OGH 9Ob502/94

OGH9Ob502/9429.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier, Dr.Petrag, Dr.Bauer und Dr.Steinbauer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj.Rudolf M*****, geboren 11.Juni 1976, vertreten durch die Kindesmutter Elfriede B*****, diese vertreten durch Dr.Otto Kern und Dr.Wulf Kern, Rechtsanwälte in Wien, wider den Antragsgegner Rudolf M*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Dr.Karl Claus, Rechtsanwalt in Mistelbach, wegen Unterhalt, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 1.März 1994, GZ 5 R 431/93-33, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mistelbach vom 29. September 1993, GZ P 25/79-30, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Punkte 3 und 4 des erstgerichtlichen Beschlusses wie folgt zu lauten haben:

"3. Die bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses fällig gewordenen Beträge abzüglich nachstehender geleisteter Zahlungen und zwar von

a) monatlich S 2.000 ab 15.12.1989 und b) Naturalleistungen im Gesamtbetrag von S 53.125 sind binnen 14 Tagen, die künftig fällig werdenden Unterhaltsbeiträge jeweils am Ersten eines jeden Monats im vorhinein zu entrichten.

4. Das Mehrbegehren des Kindesvaters auf Anrechnung von weiteren Leistungen im Betrag von S 43.945 wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Vater des antragstellenden Minderjährigen war zuletzt aufgrund des pflegschaftsbehördlich genehmigten Scheidungsvergleiches vom 7.3.1979 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.000 verpflichtet. Dieser Verpflichtung ist der Vater nachgekommen. Der Antragsteller begehrt unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des Kindesvaters und seiner Bedürfnisse eine angemessene rückwirkende Erhöhung seines Unterhaltes für die Zeit vom 15.12.1989 bis 10.6.1991 auf monatlich je S 5.000 und für die Zeit ab 11.6.1991 auf monatlich je S 6.500.

Diesem Begehren trat der Kindesvater nur insoweit entgegen, als er dem rückwirkenden Unterhaltserhöhungsantrag die von ihm bisher freiwillig erbrachten Naturalleistungen im Betrag von S 403.995,42 entgegensetzte, die auf seine Unterhaltsverpflichtung einzurechnen seien.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Erhöhungsantrages und rechnete in Punkt 3a und 3b seines Beschlusses nachstehende Zahlungen auf den Unterhaltsrückstand an:

monatlich S 2.000 ab 15.12.1989 an geleistetem Unterhalt und Naturalleistungen im Gesamtbetrag von S 97.070 und zwar für Skiausrüstung 12/1989 S 8.000; Schulgeld 12/89 S 7.245; Hälftekosten Skikurs 2/90 S 3.500; Schulgeld 1/90 S 9.660; Schulgeld 2,3/90 S 9.660; Schulgeld 4/90 S 4.830; Jacke 2/91 S 4.000; Pflingstreise 4/91 S 3.000; Jacke 12/91 S 3.230; Hälfteanteil Jugendzimmer 1/92 S 17.945; Venezuelareise 2/92 S 26.000. Das Mehrbegehren wies es ab.

Bei der rückwirkenden Unterhaltserhöhung seien vom Unterhaltspflichtigen in der Vergangenheit freiwillig erbrachte Geld- und Naturalleistungen (mit Unterhaltscharakter) in Anrechnung zu bringen. Da der Unterhalt des Kindes nicht nur Nahrungs-, Bekleidungs- und Schulkosten, sondern auch Ausgaben für kulturelle, soziale und sportliche Interessen beinhalte, seien die vom Vater erbrachten Leistungen für Sportausrüstung, Schule, Bekleidung (Jacken), Reisen und für die Ausstattung des Jugendzimmers auf den Unterhaltsrückstand aufzurechnen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kindes teilweise Folge, indem es Naturalleistungen nur für Schulgeld in der Höhe von S 31.395 neben den monatlichen Geldunterhaltsleistungen zur Anrechnung brachte.

Bei Haushaltstrennung der Eltern habe das Kind Anspruch auf Geldunterhalt. Eine gemischte Unterhaltsleistung sei grundsätzlich nicht zuzusprechen. Naturalleistungen seien demgemäß nicht anrechenbar, außer der obsorgeberechtigte Elternteil stimme zu. Eine solche Zustimmung sei nicht behauptet worden, so daß von freiwilligen Leistungen des Kindesvaters auszugehen sei. Ferienkosten seien überhaupt nicht geeignet, den Unterhaltsanspruch eines Kindes zu schmälern. Demgemäß seien lediglich Schulgeldzahlungen anzurechnen.

Den Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht damit, daß es von der veröffentlichten Rechtsprechung nicht abgewichen sei.

Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die außerordentliche Revision des Antragsgegners mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes hinsichtlich des Punktes 3 b wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes zulässig, weil es auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 5 Ob 544/91 (= EFSlg 66.369) über die Anrechnung von Naturalleistungen bei rückwirkender Unterhaltserhöhung nicht Bedacht nahm, und teilweise berechtigt.

Es kann im Zweifel davon ausgegangen werden, daß ein Unterhaltsverpflichteter bei Kenntnis der ihn rückwirkend treffenden Unterhaltserhöhung die von ihm bisher freiwillig als Geschenk erbrachten und vom Unterhaltsberechtigten zustimmend angenommenen Naturalleistungen nicht getätigt hätte (EFSlg 66.369). Anders als bei laufenden Unterhaltsleistungen (EFSlg 42.652, 67.791, RZ 1990/56) sind daher bei rückwirkender Unterhaltserhöhung freiwillige Leistungen wie Geld- und Naturalleistungen anrechenbar, wenn ihnen Unterhaltscharakter zukommt und soweit sie die titulierte Verpflichtung übersteigen. Es kommt in diesem Fall daher nicht darauf an, daß die Anrechnung von Naturalleistungen auf den Geldunterhalt sonst nur aufgrund einer pflegschaftsbehördlich genehmigten Vereinbarung erfolgen könnte (EFSlg 65.027), weil die tatsächliche, später erst rückwirkend festgelegte Unterhaltserhöhung bei der Hingabe und Bemessung der freiwilligen Leistungen vom Unterhaltsschuldner nicht berücksichtigt werden konnte. Durch die Anrechnungsmöglichkeit sollen ungerechtfertigte Vorteile des Unterhaltsberechtigten vermieden werden.

Inwieweit grundsätzlich anrechenbare Leistungen bei der rückwirkenden Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei der gesamte Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten, also alle seine Unterhaltsbedürfnisse den Lebensverhältnissen entsprechend ausgewogen abgedeckt werden müssen und eine sachlich nicht gerechtfertigte Überalimentation in einem Teilbereich nicht zur Kürzung in einem anderen Teilbereich der Bedürfnisse führen darf (EFSlg 66.369, 67.766).

Die im Rekursverfahren vom Rekurswerber noch ausdrücklich als anzurechnende Naturalleistungen bezeichneten und vom Erstgericht berücksichtigten freiwilligen Leistungen: Skiausrüstung (S 8.000), halbe Skikurskosten (S 3.500), Jacken (S 7.230), Pfingstreise (S 3.000) und Venezuelareise (S 26.000) gehören als Sport-, Bekleidungs- und Freizeitaufwand grundsätzlich zum Unterhaltsbedarf des Kindes (Purtscheller/Salzmann Unterhaltsbemessung Rz 4; EFSlg 64.952), so daß ihnen Unterhaltscharakter zukommt.

Wird der die Unterhaltsbedürfnisse des Antragstellers entsprechend seinen Lebensverhältnissen abdeckende unbestrittene Unterhaltsanspruch von S 5.000 bzw 6.500 pro Monat berücksichtigt, dann sind die Leistungen des Rekurswerbers für die Venezuelareise von S 26.000 (und die im Revisionsrekurs nicht mehr relevierten Kosten für den halben Anteil am Jugendzimmer von S 17.945) bei der rückwirkenden Unterhaltsbemessung deshalb nicht zu berücksichtigen, weil damit bei den Bedürfnissen des Kindes eine sachlich nicht gerechtfertigte Überalimentation in einem Teilbereich zur Kürzung in anderen Teilbereichen der Bedürfnisse führen würde. Diese aufwendigen freiwilligen Leistungen des Rekurswerbers entsprächen wertmäßig dem Durchschnittsunterhaltsbedarf gleich alter Minderjähriger für mehrere Monate, so daß für den laufenden Unterhalt in diesem Zeitraum zwangsläufig wenig bis nichts übrig bliebe, wenn solche Ausgaben auf den Unterhalt anrechenbar wären. Da eine Ausmessung des Unterhaltes und nicht eine Errechnung stattzufinden hat, ist es daher sachgerecht, unter Bezug auf den Vortitel und die Leistungen des Rekurswerbers diese zum Gesamtunterhaltsbedürfnis des Minderjährigen in Teilbereichen überproportionalen freiwilligen Zuwendungen von der Anrechnung auszunehmen. Der Unterhaltspflichtige könnte sonst zwar kostspielige Fernreisen des Kindes finanzieren, zum Unterhalt in der übrigen Zeit aber nichts beitragen.

Aus diesen Gründen erweist sich der Revisionsrekurs als nur teilweise berechtigt.

Im außerstreitigen Unterhaltsfestsetzungsverfahren ist ein Rekurskostenersatz nicht vorgesehen (EFSlg 67.365).

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