OGH 12Os147/13d

OGH12Os147/13d6.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. März 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel‑Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sattlberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christian K***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Jugendschöffengericht vom 21. August 2013, GZ 29 Hv 23/13a‑14, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian K***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 15. Dezember 2012 in Z***** an der am 20. Mai 2001 geborenen, sohin unmündigen Michelle P*****, indem er sie an der Scheide berührte und ihre Brüste betastete, eine geschlechtliche Handlung vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Unvollständig ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS‑Justiz RS0118316).

Mit der Behauptung des Vorliegens widersprüchlicher Angaben der Zeugin Michelle P***** zur Frage, ob der Angeklagte ihrer Aufforderung, die sexuellen Übergriffe zu beenden, nach längerer oder kürzerer Zeit nachgekommen sei, spricht die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) hingegen keine derartigen erörterungspflichtigen Umstände an.

Da bereits das auf US 3 f festgestellte gezielte Betasten der Scheide der Unmündigen den Schuldspruch trägt, kommt den Urteilsannahmen zur Berührung der Brust keine entscheidende Bedeutung mehr zu.

Ob Michelle P***** den Angeklagten am 28. Dezember 2012 (also Tage danach) freiwillig geküsst habe oder ob sie dessen Liebesbeteuerung erwidert habe, ist entgegen der Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) schon deshalb nicht von Bedeutung, weil sich das Unrecht des § 207 Abs 1 StGB in der geschlechtlichen Handlung an unter 14-Jährigen erschöpft und selbst einer Einwilligung der Unmündigen keine Bedeutung zukäme (vgl Philipp in WK2 StGB § 206 Rz 1 ff).

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

Derartige qualifizierte Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zeigt die Tatsachenrüge (Z 5a) weder mit ihrem Hinweis auf die als übergangen reklamierten Verfahrensergebnisse auf noch vermag sie mit dem Einwand, dass sich Michelle P***** nicht ihrer Mutter, sondern dem Freund ihrer Schwester anvertraut habe, solche Bedenken beim Obersten Gerichtshof hervorzurufen. Ebenso wenig gelingt ihr dies mit dem Verweis auf deren Äußerung, zu hoffen, dass der Angeklagte bald ins Gefängnis käme.

Die in der Rechtsrüge behauptete rechtliche Konsequenz ist aus dem Gesetz methodengerecht abzuleiten (RIS‑Justiz RS0116565). Eine gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat darüber hinaus auch das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen sei, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810). Diesen Anforderungen wird die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht gerecht.

Weshalb der von den Tatrichtern angenommene gezielte Griff auf die Scheide und das Streicheln derselben keinen deutlichen Eingriff in die sexuelle Integrität der Unmündigen, sondern nur eine flüchtige oder oberflächliche Berührung darstellen sollte, erklärt die Beschwerde nicht. Vielmehr übergeht sie prozessordnungswidrig die ausdrücklich gegenteiligen Urteilsannahmen (US 7).

Der Vollständigkeit halber sei aber klar gestellt, dass nur jene Berührungskontakte zur Tatbestandsverwirklichung nicht genügen, die von so geringer Dauer und Intensität sind, dass darin keine Beziehung zum Geschlechtlichen (im Sinne eines deutlichen Eingriffs in die sexuelle Integrität eines anderen) erblickt werden kann (RIS‑Justiz RS0102141). Davon kann hier nicht die Rede sein.

Weshalb das Tatbildmerkmal der Vornahme einer geschlechtlichen Handlung nicht bereits durch das festgestellte gezielte Betasten der Scheide der Unmündigen erfüllt sein sollte, bzw aus welchem Grund es ‑ bei striktem Festhalten am gesamten Sachverhaltssubstrat ‑ zusätzlicher Konstatierungen zur Entwicklung der Brust der 11‑jährigen Michelle P***** bedurft hätte, legt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar (RIS-Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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