Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Amir B***** und Latifa M***** jeweils mehrerer (vgl aber RIS‑Justiz RS0120828) Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 12 dritter Fall, 206 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB (I), Erstgenannter darüber hinaus des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und Abs 2 StGB (II) schuldig erkannt.
Danach haben in G*****
(I) Amir B***** und Latifa M***** zwischen 14. August 2011 und 28. Februar 2012 dadurch dazu beigetragen, dass ihr am 2. Juli 1994 geborener, infolge Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) nicht weiter verfolgter Sohn Edwin B***** im gleichen Zeitraum (mehrfach) mit der am 28. April 1998 geborenen Behija H***** den Beischlaf unternahm, wobei „die Tat“ eine Schwangerschaft der Unmündigen zur Folge hatte, dass sie in Bosnien und G***** eine Verlobungsfeier zwischen den Genannten organisierten, Behija H***** nach Österreich in ihr Haus mitnahmen und dort beiden ein gemeinsames Schlafzimmer mit Ehebett zur Verfügung stellten;
(II) Amir B***** am 15. Dezember 2012 (richtig: 15. Februar 2012, US 6) zwei iPhones im Wert von etwa 1.200 Euro, die ein anderer durch (Einbruchs-)Diebstahl erlangt hatte, gekauft.
Rechtliche Beurteilung
Die ausschließlich gegen den Schuldspruch (I) gerichteten, aus dem Grund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten sind nicht im Recht.
Indem die Rechtsrügen (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 9 lit b) auf Basis allgemeiner Überlegungen zu ‑ Geschlechtsverkehr mit unmündigen Personen „mit entsprechender sexueller Reife“ erlaubenden ‑ „Regeln und Traditionen“ der Volksgruppe der Roma einwenden, die Beschwerdeführer seien einem nicht vorwerfbaren Rechtsirrtum (§ 9 StGB) erlegen, erschöpfen sie sich in einer (substratlosen) Bestreitung der gegenteiligen ‑ unter ausführlicher Erörterung der entsprechenden Verantwortung der Angeklagten mängelfrei begründeten (US 11 f) ‑ Urteilsfeststellungen (US 6) und verfehlen solcherart den gerade darin gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581; vgl im Übrigen zur Vorwerfbarkeit eines ‑ aktuell vom Erstgericht verneinten ‑ diesbezüglichen Verbotsirrtums: RIS‑Justiz RS0089443; Philipp in WK² StGB § 206 Rz 22 mwN; Fabrizy, StGB11 § 206 Rz 7 und § 9 Rz 7a).
Entsprechendes gilt für die unter Hinweis auf einzelne (im Urteil ohnehin umfassend gewürdigte; US 4, 10 f) Verfahrensergebnisse und ‑ eigenständig interpretierte ‑ beweiswürdigende Erwägungen des Erstgerichts (US 7) aufgestellte Behauptung eines Tatbildirrtums, durch die das Vorliegen des dem Tatbestand entsprechenden Vorsatzes bestritten wird (Höpfel in WK² StGB § 9 Rz 7; Steininger SbgK § 5 Rz 25 und § 9 Rz 39), wogegen die Tatrichter vorsätzliches Handeln ausdrücklich feststellten (US 6).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
Bleibt anzumerken, dass sich der Oberste Gerichtshof zu amtswegiger Wahrnehmung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) der in der rechtlich verfehlten Annahme mehrerer nach Abs 3 zweiter Fall qualifizierter Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (vgl dazu Philipp in WK² § 206 Rz 31 iVm § 201 Rz 30 f und RIS-Justiz RS0120828; vgl auch 14 Os 172/11t [verst Senat]) gelegenen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) nicht veranlasst sieht, weil unrichtige Subsumtion die Angeklagten nicht ohne weiteres im Sinn des § 290 StPO konkret benachteiligt (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 ff), das Erstgericht bei der Strafbemessung nur „die mehrmalige Tatverwirklichung zu Punkt 1“ sowie (bei Amir B*****) das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend wertete (US 15) und das Oberlandesgericht diesen Umstand aufgrund dieser Klarstellung ‑ ohne Bindung an die verfehlte rechtliche Unterstellung - bei der Entscheidung über die von den Angeklagten gegen den Sanktionsausspruch erhobenen Berufungen zu berücksichtigen hat (RIS‑Justiz RS0118870).
Gleichfalls ohne Nachteil für den Angeklagten Amir B***** blieb die ‑ ohne Feststellungen erfolgte ‑ verfehlte rechtliche Unterstellung der vom Schuldspruch (II). umfassten Tat auch unter Abs 1 anstelle richtig nur unter Abs 2 zweiter Fall des § 164 StGB (RIS‑Justiz RS0095389; Kirchbacher in WK² StGB § 164 Rz 17; Fabrizy StGB11 § 164 Rz 4).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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