OGH 6Ob100/14w

OGH6Ob100/14w26.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 15. Oktober 2007 verstorbenen H***** O*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der erblasserischen Tochter Mag. C*****, vertreten durch Mag. André Zankl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. April 2014, GZ 43 R 191/14b‑272, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00100.14W.0626.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

 

Begründung:

Die Revisionsrekurswerberin ist nach der Aktenlage das einzige Kind der Erblasserin und daher sowohl aufgrund des Gesetzes als auch nach dem Inhalt der letztwilligen Verfügung der Erblasserin zur Alleinerbin berufen. Sie hat jedoch bisher noch keine Erbantrittserklärung abgegeben.

Das Erstgericht wies die Anträge der Revisionsrekurswerberin auf „gesetzmäßiges Vorgehen, auf Weisungserteilung gegenüber dem Verlassenschaftskurator sowie auf Abberufung des Verlassenschaftskurators wegen Interessenkollision“ mangels Parteistellung der Antragstellerin zurück. Eine Interessenkollision des Verlassenschaftskurators sei nicht erkennbar.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand 30.000 EUR übersteige und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin ist nicht zulässig.

1.1.  Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Grundsätze zum materiellen Parteibegriff im Sinne des § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG der bisherigen Rechtsprechung zu § 9 AußStrG aF entsprechen und daher fortzuschreiben sind (4 Ob 50/08v). Schon nach bisheriger ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0106608; RS0007926) genießen Erben erst Parteistellung, wenn sie eine Erbantrittserklärung abgegeben haben. Dies ist nunmehr in § 157 Abs 3 AußStrG ausdrücklich verankert ( Sailer in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 157 Rz 5; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 2 Rz 133 ff).

1.2.  Vor Abgabe der Erbantrittserklärung ist einem Erben nur ausnahmsweise Parteistellung und Rekurslegitimation zuzuerkennen. Dies wurde von der Rechtsprechung etwa dann bejaht, wenn der Erbe bereits aktiv sein Interesse am Erbantritt bekundet hat und das Fehlen einer förmlichen Erbantrittserklärung auf einem Fehler im Verfahren beruht (RIS‑Justiz RS0006544; G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 2 Rz 136). Diese Voraussetzung ist hier jedoch nicht erfüllt. Abgesehen von dem angeführten Ausnahmefall sind Erben, solange sie keine Erbantrittserklärung abgegeben haben, von jeder Einflussnahme auf den Gang der Verlassenschaftsabhandlung ausgeschlossen (RIS‑Justiz RS0006398).

2.  Auch in ihrer Eigenschaft als Nachlassgläubigerin sowie Zessionarin kommt der Revisionsrekurswerberin keine Rechtsmittellegitimation zu. Dies würde nämlich nach ständiger Rechtsprechung voraussetzen, dass durch die angefochtene Entscheidung in ihre rechtliche Position eingegriffen wird (RIS‑Justiz RS0006611). Ein solcher Eingriff ist grundsätzlich nur in Ansehung der Rechte nach §§ 811 f, 815 ABGB sowie dann anzunehmen, wenn in Gläubigerrechte unmittelbar eingegriffen wird. Ein derartiger Eingriff in Rechte der Revisionsrekurswerberin als Gläubigerin ist durch die dem Verlassenschaftskurator vorgeworfene Handlungsweise jedoch nicht erfolgt. Eine allfällige Reflexwirkung begründet keine Parteistellung im Verlassenschaftsverfahren (RIS‑Justiz RS0006611 [T20]).

3.  Im Übrigen können in zweiter Instanz nicht geltend gemachte Mängel des Verfahrens erster Instanz auch im Außerstreitverfahren in dritter Instanz nicht mehr aufgegriffen werden (RIS‑Justiz RS0043111 [T18, T22]). Auch ein ordnungsgemäß in zweiter Instanz geltend gemachter, vom Rekursgericht jedoch verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz kann in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0050037).

4.  Ergänzend ist schließlich darauf zu verweisen, dass die Unterlassung einer allfälligen Anzeigepflicht gemäß § 78 Abs 1 StPO schon deshalb keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens begründen kann, weil nicht ansatzweise zu erkennen ist, inwiefern eine solche Anzeigeerstattung zu einem anderen Ausgang der ‑ allein Gegenstand der Nachprüfung des Obersten Gerichtshofs bildenden ‑ Entscheidung des Rekursgerichts führen hätte können. Insoweit vermag die Revisionsrekurswerberin daher auch die Relevanz des Verfahrensmangels nicht näher darzulegen.

5.  Zusammenfassend bringt die Revisions-rekurswerberin daher keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.

Stichworte