OGH 11Os31/14i

OGH11Os31/14i8.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. April 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Mag. Fürnkranz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fellner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mihaly G***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 3, 130 zweiter, dritter und vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Szabolcs N***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 12. Dezember 2013, GZ 16 Hv 132/13d‑160, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Szabolcs N***** wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil im den Angeklagten Mihaly G***** betreffenden Verfallserkenntnis aufgehoben und das Verfahren insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten N***** werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Diesem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Angeklagten Mihaly G***** sowie eine diesen betreffende „Einziehung“ eines Betrags von 6.000 Euro „gemäß § 20 Abs 1 StGB“ (der Sache nach ein Verfallserkenntnis) enthält, wurde Szabolcs N***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 3, 130 zweiter, dritter und vierter Fall StGB (I./2), des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II./2) und des Vergehens der Annahme, Weitergabe oder des Besitzes falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden nach § 224a StGB (III.) schuldig erkannt.

Danach hat er (soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung)

I./2 als Mitglied einer kriminellen Vereinigung bestehend aus Mihaly G*****, Zsolt S*****, Szabolcs N***** und unbekannt gebliebenen Tätern unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Mihaly G***** als Mittäter (§ 12 StGB) am 14. Juli 2013 in Wien Josef B***** fremde bewegliche Sachen, nämlich einen PKW VW Golf Typ V mit dem behördlichen Kennzeichen ***** im Wert von 8.000 Euro sowie mehrere CDs mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Einbrüchen und schweren Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, durch Einbruch weggenommen, indem sie in das genannte Fahrzeug mit einem nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug, nämlich einem sogenannten „Picker“ samt Drehstück eindrangen, sonstige Sperrvorrichtungen, nämlich das Zündschloss durch Verwendung eines sogenannten „Polenschlüssels“ samt Ratsche aufbrachen und die elektronische Wegfahrsperre mit einem OBD‑Tool außer Betrieb nahmen;

II./2 im Zuge des zu I./2 genannten Diebstahls Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich die dort genannten Kennzeichentafeln, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich der aufrechten Zulassung des Fahrzeugs, gebraucht werden;

III. am 15. Juli 2013 in S***** eine falsche besonders geschützte Urkunde, nämlich einen gemäß § 1 Abs 4 FSG inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellten nachgemachten slowakischen Führerschein, mit dem Vorsatz besessen, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, nämlich seiner Berechtigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen, gebraucht werde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von Szabolcs N***** erhobene, auf Z 3, 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Der eine Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit kritisierenden Verfahrensrüge (Z 3 iVm § 252 Abs 1 StPO) ist hinsichtlich der im Abschlussbericht der SOKO Kfz des Landeskriminalamts Burgenland referierten Angaben der eingesetzten verdeckten Ermittler schon deshalb der Boden entzogen, weil laut dem ‑ unbeanstandeten ‑ Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 159 S 20) mit „ausdrücklicher Zustimmung sämtlicher Parteien“ unter Verzicht auf wörtliche Verlesungen der gesamte Akteninhalt vorgetragen wurde, sodass deren bloß mittelbares Vorkommen in der Hauptverhandlung vom Einverständnis des Beschwerdeführers (§ 252 Abs 2a StPO iVm § 252 Abs 1 Z 4 StPO) gedeckt war (RIS‑Justiz RS0127712). Aus demselben Grund kann auch die zuvor erfolgte ‑ von beiden Angeklagten im Übrigen unwidersprochen hingenommene (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 363, 365) ‑ Umgehung der Bestimmung des § 252 Abs 1 StPO (Z 3 iVm § 252 Abs 4 StPO) durch Vernehmung der ermittelnden Polizeibeamten R***** und W***** als Zeugen vom Hörensagen (auch) zum Inhalt dieser Berichte der verdeckten Ermittler nicht mit Erfolg geltend gemacht werden (vgl RIS-Justiz RS0118778 [T3]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 236).

Die für die Frage der Tatbegehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung erheblichen Angaben des Mitangeklagten G***** zu dessen „Verurteilungen in Ungarn“ wurden dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider im Urteil ebenso berücksichtigt (US 8 erster Absatz) wie dessen die Verantwortung des Beschwerdeführers (er habe den Erstangeklagten ohne Wissen um dessen Tatplan bloß nach Wien chauffiert) stützenden Angaben (US 8 erster und zweiter Absatz sowie US 10 zweiter und dritter Absatz). Dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend waren die Tatrichter hingegen nicht gehalten, die zur Beteiligung von Mittätern als Schutzbehauptungen verworfenen Angaben dieses Angeklagten in all ihren Details gesondert zu erörtern.

Die Annahme einer aktiven und vorsätzlichen Beteiligung auch des Rechtsmittelwerbers an der zu I./2 inkriminierten Tat (US 6 f iVm US 5) aufgrund der Ergebnisse der verdeckten Ermittlungen, der Teilnahme des Genannten an Treffen mit den Polizeiinformanten (auch bei der geplanten Übergabe des gestohlenen Fahrzeugs; US 6), seiner Verbindung zu dem einschlägig verurteilten Zoltan Na*****, der Art der Tatbegehung und des Auffindens von CDs aus dem gestohlenen PKW in seiner Tasche (US 8 ff) ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ebensowenig zu beanstanden wie die Ableitung einer vorsätzlichen Urkundenunterdrückung durch beide Angeklagte (II./2; US 7) aus dem Umstand des Diebstahls der Fahrzeuge samt Kennzeichentafeln, den Erklärungen des Erstangeklagten zur Vorgangsweise sowie ‑ zur subjektiven Tatseite ‑ aus dem objektiven Tatgeschehen und der allgemeinen Lebenserfahrung (US 11; vgl ON 159 S 8 f).

