OGH 10ObS51/14v

OGH10ObS51/14v19.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhold Hohengartner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Horst Nurschinger (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S*****, Ungarn, vertreten durch MMag. Dr. Axel Reidlinger, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Dr. Romana Zeh‑Gindl, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25. Februar 2014, GZ 7 Rs 17/14t‑31, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:010OBS00051.14V.0519.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Auch wenn man davon ausgeht, dass das vom Kläger in Ungarn für die Ausbildung als Facharbeiter in der Fleischindustrie erworbene Fachprüfungszeugnis aufgrund des zwischen Österreich und Ungarn über die Gleichwertigkeit von beruflichen Prüfungszeugnissen abgeschlossenen Abkommens (BGBl 1994/849 samt Ergänzung BGBl III 1999/91) gemäß § 27a Abs 1 BAG einem österreichischen Prüfungszeugnis im Lehrberuf „Fleischverarbeitung“ (BGBl II 2000/188) gleichzuhalten ist, bliebe ein vom Kläger in diesem Lehrberuf nach § 255 Abs 1 ASVG erworbener Berufsschutz nur dann erhalten, wenn die spätere Tätigkeit in ihrer Gesamtheit noch als Ausübung des erlernten Berufs anzusehen ist. Entscheidend ist somit, ob ein Kernbereich der Ausbildung auch bei späterer Ausübung einer bloßen Teiltätigkeit des erlernten Berufs verwertet werden muss. Die Ausübung einer Teiltätigkeit, die sich qualitativ nicht hervorhebt und bloß untergeordnet ist, vermag demgegenüber einen vorher bestehenden Berufsschutz nicht aufrecht zu erhalten. Die Frage, ob bestimmte Tätigkeiten als quantitativ und qualitativ nicht ganz unbedeutend angesehen werden können und damit berufsschutzerhaltend sind, kann nur an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Dabei ist neben dem festgestellten Inhalt der Tätigkeit auch die Einschulungs‑ oder Einweisungszeit wesentlich, die ein ungelernter Arbeiter benötigt, um solche Tätigkeiten verrichten zu können (10 ObS 98/11a, SSV‑NF 25/92 mwN). In diesem Zusammenhang vertrat der Oberste Gerichtshof für den Fall, dass eine ungelernte Kraft nach einer kurzen Einschulungs‑ oder Einweisungszeit von zwei bis drei Monaten solche Tätigkeiten verrichten kann, bereits mehrfach die Auffassung, dass hier wohl nur von einer untergeordneten Teiltätigkeit des erlernten Berufs gesprochen werden könne, die bloß Kenntnisse erfordere, die über einfache Hilfsarbeiten nicht hinausgehen, und eine solche Tätigkeit daher nicht berufsschutzerhaltend sei (vgl 10 ObS 17/04d, SSV‑NF 18/20; 10 ObS 90/02m, SSV‑NF 16/79 mwN). Bei der Frage, ob bestimmte Tätigkeiten berufsschutzerhaltend sind, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die nur an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden kann (10 ObS 160/12w mwN).

Nach den maßgebenden Feststellungen der Vorinstanzen war der Kläger in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag als Hilfsarbeiter in der Fleischproduktion bei diversen Dienstgebern beschäftigt, wobei seine Tätigkeiten Ausbein‑ und Zerlegearbeiten am Fließband umfassten. Diese Feststellungen sind im Revisionsverfahren nicht mehr angreifbar. Wenn die Vorinstanzen diese Feststellungen (übereinstimmend) dahin beurteilt haben, dass der Kläger nach dem Gesamtbild seiner tatsächlich ausgeübten Tätigkeit keine berufsschutzerhaltende Tätigkeit für seinen erlernten Beruf verrichtet hat, kann darin keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden. Die vertretbare Rechtsansicht der Vorinstanzen steht auch im Einklang mit den Ausführungen des berufskundlichen Sachverständigen in der Tagsatzung am 28. 8. 2013 sowie der Angabe des (letzten) Dienstgebers des Klägers in der Auskunft (ON 15), wonach für die Ausübung der Tätigkeit des Klägers in der Fleischzerlegung eine dreimonatige Anlernzeit erforderlich sei.

Ausgehend von diesen Erwägungen hat das Berufungsgericht einen Berufsschutz des Klägers nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG in vertretbarer Weise verneint. Die vom Kläger geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor. Vom Berufungsgericht verneinte angebliche Verfahrensmängel erster Instanz können auch in Sozialrechtssachen im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (Klauser/Kodek, ZPO17 § 503 E 38 mwN).

Die außerordentliche Revision des Klägers war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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