OGH 1Ob38/14s

OGH1Ob38/14s27.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

 Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Aschmann & Pfandl Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH, Graz, Herrengasse 28, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der G***** GmbH, vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Marwin Gschöpf und Dr. Herbert Gschöpf, Rechtsanwälte in Velden am Wörthersee, wegen 886.033,31 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 9. Jänner 2014, GZ 4 R 239/13y‑176, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 21. Oktober 2013, GZ 8 Cg 109/13z‑162, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00038.14S.0327.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Auslegung von Prozesserklärungen ist stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig und begründet somit regelmäßig keine im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage (zu Vorbringen zur Verjährungsunterbrechung s nur 6 Ob 234/04m, 2 Ob 143/10h). Eine grobe Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit korrigiert werden müsste, ist dem Berufungsgericht in seiner Beurteilung, die klagende Partei habe schon in ihrer Klage ausreichend deutlich gemacht, dass den von ihr erhobenen Ansprüchen (auch) ein Mangel des Leistungsgegenstands zugrundeliegt, aus dem (Gewährleistungs‑)Ansprüche abgeleitet werden, nicht unterlaufen (vgl nur RIS‑Justiz RS0042828).

Die Klägerin hat in ihrer Klage insbesondere vorgebracht, sie habe die Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 20. 2./11. 3. 2003 von der Beklagten (damals Drittbeklagten) erworben, Mitte September 2003 sei eine (erhebliche) Bodenkontamination entdeckt worden und sie habe für die Sanierung mehr als 775.000 EUR aufwenden müssen. Auch wenn sie wiederholt von einem ihr entstandenen Schaden sprach und das Begehren ‑ mit weitergehender Argumentation ‑ ersichtlich auch auf schadenersatzrechtliche Grundlagen stützen wollte, erscheint die Beurteilung unbedenklich, sie habe schon in der Klage ausreichende Tatsachen vorgebracht (vgl nur RIS‑Justiz RS0037551), aus denen sich ein gewährleistungsrechtlich relevanter Tatbestand ergibt. Im Übrigen hat die Beklagte schon in ihrer Klagebeantwortung umgehend mit der Replik reagiert, im Kaufvertrag wäre ein Gewährleistungsausschluss vereinbart worden, was den Schluss nahe legt, dass sogar die Beklagte selbst der Auffassung war, die Klägerin wolle ‑ zumindest auch ‑ Gewährleistungsansprüche erheben. Die Frage, inwieweit ein Gewährleistungsberechtigter gehalten ist, seine Absicht, ein Gestaltungsrecht auszuüben, deutlich zu machen, stellt sich im vorliegenden Fall nicht, liegt dem Klagebegehren doch nicht ein Gestaltungsrecht (Preisminderung, Wandlung) zugrunde, sondern macht die klagende Partei ersichtlich im Rahmen eines Verbesserungsanspruchs den Ersatz der Verbesserungskosten geltend.

2. Zur Frage der Wirksamkeit bzw der Reichweite der vertraglichen Vereinbarung über eine Beschränkung der Gewährleistungsrechte der Käuferin hat das Berufungsgericht ‑ unter Verweis auf seinen Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang ‑ die Auffassung vertreten, insbesondere der Umstand, dass die Parteien vor Vertragsabschluss ein geotechnisches Gutachten einholen ließen, beweise, dass dieser Frage eine essentielle Bedeutung zuerkannt worden sei; daraus könne nicht geschlossen werden, dass die Käuferin auf einen derartigen Mangel (Ölkontaminierung) [gemeint: auf dessen Geltendmachung] Verzicht getan hätte. Auch wenn sich ein umfassend abgegebener Gewährleistungsverzicht grundsätzlich auch auf geheime Mängel beziehe, seien Verzichtserklärungen grundsätzlich restriktiv auszulegen. Der im Kaufvertrag erklärte Gewährleistungsverzicht erstrecke sich nicht auf die hier gegenständliche (verborgene) Kontamination, die auch durch den eingeholten geotechnischen Befund nicht aufgedeckt habe werden können.

Darin kann eine krasse Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof zu korrigieren wäre, nicht gesehen werden, zumal die Auslegung von Willenserklärungen stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig ist (s nur RIS‑Justiz RS0042936), weshalb sich eine im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage regelmäßig nicht stellt. Es trifft auch zu, dass Verzichtserklärungen im Zweifel restriktiv auszulegen sind (RIS‑Justiz RS0018561).

Dass die Frage einer allfälligen Verunreinigung der Liegenschaft für die Käuferin maßgebende Bedeutung hatte und diese erhebliche Kontaminationen nicht hinnehmen wollte, ergibt sich schon aus der entsprechenden Vertragsklausel, in der die Vertragsparteien unter Hinweis auf die durchgeführten Probeschürfe ihre übereinstimmende ‑ allerdings unrichtige ‑ Auffassung festhalten, es sei damit der „Nachweis der Freiheit von relevanten Kontaminierungen erbracht“. Gingen die Vertragsparteien nun beide davon aus, dass relevante Kontaminierungen nicht vorhanden sind, kann es keinesfalls als erhebliche Fehlbeurteilung angesehen werden, wenn das Berufungsgericht die Klausel über die Gewährleistungsbeschränkung („Die Verkäuferin leistet der Käuferin weder Gewähr für ein bestimmtes Ausmaß, eine bestimmte Beschaffenheit, den Zustand der Liegenschaft oder eine bestimmte Verwendungsfähigkeit.“) dahin ausgelegt hat, dass davon die gewährleistungsrechtliche Haftung für „relevante“ ‑ und damit erheblich wertbestimmende ‑ Kontaminierungen nicht erfasst sein soll, sind doch beide Vertragsparteien davon ausgegangen, dass sich diese Problematik ohnehin nicht stellen könne.

Die gegenteilige Auffassung der Beklagten würde bedeuten, dass sie von vornherein ein Glücksgeschäft beabsichtigt hat, bei dem nur die Käuferin verlieren kann, wurde doch ein marktüblicher Preis (für eine altlastenfreie Liegenschaft) vereinbart. Für einen in diese Richtung gehenden übereinstimmenden Vertragswillen zeigt die Revisionswerberin aber keine Anhaltspunkte auf. Bei der vom Berufungsgericht vorgenommenen Vertragsauslegung kommt es letztlich auch nicht mehr darauf an, ob man eine Vereinbarung als im Sinne des § 879 Abs 1 ABGB sittenwidrig qualifizieren würde, die dazu führte, dass ein Käufer bei einem ‑ für eine mangelhafte Liegenschaft angemessenen ‑ Kaufpreis von rund 1,33 Mio EUR einen Betrag von rund 800.000 EUR aufwenden müsste, um die im Vertrag übereinstimmend angenommene Brauchbarkeit herzustellen, wogegen die Verkäuferin ohne weitere Verpflichtung den gesamten Kaufpreis behalten dürfte.

3. Einer weiteren Begründung bedarf es gemäß § 510 Abs 3 ZPO nicht, zumal in der Revision weitere Fragen nicht angesprochen werden. Die Revisionswerberin stellt auf der Basis der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts über das Bestehen von Gewährleistungsansprüchen den Anspruch der klagenden Partei auf Verbesserung bzw den Ersatz der Verbesserungskosten weder dem Grunde noch der Höhe nach in Frage und geht auch mit keinem Wort auf das Feststellungsbegehren ein.

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