OGH 11Os16/14h

OGH11Os16/14h11.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. März 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Mag. Fürnkranz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sattlberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Khaseyn K***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 14. November 2013, GZ 604 Hv 3/13v‑65, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auf dem Wahrspruch der Geschworenen (die die anklagekonforme Hauptfrage bejaht hatten) beruht, wurde Khaseyn K***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 17. März 2013 in W***** Adam Kh***** vorsätzlich zu töten versucht, indem er mit seiner Faustfeuerwaffe Typ CZ Mod 50, Kaliber 7,65 mm Browning, einen Schuss auf dessen rechten Bauchbereich abfeuerte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 8 und 10a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Mit dem Vorbringen, die Rechtsbelehrung zum bedingten Vorsatz sei durch Verwendung des Begriffes „bewusste Gleichgültigkeit“ ohne nähere Ausführungen zur Abgrenzung dieser Vorsatzform von bewusster und insbesondere unbewusster Fahrlässigkeit auf irreführende Weise unvollständig geblieben, verfehlt die Instruktionsrüge (Z 8) eine prozessförmige Darstellung. Eine solche verlangt nämlich den Vergleich der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit deren nach § 321 Abs 2 StPO erforderlichen Inhalt und die darauf gegründete deutliche und bestimmte Darstellung der Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information. Dabei kommt es nicht auf ein einzelnes verwendetes Wort, sondern auf den Sinngehalt der Rechtsbelehrung insgesamt an (RIS‑Justiz RS0119549, RS0100695). Dies übergeht das Rechtsmittel, indem es im konkreten Fall bloß auf die Verwendung der Wortfolge „bewusste Gleichgültigkeit“ beim bedingten Vorsatz abstellt und behauptet, diese Passage sei geeignet gewesen, den Geschworenen eine falsche Rechtsansicht in Bezug auf die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen nahezulegen. Denn die Rechtsbelehrung bringt ohnehin klar zum Ausdruck, dass es für bedingten Vorsatz zwar genügt, wenn sich der Täter mit der Sachverhaltsverwirklichung abgefunden hat („Mag es so oder anders sein, so oder anders werden, auf jeden Fall handle ich“), nicht aber, wenn er sich nur im Vertrauen auf den Nichteintritt des deliktischen Erfolges zum Handeln entschließt (S 2 der Rechtsbelehrung für die Geschworenen), dass bei Fahrlässigkeit zwischen bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit (§ 6 Abs 1 und 2 StGB) unterschieden wird (S 3 der Rechtsbelehrung) und die Abgrenzung des bedingten Vorsatzes von bewusster Fahrlässigkeit auf der Willensebene erfolgt (S 4 der Rechtsbelehrung). Demnach waren ‑ was der Beschwerdeführer übergeht ‑ die Geschworenen auch für einen Laien erkennbar angehalten, sich bei Beantwortung der Hauptfrage entscheidend damit auseinanderzusetzen, ob der Angeklagte im Tatzeitpunkt den Tod des Tatopfers (überhaupt) ins Kalkül gezogen und sich ‑ dieses Todesrisikos bewusst ‑ dennoch für die konkrete Schussabgabe entschieden hat.

Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen ‑ wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt ‑ wird dadurch nicht eröffnet (RIS‑Justiz RS0119583, RS0118780). Mit dem Hinweis auf seine Verantwortung, er habe die Waffe bei der Tat zum ersten Mal verwendet, nur einen Schuss abgegeben und Kh***** bloß ins Bein schießen wollen, auf eine isoliert herausgegriffene Passage aus einem Aussageprotokoll des Letztgenannten und auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Ingo W*****, wonach aus technischer Sicht nicht eindeutig festgestellt werden könne, dass der Angeklagte den Abzug mehr als einmal betätigt hat, gelingt es dem Angeklagten nicht, beim Obersten Gerichtshof solche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte