OGH 8ObA8/14f

OGH8ObA8/14f27.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhold Hohengartner und Mag. Ernst Bassler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei C***** P*****, vertreten durch die Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei L***** GmbH, vertreten durch die Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltgesellschaft mbH in Graz, wegen 8.339,89 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 31. Oktober 2013, GZ 6 Ra 58/13s‑23, mit dem das Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 15. Mai 2013, GZ 32 Cga 137/12h‑19, in Ansehung der Jahres- remuneration abgeändert wurde (Revisionsinteresse 5.859,08 EUR brutto sA), in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:008OBA00008.14F.0227.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerin war im Zeitraum vom 2. 2. 2006 bis 30. 6. 2012 in einer von der Beklagten betriebenen Diskothek als Kellnerin beschäftigt; die Diskothek war von Donnerstag bis Samstag und vor Feiertagen geöffnet. Auf das Dienstverhältnis kam der Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe zur Anwendung. Der Stundenlohn der Klägerin war mit 7,50 EUR netto bzw (bei Erreichen eines bestimmten Umsatzes) mit 7 % des Umsatzes vereinbart. Die Klägerin war ‑ so wie die meisten übrigen Arbeitnehmer der Beklagten ‑ als fallweise Beschäftigte angemeldet. Die Klägerin hat ein Kind, absolviert ein Pädagogikstudium und war bis September 2009 teilweise auch bei anderen Unternehmen beschäftigt. Die Diensteinteilungen erfolgten im Rahmen einer monatlichen Dienstbesprechung für den Folgemonat. Wer bei dieser Dienstbesprechung nicht anwesend war, wurde nicht zur Arbeit eingeteilt. Die Klägerin war hauptsächlich an Samstagen eingesetzt; sie arbeitete an rund 60 bis 90 Tagen pro Jahr. Der Lohn wurde jeweils nach Dienstende, zumeist nach Umsatzprozenten, ausbezahlt.

Mit ihrer Mahnklage begehrte die Klägerin eine Jahresremuneration für die Zeit von Jänner 2009 bis Juni 2012, weiters eine Urlaubsersatzleistung sowie Entgeltdifferenzen. Sie habe regelmäßig einmal im Monat an den Dienstbesprechungen teilgenommen. Dafür habe sie Anspruch auf Entgelt. Ihr stehe auch die Urlaubsersatzleistung für 72,32 Werktage zu. Da sie während des gesamten Beschäftigungszeitraums wöchentlich gearbeitet habe, sei von einem durchgehenden Dienstverhältnis mit einer durchschnittlichen Arbeitsleistung von 15 bis 20 Stunden pro Woche auszugehen. Aufgrund der durchgehenden Beschäftigungsdauer von mehr als zwei Monaten habe sie nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag auch Anspruch auf die Jahresremuneration.

Die Beklage entgegnete, dass die Klägerin als fallweise Aushilfskraft beschäftigt gewesen sei. Sonderzahlungen und die begehrte Urlaubsersatzleistung gebührten der Klägerin daher nicht. Die Dienstplanbesprechungen hätten nur dazu gedient, die Arbeitswünsche der Dienstnehmer zu eruieren. Außerdem seien die Ansprüche erst mit Schreiben vom 17. 7. 2012 geltend gemacht worden, weshalb diese auch verfallen seien.

Das Erstgericht „stellte fest“, dass der Klägerin die begehrten Ansprüche dem Grunde nach zustünden. Eine Rahmenvereinbarung über jeweils befristete Arbeitseinsätze sei als einheitliches Dienstverhältnis zu qualifizieren, wenn sich aus der Vereinbarung der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien zur fortgesetzten Erbringung und Entgegennahme von Arbeitsleistungen ergebe und sich dieser Wille im gelebten Vertragsverhältnis manifestiere. Diese Voraussetzungen seien im Anlassfall gegeben, weil die Klägerin regelmäßig zu Arbeitsleistungen herangezogen worden sei. Eine sachliche Rechtfertigung, die Klägerin mit jeweils befristeten Verträgen zu beschäftigen, habe nicht bestanden. Dem Verfallseinwand der Beklagten komme keine Berechtigung zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und wies das auf die Jahresremuneration gerichtete Begehren mittels Teilurteils ab. Im Übrigen sprach es mit Zwischenurteil aus, dass der Anspruch auf die Urlaubsersatzleistung (für den Zeitraum vom 2. 2. 2010 bis 30. 6. 2012) und der Anspruch auf Lohndifferenzen (nach dem 17. 3. 2012) dem Grunde nach zu Recht bestünden. Die Arbeitspflicht für die Klägerin sei erst anlässlich der Fixierung der einzelnen Dienste bei den monatlichen Dienstbesprechungen entstanden. Da ohne Teilnahme an der Dienstbesprechung auch keine Dienste vereinbart worden seien, könne die zugrunde liegende Rahmenvereinbarung noch nicht als Arbeitsvertrag qualifiziert werden. Das Arbeitsmodell habe den Interessen beider Teile gedient. Ebenso wenig sei ‑ zufolge sachlicher Rechtfertigung ‑ vom Vorliegen eines unzulässigen Kettenarbeitsvertrags auszugehen, weil die Dauer der Zeiten der Unterbrechung die Beschäftigungszeiten übersteige. Für die Zuerkennung einer Jahresremuneration erfordere der Kollektivvertrag eine ununterbrochene Mindestbeschäftigung von zwei Monaten. Diese Voraussetzung sei nicht gegeben, was zu einer Teilabweisung führe. Demgegenüber stünden der Klägerin die Urlaubsersatzleistung und die Lohndifferenzen dem Grunde nach zu. Die Berechnung der Ansprüche sei mit den Streitteilen noch zu erörtern. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil ein Arbeitsmodell in Frage stehe, bei dem die gewählte Form der fallweisen Beschäftigung nicht nur zur Abdeckung von sporadischen Belastungsspitzen, sondern zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs diene.

Gegen den abweisenden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin, die auf eine gänzliche Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision der Klägerin mangels Vorliegens einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1.  Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen. Dass zu einer konkreten Fallgestaltung keine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht, begründet unter anderem dann keine erhebliche Rechtsfrage, wenn die relevanten rechtlichen Grundsätze in der Rechtsprechung des Höchstgerichts geklärt sind (RIS‑Justiz RS0102181; 8 ObA 60/11y).

Im Anlassfall ist keine Rechtsfrage zu klären, die die Revision zulässig machen würde.

2.  Der Begriff der „fallweise beschäftigten Personen“ stammt aus dem Bereich des Sozialversicherungsrechts. Nach § 471b ASVG sind darunter Personen zu verstehen, die in unregelmäßiger Folge tageweise beim selben Dienstgeber beschäftigt werden, wenn die Beschäftigung für eine kürzere Zeit als eine Woche vereinbart ist (8 ObA 32/13h; 8 ObA 50/13f). Die fallweise Beschäftigung besteht demnach in der unregelmäßigen unterbrochenen Aneinanderreihung verschiedener, kurzzeitig befristeter Arbeitsverhältnisse. Aus arbeitsrechtlicher Sicht handelt es sich bei solchen fallweisen Beschäftigungen um (zulässige) aufeinanderfolgende befristete Dienstverhältnisse auf Basis einer Rahmenvereinbarung als rechtliche Klammer (8 ObA 32/13h).

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Abdeckung von Belastungsspitzen kein notwendiges Merkmal für eine fallweise Beschäftigung. Das Berufungsgericht hat aber ohnedies die sachliche Rechtfertigung der wiederholten Befristungen gesondert geprüft.

3.1  Das Vorliegen eines einheitlichen, durchgehenden Arbeitsverhältnisses hat das Berufungsgericht verneint. Bei dieser Beurteilung ist entscheidend auf das Bestehen einer Arbeitspflicht abzustellen. Der beiderseitige fortdauernde Bindungswille muss sich auf verpflichtende Tätigkeiten beziehen. Behält sich der Arbeitnehmer die Auswahl von Anzahl, Häufigkeit und Lage oder die Einteilung der Arbeitseinsätze nach seinen Interessen (sanktionslos) vor, so spricht dies gegen ein einheitliches Arbeitsverhältnis, das von den Vertragsparteien hier auch nicht gewollt war (anders zum „Rahmendienstvertrag“ 8 ObA 116/04y).

