OGH 8ObA59/13d

OGH8ObA59/13d28.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. V***** R*****, vertreten durch Mag. Matthias Prückler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17‑19, wegen 1.) 36.285,58 EUR brutto sA und 2.) Feststellung (Streitwert: 15.000 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. Mai 2013, GZ 7 Ra 47/13b‑21, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 26. Februar 2013, GZ 12 Cga 53/12v‑17, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.316,90 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 4.261,30 EUR (darin enthalten 2.593 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist seit 13. 3. 2003 als Vertragsbedienstete bei der Beklagten beschäftigt.

Zunächst war sie aufgrund eines Sondervertrags gemäß § 36 Vertragsbedienstetengesetz 1948 (VBG) vom 19. 5. 2003 im Kabinett einer Staatssekretärin vollbeschäftigt. Das Dienstverhältnis war für die Dauer dieser Verwendung befristet vereinbart.

Mit dem 1. Nachtrag zum Sondervertrag vom 17. 12. 2003 vereinbarten die Parteien einen Dienstvertrag gemäß § 4 VBG, nach dem die Klägerin ab 1. 1. 2004 „auf bestimmte Zeit bis einschließlich 31. 12. 2004“ beschäftigt war.

Mit dem 2. Nachtrag vom 17. 2. 2004 wurde der Vorrückungsstichtag der Klägerin neu festgesetzt, mit dem 3. Nachtrag vom 13. 10. 2004 eine neue Einreihung vereinbart.

Mit dem 4. Nachtrag vom 10. 11. 2004 wurde ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit vereinbart. Als Beschäftigungsausmaß wurde vereinbart:

„vollbeschäftigt, jedoch befristet bis 8. Februar 2006; im Anschluss daran teilbeschäftigt mit 20 Wochenstunden“.

Mit dem 5. Nachtrag vom 29. 11. 2005 wurde das Beschäftigungsausmaß wie folgt vereinbart:

„vollbeschäftigt, jedoch befristet bis 8. Februar 2007; im Anschluss daran teilbeschäftigt mit 20 Wochenstunden“.

Mit dem 6. Nachtrag vom 13. 12. 2006 wurde das Beschäftigungsausmaß wie folgt vereinbart:

„vollbeschäftigt, jedoch befristet für die Dauer der Karenzierung von Frau I***** S*****; im Anschluss daran teilbeschäftigt mit 20 Wochenstunden“.

Die Klägerin hatte eine „fixe“, also auf unbefristete Zeit eingeräumte Planstelle im Ausmaß von 20 Wochenstunden inne; befristet wurden ihr mit den genannten Nachträgen jeweils weitere 20 Wochenstunden eingeräumt, sodass die Klägerin also insgesamt vollzeitbeschäftigt war.

In zeitlicher Nähe zur Unterfertigung der Nachträge wurde der Klägerin mindestens einmal vom damaligen Leiter der Präsidialabteilung mitgeteilt, dass sie sich „keine Sorgen“ machen müsse, sie hätte „ihre 40 Stunden fix“. Auch der Abteilungsleiter der Personalabteilung teilte der Klägerin mehrfach mit, sie brauche sich „keine Sorgen“ zu machen, das sei „nur eine Übergangslösung“. Damit wollten beide keine Rechtsfolgen herbeiführen, sondern die Klägerin beruhigen.

Im Jahr 2009 wurde die Sektion, der die Klägerin zugeordnet ist, in ein anderes Bundesministerium eingegliedert. Der Klägerin wurde vom Abteilungsleiter und einer Amtsdirektorin mitgeteilt, „es stehe die Verlängerung der 20 Wochenstunden an, und das müsse im Dienstweg beantragt werden“. Das wäre eine „reine Formsache“ und „es passe eh alles, die Stunden sind vorhanden“. Damit wollten beide keine Rechtsfolgen auslösen, was der Klägerin bewusst war. Die Klägerin war aber über die Vorgangsweise verwundert.

