Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde Jürgen N***** mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er von September 2006 bis April 2010 in D***** und an anderen Orten mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schwerem Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, neun im Ersturteil namentlich genannte Personen (zu A Rita S*****) durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vorgabe einer Beteiligung an zukünftigen Erträgen der I***** OEG (A/1), weitere Gelder für die Realisierung eines „Spanien-Projektes“ zu benötigen (A/2, D/3 und 5, G), einer Hilfestellung bei einer Kreditaufnahme (B), risikoloser Veranlagungen (C und F) und einer Finanzierung der Umschuldung (H), jeweils unter Verschweigung seiner Spiel- und Alkoholsucht zu Handlungen, nämlich der Übergabe von Bargeld (A/1 und 2/c, D/3 und 5, G), der Einräumung von Vollmachten (A/2/a und b, G) oder einer Zeichnungsberechtigung (C) und der Unterfertigung von Blankobelegen zur ‑ von ihm sodann durchgeführten ‑ Behebung von Geldbeträgen von Giro- oder Kreditkonten (B, F, H) verleitet, wodurch diesen ein Schaden von insgesamt 784.641,90 Euro und 36.700 CHF entstand.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.
Die Kritik (Z 4) an der Missachtung des schriftlichen Antrags vom 3. April 2013 (ON 30), ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten zum Nachweis einzuholen, dass sich der Angeklagte im Tatzeitraum „in einem die Zurechnungsfähigkeit und Schuld ausschließenden Zustand befunden hat“, scheitert schon am Fehlen einer entsprechenden Antragstellung in der Hauptverhandlung. Der Vortrag des Vorsitzenden gemäß § 252 Abs 2a StPO (ON 52 AS 21) vermag daran nichts zu ändern (RIS-Justiz RS0099099 [insb T3, T5, T7], RS0099178, RS0099511).
Im Übrigen kann Spielsucht zwar in Ausnahmefällen Zurechnungsunfähigkeit bewirken, doch setzt eine entsprechende Beweisaufnahme voraus, dass - unter Anführung dafür sprechender tatsächlicher Umstände - eine Diskretions- und/oder Dispositionsunfähigkeit aufgrund einer Spielsucht von Krankheitswert behauptet wird oder dass Verfahrensergebnisse eine solche indizieren (RIS-Justiz RS0097641 [T23]). Derartige geeignete Umstände enthält auch der schriftliche Antrag nicht, sodass dieser ohnedies auf unzulässige Erkundungsbeweisführung abzielte.
Die den Schuldspruch A betreffende Behauptung (Z 5 zweiter Fall) fehlender Gründe dafür, dass das Erstgericht der schriftlichen „Erklärung“ der Rita S***** (ON 52 S 3, Beilage ./B) „nur wenig“ Glauben schenkte, obwohl dieses im „krassen Widerspruch“ zu deren Aussage vor der Polizei steht, übergeht nicht nur die entsprechende Erörterung in den Entscheidungsgründen (US 15 f) sondern verfehlt auch den ‑ nicht in der Annahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen sowie deren Begründung gelegenen ‑ Bezugspunkt des beanspruchten Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 431 f).
Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).
Mit dem neuerlichen Hinweis auf die Angaben der Rita S***** und eine von ihr unterfertigte Erklärung werden erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch A zugrunde liegenden entscheidenden Feststellungen nicht aufgezeigt.
Soweit die Rüge moniert, das „Gericht wäre auf jeden Fall verpflichtet gewesen, die Zeugin Rita S***** amtswegig zu laden“, legt sie nicht dar, wodurch der Angeklagte an seinem diesbezüglichen Antragsrecht gehindert war und daher hätte belehrt werden müssen (§ 3 StPO), um so die Ermittlung der Wahrheit zu fördern (RIS-Justiz RS0114036). Im Übrigen haben der Verteidiger und der Staatsanwalt erklärt, mit der Verlesung der Aussage der genannten Zeugin einverstanden zu sein (ON 52 AS 15).
Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraus-setzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann. Von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend ist zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder Z 10 gerügten Fehlers klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz (§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO) hätte abgeleitet werden sollen (RIS‑Justiz RS0099810 [T31]).
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) „Feststellungen entsprechend“ der schriftlichen Erklärung Rita S***** einfordert, übergeht sie bloß die tatrichterlichen Konstatierungen zum Schuldspruch A, wonach der Angeklagte die Genannte durch Vorspiegelung unrichtiger Behauptungen in einen Irrtum führte (US 5 ff), und verfehlt solcherart den oben dargelegten Bezugspunkt.
Bleibt anzumerken, dass die rechtliche Subsumtion der von den Schuldsprüchen A/2/a und b sowie G (Herauslocken von Vollmachten), C (Herauslocken einer Zeichnungsberechtigung) und B, F und H (Herauslocken von „Blankobelegen“) umfassten Taten als Betrug - bei wie hier bereits vorsätzlichem Erschleichen der jeweiligen Dispositionsbefugnis (US 12 iVm US 20) ‑ entgegen verschiedentlich vertretener Ansicht (Kert, SbgK § 146 Rz 170, 266 f mwN; Lewisch, BT I 227) nicht zu beanstanden ist (Kirchbacher in WK2-StGB § 146 Rz 157, § 153 Rz 51 f mwN; EvBl 1996/113; RIS-Justiz RS0123004; 11 Os 66/11g; zur Schweizer Rechtslage etwa: Arzt, Basler Kommentar II3 Art 146 Rz 156 f).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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