OGH 8Ob13/14s

OGH8Ob13/14s24.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Mag. C***** S*****, und 2) B***** S*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Karl Wilfinger, Rechtsanwalt in Bad Aussee, gegen die beklagte Partei Österreichische Bundesforste AG, 3002 Purkersdorf, Pummergasse 10-12, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17‑19, und die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1) Mag. M***** A*****, und 2) S***** A*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Christian Branczik und Mag. Clemens Zehentleitner, Rechtsanwälte in Bad Aussee, wegen Feststellung und Einverleibung einer Dienstbarkeit, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 4. November 2013, GZ 1 R 103/13h‑22, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Irdning vom 28. Dezember 2012, GZ 4 C 507/12m‑15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0080OB00013.14S.0324.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 342,36 EUR sowie den Nebenintervenienten die mit 429,41 EUR (darin enthalten 71,57 EUR USt) bestimmten Kosten der jeweiligen Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Kläger sind Hälfteeigentümer eines Grundstücks in A*****, das im Süden teilweise an ein im Miteigentum der Nebenintervenienten stehendes Grundstück angrenzt. Im nordöstlichen Bereich des Grundstücks der Kläger befindet sich eine dreieckige Grundstücksfläche, die zu einer im Eigentum der Beklagten stehenden Wegfläche gehört. Der beschriebene Grundstücksteil ist geschottert und weist eine Breite ab rund 1,5 m auf. In diesem Bereich befindet sich ein im Eigentum der Nebenintervenienten stehendes Stallgebäude sowie eine Holzhütte. Auf dem Grundstück der Kläger befindet sich noch ein Holzstadel. Die einzige Möglichkeit, um auf das Grundstück der Kläger zu gelangen, besteht in einer Benützung der strittigen Grundfläche. Das Grundstück der Kläger gehörte früher zu einer größeren Liegenschaft. Vor der Grundstücksteilung war der Zugang zum späteren Grundstück der Kläger auch von Süden her möglich. Ab Ende der 1970‑er Jahre wurde das Haus auf dem Grundstück der Kläger zu Wohnzwecken benützt. Seit Errichtung dieses Hauses wurde zu diesem immer wieder über die strittige Grundstücksfläche zugegangen. Seit Ende der 1960‑er Jahre wurde diese Fläche von den Rechtsvorgängern der Kläger und deren Verwandten und Bekannten (bis zum Eigentumserwerb durch die Kläger im Jahr 2009, ab 2001 nur zum Be‑ und Entladen größerer Fahrnisse) mehr oder weniger fallweise als Parkplatz benützt. Auch die Voreigentümer des Grundstücks der Nebenintervenienten und deren Verwandte und Bekannte benützten die strittige Fläche als Parkplatz; sie verwendeten diesen Grundstücksteil zudem als kurzfristigen Holzlagerplatz. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Klägern und den Nebenintervenienten fand im April 2012 (auch) im Gemeindeamt A***** ein Gespräch statt; eine Einigung konnte dabei nicht erzielt werden.

Die Kläger begehrten die Feststellung, dass zugunsten ihres Grundstücks die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über den strittigen dreieckigen Grundstücksteil bestehe; zudem begehrten sie, die Beklagten zur Einwilligung in die Einverleibung dieser Dienstbarkeit zu verurteilen. Der strittige Grundstücksteil bilde seit jeher den Zugang und die Zufahrt zu ihrem Grundstück. Zeitweilig hätten ihre Voreigentümer die fragliche Fläche auch als Holz‑ und Kohlelagerplatz sowie gelegentlich auch als Parkplatz benützt. Infolge gutgläubiger und wiederkehrender Nutzung der strittigen Fläche als Zugang und Zufahrt über weit mehr als 30 Jahre sei die begehrte Dienstbarkeit ersessen worden.

Die Beklagte entgegnete, dass das Haus der Kläger erst seit etwa 10 Jahren zu einem Wohnhaus ausgebaut worden sei. Früher sei die Fläche von den Voreigentümern der Nebenintervenienten als Parkplatz und als Zufahrt benützt worden. Die Kläger bzw deren Rechtsvorgänger hätten daher keine Dienstbarkeit ersessen. Außerdem sei im April 2012 eine Einigung zwischen den Klägern und den Nebenintervenienten erzielt worden, weshalb es den Klägern am Rechtsschutzinteresse fehle.

