OGH 11Os20/14x

OGH11Os20/14x8.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. April 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Mag. Fürnkranz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fellner als Schriftführer, in der Strafsache des Privatanklägers Dr. Johannes P***** gegen Brigitte M***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB, AZ 18 U 61/13m des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien, über die von der Generalprokuratur gegen einen Beschluss in diesem Verfahren erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, und der Vertreterin des Privatanklägers, Dr. Unger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht vom 4. Dezember 2013, AZ 132 Bl 225/13m, verletzt § 89 Abs 2b zweiter Satz (iVm Abs 2a) StPO sowie § 381 Abs 1 Z 8 StPO.

Der Beschluss wird aufgehoben und der ihm zu Grunde liegenden Beschwerde des Privatanklägers nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

In der Strafsache des Privatanklägers Dr. Johannes P*****, AZ 18 U 61/13m des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien, wurde die Angeklagte Brigitte M***** mit ‑ unangefochten in Rechtskraft erwachsenem ‑ Urteil vom 24. Juli 2013 des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB schuldig erkannt und dafür zu einer (zum Teil bedingt nachgesehenen) Geldstrafe sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt (ON 6).

Mit Beschluss vom 25. Oktober 2013 (ON 12) wies das Bezirksgericht ‑ soweit hier von Bedeutung ‑ zu Punkt 2./ den Antrag des als Rechtsanwalt in eigener Sache tätigen Privatanklägers auf Ersatz der Kosten seiner Vertretung nach „§ 393 StPO“ ab.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Beschwerde des Privatanklägers (ON 13) gab das Landesgericht für Strafsachen Wien als Beschwerdegericht mit Beschluss vom 4. Dezember 2013, AZ 132 Bl 225/13m, Folge, kassierte den Beschluss und trug dem Erstgericht insoweit die neue Entscheidung auf.

Zur Begründung führte das Beschwerdegericht unter anderem Folgendes aus:

„Gemäß § 361 ‑ ersichtlich gemeint: § 381 ‑ Abs 1 Z 8 StPO umfassen die Kosten des Strafverfahrens, die von der zum Kostenersatz verpflichteten Partei zu ersetzen sind, auch die Kosten der Verteidiger und anderer Vertreter. Gemäß § 1 Abs 2 RATG gelten die Vorschriften dieses Bundesgesetzes, soweit nichts anderes bestimmt wird, sowohl im Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und der von ihm vertretenen Partei als auch bei der Bestimmung der Kosten, die der Gegner zu ersetzen hat, und zwar auch dann, wenn dem Rechtsanwalt in eigener Sache Kosten vom Gegner zu ersetzen sind.

Die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach ein Rechtsanwalt in einem Strafverfahren nur dann den Ersatz der Kosten seiner Vertretung begehren kann, wenn er sich von einem Anwaltskollegen hat vertreten lassen, findet daher im Gesetz keine Deckung“ (ON 18 S 3).

Der genannte Beschluss steht ‑ wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt ‑ mit dem Gesetz seinerseits nicht im Einklang.

1./ Gemäß § 89 Abs 2b zweiter Satz StPO hat das Rechtsmittelgericht, wenn ‑ wie hier ‑ kein Ausnahmefall des § 89 Abs 2a StPO vorliegt, stets in der Sache selbst zu entscheiden (Fabrizy, StPO11 § 89 Rz 3; RIS‑Justiz RS0123977). Eine Aufhebung des Beschlusses zur Anwendung der vom Beschwerdegericht vertretenen Rechtsauffassung sieht § 89 Abs 2b zweiter Satz (iVm Abs 2a) StPO nicht vor (vgl 15 Os 15/11m).

2./ Einem Rechtsanwalt, der in eigener Sache als Privatankläger tätig ist, stehen keine Vertretungskosten zu. Gemäß § 381 Abs 1 Z 8 StPO hat die zum Kostenersatz verpflichtete Partei auch die Kosten der Verteidiger und anderer Vertreter zu ersetzen. Darunter sind nur die Kosten eines tatsächlich in Anspruch genommenen Vertreters zu verstehen, nicht aber die Entschädigung, die eine rechtskundige Partei für ihre eigene Betätigung im Verfahren in Anspruch nimmt. Dafür spricht auch der ausdrückliche Wortlaut des § 73 StPO, wonach ein Vertreter Haftungsbeteiligten, Opfern, Privatbeteiligten, Privatanklägern und Subsidiaranklägern unterstützend zur Seite steht. § 1 Abs 2 erster Satz zweiter Halbsatz RATG trifft zur Frage, wann einem Rechtsanwalt in eigener Sache vom Gegner Kosten zu ersetzen sind, keine Aussage (vgl dazu 15 Os 75/11k, 15 Os 76/11g; Lendl, WK‑StPO § 393 Rz 28; Fabrizy, StPO11 § 393 Rz 5).

Da der Beschluss des Beschwerdegerichts der Verurteilten zum Nachteil gereicht, sah sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 292 letzter Satz StPO zur spruchgemäßen Entscheidung veranlasst.

Im Gegensatz zu 15 Os 75/11k sind dem Privatankläger hier noch keine unter dem Aspekt des Art 1 des 1. ZPMRK beachtliche Rechte erwachsen, weshalb die Feststellung mit konkreter Wirkung zu versehen war.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte