusprüchen aufgehoben und die Pflegschaftssache insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

 

Begründung:

Das Erstgericht erhöhte aufgrund eines rückwirkenden Erhöhungsantrags ausschließlich für vergangene Zeiträume die vom Vater seinen beiden Kindern jeweils monatlich zu leistenden Unterhaltsbeiträge (zzgl 4 % Zinsen) für nachgenannte Perioden jeweils monatlich

für den mj L*****

von 1. 9. 2006 bis 31. 12. 2006 um 101 EUR auf insgesamt 491 EUR,

von 1. 1. 2007 bis 31. 12. 2007 um 65 EUR auf insgesamt 455 EUR,

von 1. 1. 2008 bis 31. 12. 2008 um 50 EUR auf insgesamt 440 EUR,

von 1. 1. 2009 bis 30. 11. 2009 um 141 EUR auf insgesamt 531 EUR,

von 1. 12. 2009 bis 31. 10. 2010 um 200 EUR auf insgesamt 590 EUR, und

für den mj V*****

von 1. 9. 2006 bis 31. 5. 2007 um 79 EUR auf insgesamt 389 EUR,

von 1. 6. 2007 bis 31. 12. 2007 um 145 EUR auf insgesamt 455 EUR,

von 1. 1. 2008 bis 31. 12. 2008 um 130 EUR auf insgesamt 440 EUR,

von 1. 1. 2009 bis 30. 11. 2009 um 221 EUR auf insgesamt 531 EUR,

von 1. 12. 2009 bis 31. 10. 2010 um 192 EUR auf insgesamt 502 EUR.

Darüber hinausgehende Erhöhungsmehrbegehren der Kinder wies das Erstgericht rechtskräftig ab.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge und sprach ‑ über Zulassungsvorstellung ‑ aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Mit den vom Vater geltend gemachten Aufwendungen von 70 EUR monatlich pro Kind für behauptetermaßen notwendige Ausstattung der Kinder mit Kleidung während der Kontaktrechtsausübung habe sich das Rekursgericht zwar in seiner Entscheidung auseinandergesetzt und dargelegt, aus welchen Erwägungen die vom Unterhaltsschuldner angestrebte Anrechnung als Naturalunterhaltsleistung nicht in Betracht komme. Der Vater meine jedoch, es handle sich bei den von ihm relevierten Naturalunterhaltsleistungen nicht um Besuchsrechtskosten. Insofern zeige er eine nicht irreversible Rechtsfrage auf, weshalb sich die Zulassungsvorstellung als stichhältig erweise.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters (nur) insoweit, als er die Anrechnung von 70 EUR monatlich pro Kind für von ihm nach seinen Behauptungen angeschaffte Kleidung als Naturalunterhaltsleistung begehrt und insoweit erschließbar die Abweisung der Unterhaltserhöhungsanträge anstrebt. Hilfsweise stellt der Vater auch einen Aufhebungsantrag.

Die Kinder erstatteten eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Revisionsrekurs des Vaters keine Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs des Vaters ist in dem aus dem Spruch ersichtlichen, beim mj L***** teilweise auf den niedrigeren Erhöhungsbetrag eingeschränkten Umfang in seinem Aufhebungsantrag berechtigt, weil die Vorinstanzen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Anrechnung von Naturalleistungen bei rückwirkender Unterhaltserhöhung abgewichen sind:

Rechtliche Beurteilung

Bei der Entscheidung über einen (an sich [teilweise] berechtigten) Antrag auf rückwirkende Unterhaltserhöhung sind grundsätzlich alle vom Unterhaltspflichtigen in der Vergangenheit erbrachten, die (ursprünglich titulierte Unterhaltspflicht übersteigenden) Naturalleistungen mit Unterhaltscharakter anspruchsmindernd anzurechnen (5 Ob 544/91 EFSlg 64.946; 3 Ob 526/93 mwN; 7 Ob 535/93), und zwar unabhängig von der Zustimmung des obsorgeberechtigten Elternteils (9 Ob 502/94 EFSlg 78.572; 6 Ob 2362/96p EFSlg 83.186; 6 Ob 230/01v EFSlg 99.304). Unterhaltscharakter haben vergangene Naturalleistungen in diesem Zusammenhang dann, wenn sie ohne Schenkungsabsicht, also in Alimentationsabsicht, die vermutet wird, erbracht wurden und zu einer ausgewogenen Deckung des angemessenen Lebensbedarfs des Kindes beigetragen haben (4 Ob 2084/96s EFSlg 81.574; vgl auch RIS‑Justiz RS0047334; RS0047328; Neuhauser in Schwimann , TaKom 2.01 § 231 ABGB Rz 246 mN) oder ‑ wie hier vom Vater behauptet ‑ zur Kleidungsversorgung insbesondere während der Besuchskontakte geradezu notwendig waren.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren mit den Eltern zu erörtern und in tatsächlicher Hinsicht zu klären haben, ob und in welchem Umfang der Vater in hier relevanten Zeiträumen tatsächlich Naturalleistungen durch die Anschaffung von Kleidung für die Kinder erbracht hat, inwieweit diese Anschaffungen notwendig oder zumindest sinnvoller Beitrag zur Bedarfsdeckung waren oder ob es sich allenfalls um ‑ freilich nicht zu vermutende ‑ Leistungen mit Schenkungscharakter gehandelt hat. Darauf aufbauend werden aussagekräftige Feststellungen zu treffen und auf deren Grundlage wird das restliche Erhöhungsbegehren zu beurteilen sein.

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