Die Nebenintervenienten brachten vor, dass die jeweiligen Eigentümer des Grundstücks der Kläger über die strittige Grundstücksfläche weder zu deren Haus zugegangen noch zugefahren seien. Vielmehr seien Zugang und Zufahrt von Süden her erfolgt. In Wirklichkeit sei die Grundstücksfläche seit mehr als 40 Jahren von ihren Voreigentümern als Zugang und Zufahrt sowie als Parkplatz und im Bedarfsfall auch als Holzlagerplatz verwendet worden. Von einer kontinuierlichen, redlichen und gutgläubigen Besitzausübung der Kläger könne keine Rede sein. Überdies würde die Ersitzungszeit 40 Jahre betragen. Eine Zufahrt zur Liegenschaft der Kläger über das strittige Grundstück mit Fahrzeugen aller Art sei schließlich faktisch gar nicht möglich, weil dazu der Parkplatz fehle.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich der Dienstbarkeit des Gehens über den strittigen dreieckigen Grundstücksteil statt, wies das Klagebegehren hinsichtlich der Dienstbarkeit des Fahrens über diesen Grundstücksteil hingegen ab. Da seit der Errichtung des Hauses auf dem Grundstück der Kläger ein Zugang auch über die strittige Grundfläche erfolgt sei, könne vom Ablauf der 40‑jährigen Ersitzungszeit ausgegangen werden. Auch die übrigen Ersitzungsvoraussetzungen seien erfüllt. Demgegenüber lasse sich ein Zufahrtsrecht im Sinn eines Überquerens der strittigen Grundstücksfläche weder aus den getroffenen Feststellungen noch aus den örtlichen Gegebenheiten ableiten. Auf der in Rede stehenden Fläche seien Fahrzeuge überhaupt nur geparkt worden. Ein Zufahrtsrecht und ein Parkrecht würden sich schon begrifflich unterscheiden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Ein Zufahren zur Liegenschaft der Kläger im Sinn des Klagebegehrens habe nach den Feststellungen niemals stattgefunden. Vielmehr sei die in Rede stehende Fläche stets nur als Parkplatz benützt worden. Da die außerbücherliche Ersitzung einer Dienstbarkeit des Fahrens die redliche und echte Ausübung des entsprechenden Rechtsbesitzes im eigenen Namen durch mindestens 30, im konkreten Fall mindestens 40 Jahre, voraussetze, habe das Erstgericht das Klagebegehren hinsichtlich der Dienstbarkeit des Fahrens zu Recht abgewiesen. Das allfällige Recht, auf eine bestimmte Fläche zu fahren und dort zu parken, berechtige nicht auch zum Überqueren dieser Fläche. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil nach der Rechtsprechung ein Fahrrecht noch nicht zum Parken berechtige, zur umgekehrten Konstellation höchstgerichtliche Rechtsprechung aber fehle.

Gegen die Abweisung des Klagebegehrens hinsichtlich der Dienstbarkeit des Fahrens richtet sich die Revision der Kläger, die auf eine gänzliche Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihren Revisionsbeantwortungen beantragen sowohl die Beklagte als auch die Nebenintervenienten, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision erweist sich als nicht zulässig.

1. Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber die Revision ausführen und eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen (8 Ob 19/12w).

2. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt ‑ wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat ‑ nicht vor.

Bei einem angeblichen Verstoß gegen die Erörterungspflicht handelt es sich um einen Verfahrensmangel, den das Berufungsgericht im Anlassfall verneint hat. Derartige (behauptete) Mängel können in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963). Davon abgesehen sind die Kläger darauf hinzuweisen, dass zu einem Begehren (laut Revision Zufahren bis zur Parkposition), das ein gar nicht geltend gemachtes Recht (Dienstbarkeit des Parkens) voraussetzen würde, eine Erörterung nicht stattfinden muss.

3.1 Die Kläger führen in der Revision aus, dass ein Zufahren bis auf ihr Grundstück im Sinn eines gänzlichen Überquerens der strittigen Grundstücksfläche und ebenso eine Dienstbarkeit des Parkens auf dem strittigen Grundstücksteil nicht Gegenstand der Klage sei. Dazu weisen sie darauf hin, dass ein Parkrecht (gleichartige) Fahrrechte anderer Berechtigter einschränken würde. Mit der von den Vorinstanzen augenscheinlich angenommenen Dienstbarkeit des Parkens sei aber unabdingbar das Fahren bis zur Parkposition verbunden.

Mit diesen Überlegungen sprechen die Kläger keine erhebliche Rechtsfrage an.

3.2 In der Klage haben die Kläger vorgebracht, dass der beanspruchte Grundstücksteil seit jeher einen Zugang und eine Zufahrt zu ihrem Grundstück bilde. Seit über mehr als 30 Jahren benützten die (Vor‑)Eigentümer ihres Grundstücks die strittige Fläche als Zugang und Zufahrt zu ihrem Haus, zeitweilig auch als Holz‑ und Kohlelagerplatz, gelegentlich auch als Parkplatz. Ihre Rechtsvorgänger hätten längst die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über die strittige Fläche zu ihrem Grundstück ersessen.

Anlässlich seiner Parteieneinvernahme erklärte der Erstkläger, dass nach dem Auszug der Voreigentümerin er und seine Gattin immer über das strittige Grundstück zugegangen bzw zugefahren seien. Ab dem Zeitpunkt des Eigentumserwerbs sei er sowohl über das strittige Grundstück als auch südlich davon zugegangen.

