OGH 4Ob36/14v

OGH4Ob36/14v23.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Markenrechtssache der Anmelderin S*****, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Schutzerstreckung der Internationalen Marke Nr 979087 auf Österreich, über den Revisionsrekurs der Anmelderin gegen den Beschluss der Rechtsmittelabteilung des Österreichischen Patentamts vom 15. Oktober 2013, GZ Bm 29/2010‑3, mit welchem die Beschwerde gegen den Beschluss der Rechtsabteilung Internationales Markenwesen des Österreichischen Patentamts vom 24. Juni 2010, GZ IR 1048/2009‑4, abgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00036.14V.0423.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Die Anmelderin ist Berechtigte der am 14. 8. 2008 beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum in Genf hinterlegten Wortbildmarke IR 979087 mit folgendem Aussehen:

 

Die Anmelderin begehrte beim Österreichischen Patentamt die Schutzerstreckung ihrer Marke auf Österreich zuletzt für folgendes (stark verkürztes) Warenverzeichnis: Klasse 21 (Waren aus Glas, nämlich Flaschen, Töpfe, Gefäße und Flakons, sofern nicht aus Edelmetallen); Klasse 40 (Verarbeitung von Materialien, nämlich Glasfärben).

Die Rechtsabteilung des Österreichischen Patentamts verweigerte mit Beschluss vom 24. 6. 2010 die Schutzerstreckung auf Österreich. Unter Hinweis auf § 4 Abs 1 Z 3 MSchG und die Amtsschreiben vom 9. 6. 2009, 4. 2. 2010 und 20. 4. 2010 vertrat die Rechtsabteilung die Auffassung, die beteiligten Verkehrskreise, die die dem englischen Grundvokabular angehörenden Begriffe „selective“ als „ausgewählt“ und „line“ als „Sortiment“ verstünden, erblickten im Zeichen nur die werbliche Anpreisung eines beliebigen Anbieters, nämlich den Hinweis darauf, dass die so bezeichneten Waren und Dienstleistungen einem ausgewählten Sortiment angehörten, nicht jedoch als Herkunftshinweis. Daran ändere auch die grafische Gestaltung nichts, werde der Schrägstrich als werbeübliches grafisches Element doch als Trennung oder Teilung von zwei Elementen wahrgenommen und verstärke damit die eigenständige Wahrnehmung der Wörter „selective“ und „line“. Damit fehle dem Zeichen sowohl grafisch als auch in seinem Wortteil die Unterscheidungskraft.

Die Rechtsmittelabteilung des Österreichischen Patentamts wies die Beschwerde der Anmelderin gegen diese Entscheidung ab. Von der Registrierung ausgeschlossen seien Zeichen ohne Unterscheidungskraft. Solches treffe auf Zeichen zu, die nicht (auch) als Herkunftsangabe aufgefasst würden. Im Fall eines Werbeslogans sei zu prüfen, ob er Bestandteile enthalte, die über seine offenkundige Werbeaussage hinaus die maßgebenden Verkehrskreise in die Lage versetze, sich den Ausdruck als unterscheidungskräftige Marke für die bezeichneten Waren einzuprägen. Die englischen Worte in der Marke der Anmelderin seien im Inland geläufig und würden als „ausgewählte Linie bzw. Reihe“ verstanden. Das Zeichen werde in seinem Wortteil somit allein als werblicher Hinweis eines beliebigen Anbieters verstanden, der über ein ausgewähltes Sortiment verfüge, das sich von Massenware abhebe, nicht hingegen (auch) als individualisierender Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen. Die grafische Gestaltung der Marke gehe über Übliches in Schriftart und Beschriftungsform nicht hinaus, begründe somit ebenfalls keinen betrieblichen Herkunftshinweis und bewirke keine Unterscheidungskraft.

Der Beschluss wurde der Anmelderin am 18. 12. 2013 zugestellt. Sie brachte durch ihre rechtsanwaltlichen Vertreter am 3. 2. 2014 beim Oberlandesgericht Wien einen Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof ein. Darin beantragt sie, ihre Marke IR 979087 auch in Österreich zum Schutz zuzulassen. Das Oberlandesgericht Wien legte das Rechtsmittel dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Revisionsrekurs ist zulässig: Nach Auflösung des Obersten Patent‑ und Markensenats mit Inkrafttreten der Patent- und Markenrechts‑Novelle 2014 am 1. 1. 2014 ist nun zur Entscheidung im Rechtsmittelverfahren gegen Entscheidungen der Rechtsmittelabteilung des Patentamts, die vor dem 31. 12. 2013 gefasst worden sind, der Oberste Gerichtshof zuständig (§ 176b Abs 5 PatG 1970).

2. Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

2.1. Die Anmelderin macht geltend, die Rechtsmittelabteilung des Patentamts habe der Marke zu Unrecht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen. Es genüge, dass sie vom Publikum zumindest neben ihrer Eigenschaft als bloße Werbemitteilung auch als Herkunftshinweis verstanden werde. Solches sei hier der Fall; der von den Vorinstanzen abgeleitete mögliche Sinngehalt des Wortbestandteils werde nicht ohne weitere Überlegungen und interpretative Zwischenschritte erkannt, sondern es bedürfe dazu einiger gedanklicher Operationen. Damit unterscheide sich die Marke von werbeüblichen Anpreisungen. Die Kürze und Prägnanz des Wortbestandteils spreche für seine Unterscheidungskraft. Die Vorinstanzen hätten auch den gediegenen, eleganten Gesamteindruck der Grafik verkannt, die auf das Wesentliche reduziert sei; solches stehe ihrer Unterscheidungskraft nicht entgegen. Diese Ausführungen überzeugen nicht.

2.2. Von der Registrierung als Marke sind Zeichen ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben (§ 4 Abs 1 Z 3 MSchG).

2.3. Eine Marke ist unterscheidungskräftig iSd § 4 Abs 1 Z 3 MSchG, wenn sie geeignet ist, die Ware oder Dienstleistung, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware oder Dienstleistung somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Nur unter dieser Bedingung kann eine Marke ihre Hauptfunktion als betrieblicher Herkunftshinweis erfüllen (EuGH Rs C 108/97 ‑ Chiemsee Rn 46; EuGH Rs C 39/97 ‑ Canon Rn 154; 4 Ob 38/06a ‑ Shopping City; 4 Ob 89/06a - Gmundner Keramik; RIS‑Justiz RS0118396; vgl auch RS0079038 [T3]).

2.4. Die Beurteilung, ob das Eintragungshindernis fehlender Unterscheidungskraft vorliegt, erfolgt anhand der konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen, für die das Zeichen angemeldet wurde (Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 4 Rn 57). Die Eignung zur Erfüllung der Herkunftsfunktion muss nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Branchenüblichkeit geprüft werden (Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz10 § 8 Rn 96; 4 Ob 10/14w).

2.5. Abzustellen ist auf die Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise, also auf den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher dieser Waren und Dienstleistungen (Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 4 Rn 67 mit Nachweisen zur Rsp des VwGH und des EuGH in FN 113; Eisenführ in Eisenführ/Schennen, GMV4 Art 7 Rn 67; vgl auch RIS‑Justiz RS0079038 [T1]).

3.1. Für Werbeslogans gelten die gleichen Grundsätze wie für andere Mehrwortzeichen (EuGH C‑398/08 P ‑ Vorsprung durch Technik Rn 35).

3.2. Ihre Schutzfähigkeit ist als bloß beschreibend nur dann zu verneinen, wenn der Satz oder Satzteil nur eine Aussage über die Ware oder Dienstleistung selbst enthält, die sie beschreibt (EuGH Rs 517/99 ‑ Bravo Rn 40; vgl Rs C‑64/02 ‑ Das Prinzip der Bequemlichkeit Rn 31 ff; 17 Ob 15/07s ‑ we will rock you; RIS‑Justiz RS0122385).

3.3. Entscheidend ist, ob der Verkehr aus dem Slogan zumindest gleichzeitig auch einen Herkunftshinweis entnimmt (EuGH C‑398/08 P ‑ Vorsprung durch Technik Rn 45).

3.4. Unterscheidungskraft fehlt neben beschreibenden Slogans vor allem üblichen Anpreisungen (Ingerl/Rohnke, MarkenG³ § 8 Rn 144). Werbemäßige Anpreisungen sind als Marke nicht schützbar (Koppensteiner, Markenrecht4 84 mwN).

3.5. Diese Regeln gelten auch für Worte, die dem Grundwortschatz bekannter Fremdsprachen, namentlich des Englischen angehören (Koppensteiner, Markenrecht4 84 mit Beispielen in FN 184).

4.1. Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, haben die Vorinstanzen zutreffend eine Schutzerstreckung der Marke auf Österreich abgelehnt.

4.2. Die Wortbildmarke der Anmelderin ist nicht kennzeichnungskräftig, weil nach der im Eintragungsverfahren gebotenen Prognose zu erwarten ist, dass sie vom Publikum ‑ das insoweit über ausreichende Englischkenntnisse verfügt ‑ in ihrem (im Vordergrund stehenden) Wortteil ohne weitere Überlegungen und gedankliche Zwischenschritte ausschließlich als werbemäßig übliche Anpreisung eines „ausgewählten Sortiments“ eines beliebigen Anbieters, nicht hingegen als markenmäßiger Hinweis auf die betriebliche Herkunft der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen verstanden wird.

4.3. An diesem zu erwartenden Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise ändert auch der grafische Anteil der Wortbildmarke nichts: Mag dieser auch gediegen und elegant sein, bestimmt er doch den Gesamteindruck der Marke nicht entscheidend mit, da er sich in der Verwendung gängiger Buchstaben, gängiger grafischer Elemente und unauffälliger Farben erschöpft und damit gegenüber dem Wortbestandteil der Marke völlig in den Hintergrund tritt. Auf diese Weise vermag die Grafik keine eigenständige Unterscheidungskraft zu bewirken.

5. Der angefochtene Beschluss ist deshalb zu bestätigen und der Marke IR 979087 in Österreich kein Schutz zuzuerkennen.

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