OGH 3Ob49/14y

OGH3Ob49/14y23.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Lirk Spielbüchler Hirtzberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, Deutschland, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 78.222,90 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 11. September 2013, GZ 4 R 122/13p, 4 R 123/13k, 4 R 124/13g, 4 R 125/13d‑142, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 30. Jänner 2013, GZ 17 Cg 56/11i‑126, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E108111

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die klagende Partei, ein im Bereich der Automationstechnik agierendes österreichisches Unternehmen, hat aufgrund einer Bestellung vom 18. Mai 2006 für die in Deutschland ansässige beklagte Anlagenbauerin ein Matrixmagazin hergestellt und am 14. Dezember 2006 an eine Abnehmerin der beklagten Partei (Unternehmen C) in Deutschland geliefert. Die Aufgabe des Magazins sollte darin bestehen, im Unternehmen C eine Vielzahl unterschiedlicher Werkzeuge für spanabhebende Fertigungseinrichtungen zu bevorraten, zeitgerecht für spezielle Bearbeitungsvorgänge bereitzustellen und an die Fertigungseinrichtungen zu übergeben. Das Magazin sollte als Element in einem verketteten Maschinenverbund im mannarmen Dreischichtbetrieb rund um die Uhr eingesetzt werden.

Gegen den eingeklagten Entgeltanspruch wandte die beklagte Partei erhebliche Mängel (fehlende Stabilität des Racks, nicht den Anforderungen entsprechende Konstruktion des Werkzeugrevolvers, zu schwache Konstruktion des Werkzeuggreifers) ein, die das Matrixmagazin für den vorgesehenen Einsatz unbrauchbar machten. Die klagende Partei bestritt das Vorhandensein von Mängeln; überdies sei keine bzw eine verspätete Mängelrüge erhoben worden. Zudem habe die beklagte Partei der klagenden Partei keine Möglichkeit zur Verbesserung der behaupteten Mängel gegeben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zwar sei der beweisbelasteten beklagten Partei der Nachweis der Mangelhaftigkeit des Magazins hinsichtlich bedungener Eigenschaften nicht gelungen. Wohl aber hafte die klagende Partei gewährleistungsrechtlich dafür, dass das Magazin die für den Einsatz im schweren mannarmen Mehrschichtbetrieb gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften nicht aufweise. Die beklagte Partei sei ihrer Rügeobliegenheit gemäß § 377 UGB nachgekommen. Da eine Mängelbehebung durch die klagende Partei nicht erfolgt sei, sei die beklagte Partei zur Wandlung gemäß § 932 Abs 4 ABGB berechtigt. Der begehrte Werklohn sei nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht verneinte eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, übernahm (von einer Feststellung abgesehen) die erstgerichtlichen Feststellungen und bestätigte das vom Erstgericht erzielte rechtliche Ergebnis, dass die Werklohnforderung unberechtigt sei.

In ihrer außerordentlichen Revision bezeichnet die klagende Partei die Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch das Berufungsgericht (wegen Abweichens von den erstgerichtlichen Feststellungen ohne Beweiswiederholung) sowie das Abweichen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung in Bezug auf die Unzumutbarkeit einer Verbesserung durch die klagende Partei als erheblich.

Rechtliche Beurteilung

Damit gelingt es der klagenden Partei nicht, eine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.

1. Nach Art 4 EVÜ ist auf den vorliegenden, im Jahr 2006 abgeschlossenen Werklieferungsvertrag österreichisches Sachrecht anzuwenden. Das Geschäft ist für beide Seiten ein Handelsgeschäft, auf das nach § 907 Abs 18 UGB die Bestimmungen der §§ 377, 381 Abs 2 HGB in der Fassung vor dem HaRÄG (BGBl I 2005/120) zur Anwendung kommen.

2. Nach Ansicht der klagenden Partei hat das Berufungsgericht ohne die dafür erforderliche Beweiswiederholung die erstgerichtlichen Feststellungen dahingehend ergänzt und modifiziert, dass die Instabilität des Magazins im März 2007, nach der Inbetriebnahme im Unternehmen C, angezeigt worden sei. Außerdem gehe das Berufungsgericht ‑ wiederum in Abweichung von den erstgerichtlichen Feststellungen ‑ davon aus, dass die beklagte Partei die Behebung eines konstruktiven Mangels gefordert habe.

2.1. Allerdings ist das Berufungsgericht nicht von den erstgerichtlichen Feststellungen abgewichen, sondern hat diese ‑ in zulässiger Weise ‑ präzisiert. Aus der Fassung der hier maßgeblichen erstgerichtlichen Feststellungen kann unschwer der Schluss gezogen werden, dass sie ‑ auch wenn nicht für jeden Schritt ein Datum genannt wird ‑ entsprechend der zeitlichen Abfolge verfasst wurden.

2.2. Nach den Feststellungen des Erstgerichts (siehe Seiten 15 und 16 des Ersturteils) fand am 7. Dezember 2006 eine Vorabnahme im Werk der klagenden Partei statt, bei der insofern Probleme auftraten, als Werkzeuge aus dem Rack und aus dem Revolver herausfielen; damals wurde ein Mängelprotokoll verfasst und es wurden bis zur Auslieferung an C (am 14. Dezember 2006) Modifikationen am Magazin vorgenommen. Nach der Inbetriebnahme bei C kam es erneut zu einem Herausfallen der Werkzeuge (diese Feststellung auf S 15 unten im Ersturteil lässt die klagende Partei in ihrer Rechtsmittelschrift unbeachtet). Bei den einzelnen Racks kam es immer wieder zu Verwindungen, weshalb laufend Nachjustierungen erforderlich waren. Außerdem stellte sich heraus, dass der Revolver, der für die Aufnahme von vier Werkzeugen vorgesehen war, bei Werkzeugen ab einer bestimmten Größe nur jeweils zwei Stück aufnehmen konnte. Weiters kam es zu übermäßigen Abnützungen bei den Einlagekassetten, die zweimal gewechselt werden mussten. Die beklagte Partei gab der klagenden Partei bekannt, dass eine Instabilität des Magazins vorliege, dass es zu einem hohen Verschleiß bei den Ablagestationen komme und sich Probleme beim Revolver ergäben, da von diesem nicht vier Werkzeuge mit einem größeren Umfang auf einmal transportiert werden könnten. Es wurden dann gemeinsam mit der Firma C Verbesserungsvorschläge erörtert. Im Zuge eines Gesprächs im März 2007 erklärte der Geschäftsführer der klagenden Partei dem Geschäftsführer der beklagten Partei, nicht bereit zu sein, die Racks auf Kosten der klagenden Partei auszutauschen. Nachdem sich aus einer von der beklagten Partei in Auftrag gegebenen FE-Analyse (FE = Finite Elemente) erhebliche Verformungen des Rahmens ergaben, entschloss sich die beklagte Partei, keine weiteren Mängelbehebungen durchzuführen, sondern das Magazin insgesamt auszutauschen.

Nach den Feststellungen auf den Seiten 17 und 18 des Ersturteils war das Magazin bei C von 5. März 2007 bis 13. Oktober 2008 im Betrieb. Aufgrund der Probleme, insbesondere aufgrund des Umstands, dass die Werkzeuge herausfielen, konnte das Bearbeitungszentrum in den ersten drei Monaten nur im Einschichtbetrieb unter ständiger Beaufsichtigung eines Mitarbeiters betrieben werden.

2.3. Aus diesen verkürzt wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichts konnte vom Berufungsgericht ‑ keineswegs unvertretbar ‑ der Schluss gezogen werden, dass die beklagte Partei nach der Inbetriebnahme des Magazins bei C die dann manifest gewordenen konstruktiven Mängel gerügt hat und dass der Geschäftsführer eine Behebung abgelehnt hat (wie es im Übrigen dem Prozessstandpunkt der klagenden Partei nahe kommt, dass gar keine Mängel vorhanden gewesen seien).

3. Die Beurteilung, ob ein Vertragsrücktritt wegen Verbesserungsverzugs oder Vertrauensverlusts gerechtfertigt ist, beruht auf der einzelfallbezogenen Bewertung des jeweiligen Verhaltens der Streitteile (RIS‑Justiz RS0018722 [T5]).

3.1. Die sekundären Gewährleistungsbehelfe (Preisminderung und Wandlung) kann der Übernehmer nach § 932 Abs 4 ABGB (unter anderem) nur dann verlangen, wenn der Übergeber die Verbesserung oder den Austausch ernsthaft und endgültig verweigert.

3.2. Nach den Feststellungen war der klagenden Partei bekannt, zu welchem Zweck das Magazin verwendet werden sollte. Aufgrund der Probleme mit dem herausfallenden Werkzeug konnte die Maschine nicht wie vorgesehen eingesetzt werden; sie erfüllte die für den vorgesehenen Einsatz gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften insoweit nicht uneingeschränkt (auf die in der außerordentlichen Revision erneut aufgeworfene Frage der bedungenen Eigenschaften, nämlich in Bezug auf die Werkzeugdurchmesser und die gleichzeitige Bevorratung von vier Werkzeugen, kommt es nicht an).

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen (S 15 des Ersturteils) traten bereits bei der Vorabnahme im Werk der klagenden Partei in Graz am 7. Dezember 2006 insofern Probleme auf, als Werkzeuge aus dem Rack und aus dem Revolver herausfielen. Zu der Vorabnahme wurde ein Protokoll verfasst, in dem die Mängel und die erforderlichen Änderungen festgehalten wurden. Unter anderem wurde in dem Protokoll angeführt, dass es scheine, dass manche Racks und Revolverpositionen außerhalb der Toleranzen liegen; es sei erforderlich, nochmals die korrekten Positionen zu justieren. Weiters wurde festgehalten, dass die Racks verzogen und nicht gerade seien und es sehr schwierig sei, diese zu justieren. Noch vor der Auslieferung an die Firma C wurden am Magazin Modifikationen vorgenommen.

Wie aus den weiteren Feststellungen hervorgeht, die verkürzt unter 2.2. wiedergegeben sind, traten die bereits im Zuge der Vorabnahme gerügten Probleme der herausfallenden Werkzeuge ab der Inbetriebnahme des Magazins bei der Firma C wieder auf. Im Hinblick auf die seitens der klagenden Partei bereits vorgenommene Verbesserung, die die Mangelhaftigkeit nicht beseitigte, und die anschließende, im März 2007 ausgesprochene Weigerung, die Racks auf Kosten der klagenden Partei auszutauschen, war die beklagte Partei zum Umstieg auf einen sekundären Gewährleistungsbehelf berechtigt, sodass Feststellungen zur Frage der (Un-)Zumutbarkeit der Verbesserung ‑ etwa aus Gründen in der Person des Geschäftsführers der klagenden Partei ‑ ohne Relevanz sind.

4. Mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) ist die außerordentliche Revision der klagenden Partei zurückzuweisen.

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