3.3 Die Kläger haben in ihrem Vorbringen stets die Ausdrücke „Zugang und Zufahrt“ verwendet. Aus ihrem erklärenden weiteren Vorbringen ‑ und ebenso aus der Aussage des Erstklägers ‑ ergibt sich, was sie unter diesen Begriffen verstanden haben. Danach besteht kein Zweifel, dass die Kläger das Gehen und Fahren über den strittigen Grundstücksteil in Anspruch nehmen, um auf ihr Grundstück zugehen (Gehrecht) bzw zufahren (Zufahrtsrecht) zu können. Wenn die Vorinstanzen die im Klagebegehren beanspruchte „Dienstbarkeit des Fahrens über den strittigen dreieckigen Grundstücksteil“, also das beanspruchte Zufahrtsrecht, im Sinn eines Überquerens des Grundstücksteils interpretieren, ist dies nicht zu beanstanden.

Die nunmehrige Behauptung in der Revision, dass nicht das Fahren (mit einem zweispurigen Fahrzeug) über den Grundstücksteil zu ihrem Grundstück, sondern nur ein Fahren auf das Grundstück der Beklagten (bis zur Parkposition) Klagsgegenstand sei, stellt somit nur einen Versuch dar, dem Klagebegehren doch noch einen vermeintlich erfolgversprechenden Sinn zu geben.

4. In der Begründung des Zulässigkeitsausspruchs führt das Berufungsgericht aus, dass nach der Rechtsprechung ein Fahrrecht noch nicht zum Parken berechtige (vgl RIS‑Justiz RS0011782). Zur umgekehrten Konstellation, nämlich zur Frage, ob das Recht zum Parken das Recht des Fahrwegs (nicht nur bis zum Parkplatz, sondern über die gesamte Fläche) mitumfasse, liege jedoch keine höchstgerichtliche Judikatur vor.

Diese vom Berufungsgericht als erheblich qualifizierte Frage stellt sich schon deshalb nicht, weil die Kläger kein „Parkrecht“ in Anspruch nehmen. Schon gar nicht beziehen sie sich im Zusammenhang mit einem „Parkrecht“ auf ein daraus abgeleitetes Recht auf das Überqueren der gesamten Parkliegenschaft. Vielmehr argumentieren sie in der Revision, dass die Vorinstanzen augenscheinlich von einer Dienstbarkeit des Parkens zu ihren Gunsten ausgegangen seien und mit dieser Dienstbarkeit unabdingbar das Fahren bis zur Parkposition verbunden sei.

Mangels Geltendmachung eines dinglichen Parkrechts bleiben die Ausführungen der Kläger ohne rechtliche Bedeutung.

5.1 Auch bei konfessorischen Feststellungsbegehren (und Unterlassungsbegehren) in Bezug auf Dienstbarkeiten lässt die neuere Rechtsprechung einen Teilzuspruch (Minderzuspruch bzw Minus) zu, was jedenfalls für den Fall der Einschränkung einer Dienstbarkeit durch eine Freiheitsersitzung gilt (4 Ob 93/13z; vgl auch RIS‑Justiz RS0037485). Eine solche Einschränkung kann sich auf die räumliche Ausdehnung, auf den sachlichen Umfang (zB Gehrecht statt Fahrrecht; Befahren mit landwirtschaftlichen Fuhrwerken statt mit Fahrzeugen aller Art) oder auf den Zeitraum der Ausübung beziehen. Vorausgesetzt ist jedoch, dass das Minus im geltend gemachten Begehren „eingeschlossen“ ist (vgl RIS‑Justiz RS0037476). Dem Begehren wird in einem solchen Fall also bloß in einem eingeschränkten Umfang stattgegeben. Ob in diesem Sinn im Verhältnis zur klagsweise beanspruchten Dienstbarkeit ein Minus oder ein Aliud vorliegt, hängt aber stets von den konkreten Umständen und zwar insbesondere vom Vorbringen der Partei ab (4 Ob 93/13z).

5.2 Die Kläger vertreten dazu in der Revision die Ansicht, dass die Dienstbarkeit des (Zu‑)Fahrens (bis zur Parkposition) gegenüber einer Dienstbarkeit des Parkens bzw das schlichte Fahren auf ein Grundstück gegenüber dem Darüberfahren im Sinn eines Überquerens nur ein Minus sei.

Eine Dienstbarkeit des Parkens wurde mit dem Klagebegehren nicht geltend gemacht. Aus diesem Grund stellt sich auch die Frage nach einem Minus im Verhältnis zu einem solchen Begehren nicht. Hinsichtlich des zweiten Arguments übersehen die Kläger, dass eine Dienstbarkeit auf fremdem Grund nur zu einem bestimmten Zweck, zu dem das fremde Grundstück in Anspruch genommen wird, bestehen kann. Abgesehen vom Parken, das aber nicht klagsgegenständlich ist, wird auch in der Revision ein solcher Zweck nicht dargelegt. Ausgehend vom Vorbringen der Kläger und dem von ihnen erhobenen Begehren verbleibt für den Zuspruch eines Minus somit kein Raum.

6. Insgesamt gelingt es den Klägern nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte sowie die Nebenintervenienten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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