OGH 15Os73/14w

OGH15Os73/14w8.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Juli 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Anscheringer als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung des Perica A***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 5. März 2014, GZ 9 Hv 9/14s‑24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Perica A***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistig-seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhte, nämlich einer paranoiden Schizophrenie

1./ „die Polizeibeamten Wolfgang G***** und Karin F***** mit Gewalt, nämlich durch Versetzen von Schlägen und Tritten gegen den Körper, heftige Drehbewegungen und wiederholte Versuche, sich aus der Festhaltung loszureißen, an einer Amtshandlung, nämlich der Feststellung seiner Identität sowie der Unterbindung der weiteren Darbietung des sogenannten Hitlergrußes und der Gefährdung der die S*****gasse befahrenden Verkehrsteilnehmer durch sein unkontrolliertes Betreten der Fahrbahn, zu hindern versuchte und

2./ die Polizeibeamten Wolfgang G***** und Karin F***** wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben durch die zu Punkt 1./ dargestellte Gewaltanwendung zu verletzen versuchte“

und somit [richtig:] eine Tat begangen hat, die ihm außerhalb dieses Zustands als Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (1./) sowie als Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB (2./) zugerechnet worden wäre.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, die ihr Ziel verfehlt.

Die Verfahrensrüge (Z 3) behauptet eine Verletzung des § 260 Abs 1 Z 1 StPO, legt aber nicht dar, weshalb die im Spruch vorgenommene Darstellung der Tatmodalitäten samt namentlicher Bezeichnung der Opfer und Nennung des Straßennamens des Vorfallsorts keine ausreichende Individualisierung bewirken sollte (RIS‑Justiz RS0117498). Die im Ausspruch gemäß § 260 Abs 1 Z 1 StPO vermisste Tatzeit, die nur in ‑ hier nicht ‑ gegebenen Fällen (etwa im Zusammenhang mit der Verjährung, dem Schutzalter oder der Identität von Anklage und Schuldspruch) eine entscheidende Tatsache darstellt, wird im Übrigen in den Entscheidungsgründen (US 3) mit 21. Juni 2013 präzisiert (RIS‑Justiz RS0116587, Lendl; WK‑StPO § 260 Rz 13 f).

Soweit die Mängelrüge eine Begründung für die Feststellung vermisst (Z 5 vierter Fall), wonach die Polizeibeamten am Vorfallstag erkennen konnten und erkannten, dass der Betroffene krankheitsbedingt verwirrt war (US 3), bezieht sie sich nicht auf eine entscheidende Tatsache (zum Begriff: Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 399), sondern kritisiert bloß auf unzulässige Weise die tatrichterliche Beweiswürdigung. Die (allenfalls in Kritik gezogene) aufgrund des persönlichen Eindrucks gewonnene tatrichterliche Einschätzung der Überzeugungskraft dieser Beweispersonen ist als kritisch‑psychologischer Vorgang einer Anfechtung mittels Nichtigkeitsbeschwerde überhaupt entzogen (RIS‑Justiz RS0106588).

Mit der isoliert herausgegriffenen Ausführung des Gerichtssachverständigen Univ.‑Prof. Dr. W***** in der Hauptverhandlung („wenn wir heute den Herrn A***** sehen und nicht informiert sind und auch nicht im Gespräch in die Tiefe gehen, kann man durchaus zum Ergebnis kommen, dass er relativ gut beieinander ist und dass keine schwere psychische Erkrankung vorliegt …“, ON 23 S 7) mussten sich die Tatrichter mit Blick auf dessen weitere Bekundungen, wonach zum Tatzeitpunkt „ohne jeden Zweifel eine paranoide Schizophrenie vorlag, die tatbestimmend war“ (ON 23 S 6), „man natürlich auch die Vorgeschichte im Auge haben muss“ und man aus Sicht des Psychiaters „natürlich schon zum Schluss kommt, dass weiterhin die paranoide Schizophrenie vorliegt“ (ON 23 S 7), deren „Symptomatik sich massiv verschlechtert hat“ (ON 23 S 8) ‑ dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend ‑ nicht explizit auseinandersetzen. Soweit die Beschwerde bloß ihrerseits aus einem „unauffälligen Verhalten des Betroffenen vor Gericht“ andere, für den eigenen Prozessstandpunkt günstigere Schlüsse fordert, stellt sie neuerlich bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung in Frage.

Dem Einwand der „Scheinbegründung“ (Z 5 vierter Fall) des Verletzungsvorsatzes (US 3, 5) zuwider ist der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf die zugrundeliegende innere Intention unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit fallaktuell nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116882, RS0098671).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

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