Angesichts des im Erkenntnisverfahren erklärten Einverständnisses (§ 252 Abs 1 Z 4 und Abs 2a StPO) geht auch die Kritik (Z 5 vierter Fall) an der Verwertung der ‑ dem Vorbringen zuwider gerade durch deren Vortrag in der Hauptverhandlung vorgekommenen ‑ Berichte der verdeckten Ermittler zu I./2 und II./2 ins Leere (vgl § 258 Abs 1 StPO; RIS‑Justiz RS0111533).

Von einer durch bloß „pauschalen“ Verweis auf das Beweisverfahren unzureichenden Begründung zu III. (Z 5 vierter Fall) kann angesichts der vom Beschwerdeführer übergangenen ausführlichen Erwägungen der Tatrichter zur Verwerfung der Verantwortung des Zweitangeklagten, er habe von der Fälschung des über einen Bekannten bezogenen slowakischen Führerscheins nichts gewusst und diesen auch nicht „bewusst verwendet“, nicht die Rede sein (US 11).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 584), denen hinreichend erkennbar zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit Mihaly G***** in das Fahrzeug des Josef B***** eingedrungen ist, das Zündschloss aufgebrochen, die Wegfahrsperre außer Betrieb genommen und das Fahrzeug mitsamt den Kennzeichentafeln weggenommen hat (US 5 f und 12). Aus den weiteren Konstatierungen, wonach sich die Angeklagten mit zumindest einer weiteren Person zusammengeschlossen haben, „um für einen längeren Zeitraum im bewussten und gewollten Zusammenwirken arbeitsteilig durch Einbruch Autos in der Regel im Wert von noch mehr als € 3.000,-- der Marke Volkswagen auftragsgemäß zu stehlen und […] zu verkaufen“ (US 6 f), und wonach der Beschwerdeführer „im bewussten und gewollten Zusammenwirken“ als Mitglied einer kriminellen Vereinigung mit dem Angeklagten Mihaly G***** als weiterem Mitglied dieser Vereinigung einen PKW im Wert von 8.000 Euro und CDs „mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von Einbrüchen und schweren Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen“ (US 6), ergibt sich auch mit hinreichender Deutlichkeit der Wille der Tatrichter, die erforderlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu treffen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19 und 571 ff; RIS‑Justiz RS0117228).

Aufgrund dieser ‑ die Annahme von Mittäterschaft der Angeklagten tragenden ‑ Feststellungen kommt der geforderten Zuordnung konkret spezifischer Tathandlungen in Bezug auf den Mittäter keine entscheidende Bedeutung zu (RIS‑Justiz RS0089835 [T3]). Mit Blick auf die rechtliche Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen sind auch die vom Beschwerdeführer angestellten Erwägungen zum allfälligen Vorliegen (bloß) eines Tatbeitrags nach § 12 dritter Fall StGB ohne Relevanz für den Schuldspruch oder die Subsumtion (RIS‑Justiz RS0013731, RS0117604).

Die gegen die rechtliche Unterstellung (auch) unter § 130 zweiter, dritter und vierter Fall StGB gerichtete Subsumtionsrüge zu I./2 (Z 10) lässt die dazu getroffenen ‑ auch das zeitliche Moment einer kriminellen Vereinigung (vgl RIS-Justiz RS0125232) umfassenden -Feststellungen (US 6 f) außer Acht und beschränkt sich darauf, den von den Tatrichtern aus den Ergebnissen der verdeckten Ermittlungen, den Angaben der Zeugen R***** und W*****, der Verbindung des Beschwerdeführers zu Zoltan Na***** sowie aus dem Umstand, dass er über einen gefälschten slowakischen Personalausweis verfügte, abgeleiteten Schlussfolgerungen (US 8 ff) für sich günstigere Annahmen gegenüberzustellen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Szabolcs N***** war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung ‑ bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über dessen Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Aus Anlass dieser Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof von nicht geltend gemachter ‑ von der Generalprokuratur zutreffend aufgezeigter ‑ Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) hinsichtlich des den Angeklagten Mihaly G***** betreffenden Verfallserkenntnisses („Einziehung“ von 6.000 Euro „gemäß § 20 Abs 1 StGB“; US 3), weil dem Urteil ‑ mangels Feststellungen zu einem Diebstahl von Bargeld in dieser Höhe oder der Lukrierung eines entsprechenden Lohnes für die Tatbegehung (vgl Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 20 Rz 12 und 20; Fabrizy, StGB11 § 20 Rz 2) ‑ keinerlei Entscheidungsgrundlagen zu dieser vermögensrechtlichen Anordnung zu entnehmen sind (RIS‑Justiz RS0114233). Da sich das vom Erstangeklagten in der Hauptverhandlung erklärte Einverständnis zur „Einziehung“ sichtlich nur auf das bei ihm sichergestellte Bargeld (1.000 Forint) bezieht (ON 159 S 21 oben: „Dass das eingezogen wird, verstehe ich aber“), ist auch ein Nachteil iSd § 290 Abs 1 StPO gegeben (RIS‑Justiz RS0088201). Sollten mit der Maßnahme allenfalls ein Ersatzwert (§ 20 Abs 2 StGB; Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 20 Rz 32 f; Fabrizy, StGB11 § 20 Rz 3) oder ein Verfallswertersatz (§ 20 Abs 3 StGB; Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 20 Rz 36 ff; Fabrizy, StGB11 § 20 Rz 4) angesprochen sein, wären im zweiten Rechtsgang im Fall einer neuerlichen vermögensrechtlichen Anordnung jedenfalls nachvollziehbare Feststellungen in Bezug auf die Höhe des von der Maßnahme betroffenen Geldbetrags zu treffen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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