Mit Schreiben vom 5. 10. 2011 teilte das nunmehr zuständige Bundesministerium der Klägerin mit, dass sie aufgrund der Rückkehr der Vertragsbediensteten S***** aus dem Karenzurlaub ab dem 5. 10. 2011 wieder in Teilzeitbeschäftigung im Ausmaß von 20 Wochenstunden (50 %) stehe. Seither wird sie entsprechend dieser Teilzeitbeschäftigung entlohnt.

Die Klägerin begehrt die Zahlung der aus ihrer nur teilweisen Beschäftigung im Vergleich zu einer Vollbeschäftigung resultierenden Entgeltdifferenz und die Feststellung, dass das Vertragsbedienstetendienstverhältnis zur Beklagten im Ausmaß einer Vollbeschäftigung unbefristet bestehe und die Beklagte auch in Zukunft verpflichtet sei, die für eine Vollbeschäftigung gebührenden Bezüge der Klägerin zu zahlen. Sie brachte vor, dass der Sondervertrag samt den Nachträgen ein unzulässiges Kettendienstverhältnis sei. In der Vereinbarung einer befristeten Vollbeschäftigung im Rahmen eines unbefristeten Dienstverhältnisses liege eine Umgehung der Regelung des § 4 Abs 4 VBG. Es liege daher ein unbefristetes Dienstverhältnis mit Vollbeschäftigung vor. Dies sei der Klägerin auch immer versprochen worden. Dieses Versprechen sei nicht eingehalten worden, sodass der geltend gemachte Anspruch auch aus dem Titel der Amtshaftung und des Schadenersatzes geltend gemacht werde. Die Beklagte habe darüber hinaus durch ihre Vorgangsweise gegen das in § 4 Abs 6 VBG nicht zur Gänze umgesetzte Diskriminierungsverbot der RL 1999/70/EG zur Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge verstoßen.

Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass der Schutzzweck des § 4 Abs 4 VBG bloß das Dienstverhältnis an sich, aber nicht das Beschäftigungsausmaß umfasse. Mit der Klägerin sei ein unbefristetes Dienstverhältnis und ein Beschäftigungsausmaß von 20 Wochenstunden vereinbart. Grund dafür sei gewesen, dass keine Vollzeitplanstelle vorhanden gewesen sei. Die mit der Klägerin im Einvernehmen vereinbarte befristete Aufstockung der Arbeitszeit auf 40 Wochenstunden ändere nichts an der ursprünglichen Vereinbarung. Nach Beendigung der Vertretungstätigkeit der Klägerin sei ihr Arbeitszeitausmaß wieder vertragskonform auf 20 Wochenstunden reduziert worden. Eine Vollbeschäftigung sei der Klägerin nicht zugesagt worden, sodass für einen Schadenersatzanspruch keine Grundlage bestehe. Die Klägerin sei nicht diskriminiert worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Während § 4 Abs 4 VBG nur den Bestandschutz des Dienstverhältnisses an sich im Auge habe, ziele § 4 Abs 2 Z 6 VBG, nach dem der Dienstvertrag Bestimmungen über das Ausmaß der Beschäftigung zu enthalten habe, darauf ab, dass der Vertragsbedienstete stets abschätzbar Kenntnis darüber haben muss, ob er in Voll‑ oder Teilbeschäftigung tätig sei. Dies sei hier der Fall gewesen: Die Klägerin habe stets gewusst, dass das Dienstverhältnis zur Beklagten zwar unbefristet, die Tätigkeit in Vollbeschäftigung aber befristet vereinbart war, dies zuletzt mit der Rückkehr einer anderen Vertragsbediensteten. Das Ausmaß ihrer Beschäftigung sei ihr daher immer klar gewesen. Diese vertragliche Gestaltung sei zulässig. Die Besoldung der Klägerin im Ausmaß von 20 Wochenstunden entspreche daher dem Vertrag, der dem Gesetz nicht widerstreite. Eine Zusicherung, dass die Klägerin weiterhin als Vollbeschäftigte tätig sein könne, wurde ihr nicht erteilt. Der Klägerin stehe auch kein Schadenersatzanspruch zu. Sämtliche Personen, die der Klägerin gegenüber die von ihr ins Treffen geführten Erklärungen abgegeben haben, seien dabei nicht im Namen des Bundesministers aufgetreten. Diese Erklärungen hätten daher die Beklagte nicht verpflichten können. Auch habe den Erklärenden der rechtsgeschäftliche Bindungswille gefehlt, was die Klägerin auch erkannt habe. Dass die Klägerin nur befristet, andere Bedienstete aber unbefristet eingestellt worden seien, bewirke keine Diskriminierung der Klägerin im Rechtssinn.

Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Berufungsgericht dieses Urteil über Berufung der Klägerin auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurück. Zwar könne die Klägerin keinen Schadenersatzanspruch geltend machen. Die Vertragsgestaltung der Streitteile widerspreche aber dem VBG, insbesondere dessen § 4 Abs 2 Z 6. Für das „Splitting“ des Vertragsverhältnisses in einen befristeten und einen unbefristeten Teil fehle eine Rechtsgrundlage. Der Abschluss eines Dienstvertrags auf unbestimmte Zeit mit zwischen Teilbeschäftigung und Vollbeschäftigung variablem Beschäftigungsausmaß sei nicht möglich; es müsse entweder Vollbeschäftigung oder Teilbeschäftigung vorgesehen werden. Für die Klägerin sei nicht abschätzbar gewesen, ob sie in Voll‑ oder Teilbeschäftigung tätig sei. Die gewählte Vertragskonstruktion ermögliche es der Beklagten, nach jedem Arbeitsjahr das tatsächlich bestehende und „befristet“ vereinbarte Beschäftigungsausmaß einseitig herabzusetzen. Eine Rechtfertigung der Befristung der vereinbarten Vollbeschäftigung ergebe sich auch nicht aus § 4a VBG. Gemäß § 4a Abs 4 VBG sei eine Aufeinanderfolge von befristeten Dienstverhältnissen zu Vertretungszwecken nur im Ausmaß von insgesamt fünf Jahren möglich. Diese Frist sei aber zum Zeitpunkt der Reduzierung der Vollbeschäftigung am 5. 10. 2011 bereits abgelaufen gewesen, sodass ein Ausschluss des § 4 Abs 4 VBG nicht auf § 4a Abs 2 Z 1 VBG gestützt werden könne. Eine sofortige Abänderung der Entscheidung sei nicht möglich, weil die Beklagte die Höhe des Klagebegehrens substantiiert bestritten habe, entsprechende Feststellungen fehlten und allenfalls eine Erörterung im Sinn des § 4a VBG nötig sei.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zur Frage, ob der Schutz des § 4 Abs 4 VBG auch dann zur Anwendung komme, wenn ein ursprünglich befristetes Vollbeschäftigungsverhältnis hinsichtlich eines Teils der Arbeitsstunden mehrmals befristet werde, Rechtsprechung fehle.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluss richtet sich der von der Klägerin beantwortete Rekurs der Beklagten.

Der Rekurs ist zulässig und auch berechtigt.

1. Auf § 4 Abs 4 VBG kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. Nach dieser Bestimmung kann ein Dienstverhältnis, das auf bestimmte Zeit eingegangen wurde, auf bestimmte Zeit einmal verlängert werden. Wird das Dienstverhältnis darüber hinaus fortgesetzt, so wird es von da ab so angesehen, wie wenn es von Anfang an auf unbestimmte Zeit eingegangen worden wäre.

Diese Bestimmung, die den Abschluss von Kettenverträgen und die damit verbundene Umgehung von Schutzbestimmungen zugunsten des Vertragsbediensteten verhindern soll, betrifft nach ihrem klaren Wortlaut die Zulässigkeit wiederholter Befristungen bzw die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Dienstverhältnis als auf unbestimmte Zeit eingegangen zu gelten hat. Mit dem Ausmaß der Beschäftigung des Vertragsbediensteten im befristeten oder unbefristeten Dienstverhältnis hat diese Norm hingegen nichts zu tun.

Da hier ohnedies völlig unstrittig ist, dass das Dienstverhältnis der Klägerin unbefristet ist, ist § 4 Abs 4 VBG für die hier zu treffende Entscheidung ohne jede Bedeutung.

Nichts anderes gilt für § 4a Abs 4 VBG, der ebenfalls nur die Frage betrifft, ab wann im Falle der Anneinanderreihung zu Vertretungszwecken befristeter Dienstverhältnisse das zuletzt eingegangene Dienstverhältnis als unbefristet gilt. Auch diese Bestimmung hat mit dem Beschäftigungsausmaß im unbefristeten Dienstverhältnis nichts zu tun.

2. Das Beschäftigungsausmaß betrifft hingegen der vom Berufungsgericht ins Treffen geführte § 4 Abs 2 Z 6 (früher § 4 Abs 2 lit e) VBG. Danach hat der Dienstvertrag Bestimmungen darüber zu enthalten, „in welchem Ausmaß der Vertragsbedienstete beschäftigt wird (Vollbeschäftigung oder Teilbeschäftigung)“. Daraus wurde der Schluss gezogen, dass der Abschluss eines Dienstvertrags auf unbestimmte Zeit mit zwischen Teilbeschäftigung und Vollbeschäftigung variablem Beschäftigungsausmaß unzulässig ist, weil der Vertrag nach dieser zwingenden Bestimmung entweder Vollbeschäftigung oder Teilbeschäftigung vorsehen muss. Die Vereinbarung eines beliebigen Beschäftigungsausmaßes, die dem Dienstgeber die jederzeitige einseitige Änderung des Beschäftigungsausmaßes ermöglicht, ist daher nicht zulässig (9 ObA 509/89; 9 ObA 282/98f = RIS‑Justiz RS0081653).

3. Das Erstgericht hat aber richtig erkannt, dass die hier gewählte Vertragsgestaltung dem § 4 Abs 2 Z 6 VBG nicht widerspricht. Dem Dienstgeber wurde hier nicht die Möglichkeit eingeräumt, das Beschäftigungsausmaß der Klägerin jederzeit einseitig zu ändern. Der Klägerin war an jedem Tag des Dienstverhältnisses das Ausmaß ihrer Beschäftigung völlig klar. Es bestand auch kein Zweifel daran, dass ihr Dienstverhältnis grundsätzlich ‑ der zur Verfügung stehenden Planstelle entsprechend ‑ auf eine Teilbeschäftigung ausgerichtet war. In den einzelnen Nachträgen, die die Klägerin im Bewusstsein ihrer Bedeutung unterschrieben hat, wurden ihr lediglich ‑ allerdings jeweils befristet ‑ weitere 20 Wochenstunden zuerkannt, wobei immer klar war, dass sie (ohne Unterfertigung eines weiteren Vertrags) nach Ablauf des jeweils vereinbarten Zeitraums bzw nach Ende der Karenz ihrer Arbeitskollegin wieder mit 20 Wochenstunden teilbeschäftigt sein sollte.

Dieser Vertragsgestaltung steht das Gesetz nicht entgegen. Missbräuchliches Verhalten des Dienstgebers, das allenfalls eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, wurde hier weder konkret behauptet noch ist derartiges nach den Feststellungen anzunehmen.

Der Standpunkt der Klägerin, sie sei in Wahrheit vollbeschäftigt, ist daher nicht berechtigt.

4. Der Klägerin steht auch kein Schadenersatzanspruch zu. Den Ausführungen des Erstgerichts, wonach die von ihr ins Treffen geführten Erklärungen verschiedener Vorgesetzter nicht auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet waren und wonach der Klägerin dies auch bewusst war, ist sie in ihrer Berufung nicht entgegengetreten. Damit fehlt es ihrem Vorbringen, dem auch nicht zu entnehmen ist, worin das rechtswidrige Verhalten der Erklärenden bzw des Dienstgebers gelegen sein soll, an einer rechtfertigenden Grundlage.

5. Die Ausführungen des Erstgerichts, mit denen dieses eine Diskriminierung der Klägerin verneint hat, hat sie ebenfalls in ihrer Berufung nicht mehr bekämpft.

6. In Stattgebung des Rekurses ist daher das die Klagebegehren abweisende Ersturteil wiederherzustellen.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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