OGH 9ObA21/14z

OGH9ObA21/14z26.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** G*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Miller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch DDr. Fürst-Rechtsanwalts GmbH in Mödling, wegen 5.560,54 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 17. Dezember 2013, GZ 8 Ra 103/13w-24, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00021.14Z.0226.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Bevor die Beklagte den Wiener Frisörsalon übernahm, in dem die Klägerin zuletzt mit 20 Wochenstunden beschäftigt war, durften Mitarbeiter ein‑ bis zweimal im Jahr mit der Bestellung für das Unternehmen Produkte mitbestellen. Als die Klägerin im Zuge einer Sammelbestellung Waren mitbestellte, hegte die Beklagte den Verdacht, dass sie „pfusche“ und Kunden abwerbe, worüber die Klägerin, am 27. 10. 2011 zur Rede gestellt, sehr aufgebracht war. Sie bediente ausschließlich ihre Freunde und Familie in der Steiermark entweder kostenlos oder gegen Ersatz des Materialaufwands, wofür ihr bei entsprechendem Bedarf Gefälligkeiten erwiesen wurden. Am 28. 10. 2011 zeigte sich die Klägerin in einem Telefonat gegenüber dem gewerberechtlichen Geschäftsführer und Salonleiter über seine unterbliebene Unterstützung enttäuscht. Dieser teilte der Geschäftsführerin wahrheitswidrig mit, dass die Klägerin nicht mehr komme. Daraufhin veranlasste die Geschäftsführerin ihre Abmeldung. Als die Klägerin am nächsten Arbeitstag erschien, wurde sie von der Geschäftsführerin gefragt, was sie hier tue, sie sei vorzeitig ausgetreten, und später, was das denn soll („Katz‑und‑Maus‑Spiel“). Als die Klägerin laut wurde und den hinzugekommenen Salonleiter beschimpfte, wurde sie entlassen. Die Vorinstanzen erachteten die Entlassung als nicht gerechtfertigt.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine gerechtfertigte vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RIS‑Justiz RS0106298), sofern keine korrekturbedürftige krasse Fehlbeurteilung vorliegt. Eine solche zeigt die außerordentliche Revision der Beklagten nicht auf.

Die Vorinstanzen haben berücksichtigt, dass erhebliche Ehrverletzungen iSd § 27 Z 6 AngG (§ 82 lit g GewO 1859) den Charakter eines Entlassungsgrundes verlieren, wenn die Umstände des Falles die Beleidigung als noch entschuldbar erscheinen lassen (RIS‑Justiz RS0029653; RS0060938). Wenn eine grobe Ehrenbeleidigung nur infolge einer gerechtfertigten Entrüstung des betreffenden Arbeitnehmers über ein unmittelbar vorausgegangenes Verhalten des Beleidigten in einer den Umständen nach entschuldbaren oder wenigstens verständlichen Weise erfolgt, fehlt es an der eine Voraussetzung für eine gerechtfertigte Entlassung bildenden Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers für den Arbeitgeber. In diesem Fall einer verständlichen Erregung oder Entrüstung ist die Schuldintensität derart gering, dass dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers zumutbar ist (RIS‑Justiz RS0060929).

Wenn die Vorinstanzen danach die ‑ wenn auch erhebliche ‑ Ehrenbeleidigung der Klägerin noch als entschuldbar erachteten, so ist dies nach den Umständen des Falles vertretbar, weil die Klägerin durch die unzutreffenden Angaben des Salonleiters, sie habe ihren Austritt erklärt, in eine sehr belastende Situation gebracht worden war, auch die Geschäftsführerin der Beklagten gegenüber der Klägerin darauf pochte, dass das Arbeitsverhältnis durch den Austritt der Klägerin beendet worden sei, und das Klima zwischen den Streitteilen wegen der der Klägerin unterstellten Kundenabwerbung ohnehin angespannt war.

Die Ausführungen der Revision, dass die Klägerin auch einer unzulässigen Konkurrenz‑ bzw Nebentätigkeit nachgegangen sei, gehen am festgestellten Sachverhalt vorbei, nachdem die Klägerin unentgeltlich Familie und Freunde in der Steiermark bediente. Dass es üblich gewesen sei, „bei entsprechendem Bedarf eine Gefälligkeit in die Gegenrichtung“ zu erweisen, stellt noch kein für eine Entgeltlichkeit erforderliches vertragliches Austauschverhältnis her. Eine Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses wird in der Revision nicht behauptet. Das zwischen den Streitteilen vereinbarte Wettbewerbsverbot war auf den 19. Wiener Gemeindebezirk beschränkt (Beil ./B Pkt 13). Inwiefern die Tätigkeit der Klägerin in der Steiermark den Geschäftsinteressen der Beklagten in ihrem Wiener Salon sonst zuwider gelaufen wären, ist nicht ersichtlich.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

Stichworte