OGH 4Ob67/14b

OGH4Ob67/14b20.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Leonhard Romig, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B. ***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Ludwig Beurle und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 40.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 27. Februar 2014, GZ 4 R 21/14h‑14, womit die einstweilige Verfügung des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 12. September 2013, GZ 55 Cg 55/13a‑9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: AT:OGH:2014:E107761

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Streitteile vertreiben unter anderem Sicherheitsvenenverweilkanülen, die nach der Verwendung in durchstichsicheren Behältern zu entsorgen sind. Die Größe und Ausgestaltung der Kanülen („Sperrigkeit“) hat daher Auswirkung auf den Entsorgungsaufwand.

Zur Sicherung des inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens verboten die Vorinstanzen der Beklagten Behauptungen, wonach bei Verwendung des Konkurrenzprodukts der Klägerin nur neun Stück in eine 0,7 l Abwurfbox passten, sich rechnerisch ein dreifacher Mehraufwand bei der Beschaffung von Abwurfboxen ergebe und sich unter Zugrundelegung eines krankenhausspezifischen Jahresbedarfs von etwa 100.000 Kanülen bei Verwendung des Produkts der Beklagten Abfallentsorgungskosten von etwa 9.000 EUR ersparen ließen und sich somit bei Verwendung des Produkts der Klägerin ein Mehraufwand von 0,09 EUR pro Stück ergebe.

Die Beklagte suggeriere mit ihrer auf Grundlage eines Warentests durchgeführten Berechnung das Bestehen einer realistischen und verlässlichen Grundlage für Rückschlüsse auf das tatsächliche Einsparungspotential bei Verwendung ihrer Kanüle. Die zentrale Werbeaussage, bei Verwendung ihrer Kanülen könne die von ihr errechnete Einsparung erreicht werden, könne jedoch wegen der beschränkten Aussagekraft des bezogenen Tests gerade nicht abgeleitet werden. Da den Interessenten keine andere objektive Grundlage für Kostenberechnungen zur Verfügung gestellt werde, seien die beanstandeten Behauptungen der Beklagten trotz Bekanntgabe, welche (kleine) Abwurfbox bei der Testreihe herangezogen worden sei, insgesamt nicht aussagekräftig und daher irreführend.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte vermag in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Für die Ermittlung des Inhalts einer Werbeaussage wie auch für die Frage, ob sie danach zur Irreführung geeignet ist, ist entscheidend, wie der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Interessent für das Produkt die Werbeaussage versteht (RIS‑Justiz RS0123292). Für die lauterkeitsrechtliche Beurteilung einer Werbeaussage, die sich an Fachkreise richtet, ist allein die Verkehrsauffassung dieser Fachkreise maßgebend (4 Ob 215/02z; RIS‑Justiz RS0043590 [T41], RS0078572 [T13]). Eine Werbeaussage ist nach ihrem Gesamteindruck zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0043590 [T49]). Ob eine Ankündigung im Einzelfall zur Irreführung geeignet ist, ist keine erhebliche Rechtsfrage, soweit nicht eine krasse Fehlbeurteilung vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RIS‑Justiz RS0053112 [T3]).

Die Beurteilung des Rekursgerichts, die in der beanstandeten Werbung angeführten Testergebnisse seien aufgrund der Verwendung nicht repräsentativer Abwurfboxen zur Entsorgung der Kanülen bei Gesamtbetrachtung zur Irreführung geeignet, ist jedenfalls vertretbar. Auch wenn die Testergebnisse vollständig und zutreffend wiedergegeben werden, ruft die dem erwähnten Test zugrunde liegende Verwendung von 0,7 l Abwurfboxen einen unzutreffenden Eindruck hervor. Die beanstandeten Werbeaussagen scheinen geeignet, den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Mitarbeiter eines Krankenhausbetreibers in die Irre zu führen. Für eine allfällige anlassbezogene erhöhte Aufmerksamkeit sind keine Anhaltspunkte erkennbar.

Wertungen und Schlussfolgerungen bauen zwar auf Tatsachen auf, sind selbst aber grundsätzlich nicht Gegenstand eines Beweisverfahrens und daher keine Tat‑, sondern revisible Rechtsfragen (4 Ob 82/11d). Die der Auffassung der Beklagten widersprechenden Schlussfolgerungen des Rekursgerichts bewirken daher keine widersprüchlichen Feststellungen in der beanstandeten Begründung. Es bildet keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung, die bloße Offenlegung der Größe der im Rahmen der Testreihe verwendeten Abwurfbox nicht als geeignet anzusehen, die bei gebotener Gesamtbetrachtung angenommene Irreführung in Ansehung des beworbenen Einsparungspotentials auszuschalten.

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