Die zugrunde liegende Rahmenvereinbarung und deren tatsächliche Gestaltung begründete für die Klägerin keine Arbeitspflicht. Zu einem konkreten Arbeitsverhältnis kam es jeweils erst dann, wenn die Klägerin zu den monatlichen Besprechungen erschien, sich für bestimmte, frei gewählte Tage zum Einsatz bereit erklärte und einteilen lies. Die Klägerin konnte ihre Einsätze selbst gestalten und dabei auf ihre Interessen (Kinderbetreuung, Studium) Bedacht nehmen. Auch nach der monatlichen Einteilung waren noch Änderungen möglich. Die Teilnahme an den monatlichen Dienstbesprechungen resultierte nicht aus einer vertraglichen Arbeitspflicht, sondern war Voraussetzung für die Organisation der konkreten Einsätze im Folgemonat. Auch wenn die Klägerin rückblickend im gesamten Tätigkeitszeitraum hauptsächlich an Samstagen und in diesem Sinn „regelmäßig“ im Einsatz war, kommt es doch wesentlich darauf an, dass sie dazu ‑ im Unterschied zu einem durchgehend teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ‑ nicht verpflichtet gewesen wäre. Die Dienste zu Weihnachten und Silvester konnte sie tauschen.

3.2  Die ‑ von den Umständen des Einzelfalls geprägte ‑ Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die zugrunde liegende Rahmenvereinbarung (noch) nicht als Arbeitsvertrag zu qualifizieren sei, erweist sich ausgehend von den dargestellten Grundsätzen als nicht korrekturbedürftig. Es ist daher das Vorliegen verpönter „Kettenarbeitsverträge“ zu prüfen (8 ObA 116/04y).

4.1  Zu den wiederholten Befristungen ist das Berufungsgericht ebenfalls von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen.

Kettenarbeitsverträge sind nur dann rechtmäßig, wenn die Aneinanderreihung einzelner, auf bestimmte Zeit abgeschlossener Arbeitsverträge im Einzelfall durch besondere soziale oder wirtschaftliche Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen müssen, gerechtfertigt ist (RIS‑Justiz RS0028327; Brenn in Reissner , AngG § 19 Rz 18). Es bedarf einer Interessenabwägung im Sinn eines beweglichen Systems, bei der nicht nur die Unterbrechungszeiten, sondern auch das Ausmaß der zwischen diesen Unterbrechungszeiten liegenden Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen ist. Übersteigt die Dauer der Zeiten der Unterbrechung ‑ wie hier ‑ erheblich jene der Beschäftigung, so spricht dies tendenziell gegen eine unzulässige Vertragskette (RIS‑Justiz RS0021824; RS0110312; 8 ObA 50/13f).

4.2  Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze erweist sich die Verneinung des Vorliegens eines unzulässigen Kettenarbeitsvertrags durch das Berufungsgericht als gut vertretbar. Diese Beurteilung entspricht im Übrigen auch der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu durchaus vergleichbaren Arbeitsverhältnissen im Betrieb der Beklagten (8 ObA 32/13h; 8 ObA 50/13f).

5.  Schließlich kann nach der Tatsachengrundlage weder von einer verpönten Arbeit auf Abruf noch von einer einseitig am Bedarf des Unternehmens orientierten, variablen Arbeitszeit die Rede sein.

6.  Nach Pkt 14 lit a des Kollektivvertrags für Arbeiter im Hotel‑ und Gastgewerbe gebührt eine Jahresremuneration nur jenen Arbeitnehmern, die mindestens zwei Monate ununterbrochen im selben Betrieb beschäftigt sind. Diese Voraussetzung ist bei der Klägerin nicht erfüllt.

7.  Insgesamt gelingt es der Klägerin damit nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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