OGH 9ObA12/14a

OGH9ObA12/14a29.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Claudia Gründel und Dr. Klaus Mayr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. B***** S*****, vertreten durch Dr. Stephan Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei H***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Forcher-Mayr & Kantner, Rechtsanwältepartnerschaft in Innsbruck und dem Nebenintervenient auf Seiten der beklagten Partei Dr. Wilfried Leys, Rechtsanwalt in Landeck als Insolvenzverwalter im Konkurs über das Vermögen der B***** GmbH, *****, wegen 17.573,93 EUR brutto abzüglich 7.216,61 EUR netto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. November 2013, GZ 13 Ra 35/13i‑26, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Arbeitgeber als Vertragspartner des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht nicht gesetzlich definiert; vielmehr ist bei der Lösung eines konkreten Falls nach der für Verträge geltenden Vertrauenstheorie zu prüfen, ob der Arbeitnehmer aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers objektiv gesehen darauf vertrauen durfte, dass der Erklärende als Vertreter eines bestimmten Arbeitgebers aufgetreten ist. Wenn mehrere Personen Arbeitgeberfunktion wahrnehmen, ist aus der Wahrnehmung von Einzelpflichten nach den Grundsätzen eines beweglichen Systems auf die mögliche Arbeitgeberstellung im Sinne des Arbeitsvertragsrechts zu schließen (RIS‑Justiz RS0014455).

Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass bei der Beurteilung, wer als Arbeitgeber anzusehen sei, im Einzelfall regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu lösen ist (9 ObA 71/11y; 9 ObA 120/13g ua). Eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Die Anmeldung zur Sozialversicherung ist für das Zustandekommen eines echten Arbeitsverhältnisses zwar nicht von konstitutiver Bedeutung, kann aber ‑ wie hier ‑ ein Indiz dafür sein (RIS‑Justiz RS0021265). Schon die beim AMS geschaltete Anzeige der B***** GmbH war darauf abgestimmt, einen Projektleiter für das von der Beklagten und der B***** GmbH zu gründende Unternehmen zu finden. Die Beklagte stand in enger Geschäftsverbindung zur B***** GmbH und erledigte für deren Bauprojekte sämtliche Holzarbeiten. Zum ursprünglich geplanten Abschluss eines Dienstvertrags mit der in R***** (OÖ) ansässigen B***** GmbH kam es gerade nicht, sondern es wurde dem Kläger ab 4. 6. 2014 ein Büro in den Firmenräumlichkeiten der Beklagten in P***** (Tirol) zur Verfügung gestellt und er wurde noch am selben Tag vom Geschäftsführer der Beklagten den Mitarbeitern der Beklagten vorgestellt. Zu diesem Zeitpunkt ging der Kläger davon aus, dass die Beklagte bis zur neuen Unternehmensgründung seine Dienstgeberin werde. Erst als der Kläger etwa Mitte Juni 2012 den Geschäftsführer der Beklagten darauf aufmerksam machte, dass die Beklagte noch nicht über seine Kontodaten verfüge und ihm daher sein Gehalt nicht überwiesen werden könne und sich der Kläger daraufhin über Aufforderung des Geschäftsführers der Beklagten an die Personalverrechnungsabteilung der Beklagten wandte, kam hervor, dass der Kläger bei der Sozialversicherung noch gar nicht angemeldet war. Wenn das Berufungsgericht die in der Folge von der Beklagten durchgeführte Anmeldung des Klägers bei der Tiroler Gebietskrankenkasse, und zwar ab 28. 6. 2012 bis zur Gründung des neuen Unternehmens als echter Dienstnehmer und für den vorhergehenden Zeitraum von 4. 6. 2012 bis 27. 6. 2012 nachträglich als freier Dienstnehmer der Beklagten, nicht als „Scheinanmeldung“, sondern als Klarstellung der tatsächlichen Verhältnisse (Vorliegen eines echten Arbeitsverhältnisses zwischen den Streitteilen) beurteilt hat, dann ist dies nicht zu beanstanden. Mag auch die B***** GmbH gewisse Funktionen ausgeübt haben, die grundsätzlich vom Arbeitgeber vorgenommen werden, so darf im vorliegenden Einzelfall nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger aufgrund einer weiteren Vereinbarung mit dem Geschäftsführer der Beklagten für seine im Zeitraum 4. 6. 2012 bis 27. 6. 2012 fallenden Leistungen der Beklagten Rechnung legen sollte. Die vom Kläger am 4. 7. 2012 gestellte „1. Teilrechnung für Projektabwicklung Leistungszeitraum Juni 2012“ für „Arbeitsleistung Pauschal“ über 2.500 EUR beglich die Beklagte noch im Juni 2012 in bar. Die „Schlussrechnung für Projektabwicklung Leistungszeitraum Juni 2012“ des Klägers vom 11. 7. 2012 über einen Gesamtbetrag von 5.208 EUR, abzüglich 2.500 EUR aus obiger Teilzahlung, restlich daher 2.708 EUR, bezahlte die Beklagte ebenfalls, wenn auch erst am 2. 8. 2012. Dass die Beklagte dem Kläger schließlich noch im August 2012 ein vom Geschäftsführer der Beklagten unterfertigtes Dienstzeugnis ausstellte, in dem sie festhielt, dass der Kläger von 28. 6. 2012 bis 26. 7. 2012 als technischer Angestellter bei der Beklagten tätig war und über Intervention durch die Arbeiterkammer sogar ein neues Dienstzeugnis übermittelte, in dem eine Tätigkeit des Klägers als Projektleiter näher beschrieben wird, ist mit dem Prozessstandpunkt der Beklagten, nicht Arbeitgeber des Klägers gewesen zu sein, unvereinbar.

2. Die Vorinstanzen haben der Erklärung des Klägers, die vom Geschäftsführer der Beklagten und jenem der B***** GmbH ausgesprochene Beendigung des Dienstverhältnisses zu akzeptieren, aufgrund der vorliegenden Umstände nicht als Zustimmung zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses beurteilt. Soweit die außerordentliche Revision diese rechtliche Qualifikation anzweifelt, berührt sie ebenfalls lediglich Fragen der Auslegung von Willenserklärungen, die regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung haben und die Erfordernisse des § 502 Abs 1 ZPO nicht erfüllen (RIS‑Justiz RS0113249, RS0112106, RS0042776, RS0044298). Von einer krassen Fehlbeurteilung, die auch bei nur für den Einzelfall bedeutsamen Fragen eine erhebliche Rechtsfrage begründen könnte, kann hier keine Rede sein, zumal der Kläger ausdrücklich sein Bedauern über die Beendigung ausdrückte.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.

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