European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0150OS00174.13X.0219.000
Spruch:
Teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde, teils aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen (im Suchtgift betreffenden Einziehungserkenntnis) unberührt bleibt, hinsichtlich beider Angeklagter jeweils im Schuldspruch, demzufolge auch im Strafausspruch und im Ausspruch über die Konfiskation aufgehoben und die Sache an das Landesgericht Korneuburg zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.
Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde wird die Staatsanwaltschaft im darüber hinausgehenden Umfang ebenso wie mit ihrer Berufung auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden ‑ abweichend von der Anklageschrift (ON 10) ‑ Michael M***** (zu I/a und II jeweils eines, sohin) zweier Vergehen und Brigitte M***** (zu II) eines Vergehens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall und Abs 3 erster Fall SMG, beide Angeklagte eines Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Satz und Abs 4 erster Fall SMG (III) sowie Michael M***** darüber hinaus eines Vergehens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 3 erster Fall SMG (I/b) schuldig erkannt.
Danach haben in S***** und an anderen Orten an Suchtmittel gewöhnt und vorwiegend, um sich Suchtmittel für den persönlichen Gebrauch oder die Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen,
I./ zwischen 1. Jänner 2002 und 31. Dezember 2003 in L***** Michael M***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Franz S***** vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich THC-hältiges Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 3 %, jedoch jedenfalls in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge,
a./ erzeugt, und zwar durch Anbau und Aufzucht von Cannabispflanzen, wobei insgesamt 4.752 g Cannabiskraut (US 6: Reinsubstanz 142,56 g Delta-9-THC) geerntet wurden;
b./ anderen überlassen, und zwar 700 bis 800 g Cannabiskraut (US 7: Reinsubstanz zumindest 21 g Delta‑9‑THC) an Wolfgang T***** und unbekannte Abnehmer;
II./ von Frühjahr 2008 bis Juli 2012 Michael M***** und Brigitte M***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 7.500 g THC-hältiges Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz von ca 225 g, erzeugt, indem sie in ihrem Wohnhaus Cannabispflanzen anbauten, aufzogen und die Blüten der Cannabispflanzen ernteten;
III./ im Zeitraum Frühjahr 2012 bis 30. Juli 2012 Michael M***** und Brigitte M***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken 100 Cannabispflanzen (50 in Wuchs befindliche [US 8: Cannabispflanzen] und 50 Setzlinge) in ihrem Wohnhaus zum Zwecke der Suchtgiftgewinnung (US 8: in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge; Reinsubstanz zumindest 30 g Delta-9-THC) mit dem Vorsatz angebaut, dass Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge in Verkehr gesetzt werde.
Rechtliche Beurteilung
Allein die Staatsanwaltschaft bekämpft das Urteil hinsichtlich beider Angeklagter mit einer auf die Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof ‑ im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ vorweg, dass dem Urteil ‑ ungerügt gebliebene ‑ den Angeklagten Michael M***** und Brigitte M***** zum Nachteil gereichende materielle Nichtigkeit (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) in Ansehung der Schuldsprüche I/a und b sowie II anhaftet, die eine Aufhebung derselben gebietet:
Das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG ist zwar mit dem Abernten der Cannabispflanzen verwirklicht (RIS-Justiz RS0124029), allerdings nur, wenn dieser Vorgang eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge Suchtgift betrifft. Mehrere, für sich allein die Grenzmenge nicht übersteigende Suchtgiftquanten sind nur insoweit (zu die Grenzmenge übersteigenden Mengen) zusammenzurechnen, als der Wille (§ 5 Abs 1 StGB) des Täters von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasste. Auf diese Weise kann das Verbrechen nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG auch als tatbestandliche Handlungseinheit im Sinn einer fortlaufenden Tatbestandsverwirklichung begangen werden. Wird ein solcher Täterwille nicht als erwiesen angenommen, können derartige Einzelakte nur jeweils das Vergehen nach § 27 Abs 1 Z 1 dritter Fall SMG begründen (RIS-Justiz RS0124018, RS0117463, RS0112225, RS0088096).
Die zu den Schuldsprüchen I/a (Michael M*****) und II (Michael M***** und Brigitte M*****) getroffenen Feststellungen, wonach die Angeklagten jeweils über einen längeren Tatzeitraum (zu I/a in offensichtlich mehreren Ernten [vgl US 10 f]; zu II in 15 Ernten zu jeweils 500 g [US 12]) die im Spruch genannten Mengen an Delta-9-THC enthaltendem Cannabiskraut erzeugten (US 6 und 7 f), vermögen die Unterstellung der Taten unter § 28a Abs 1 erster Fall SMG nicht zu tragen. Ob zu I/a die Erzeugung bereits pro Einzelakt oder erst in Summe eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge betraf und ob zu II (im zweiten Fall auch zu I/a) die Willensausrichtung der Angeklagten von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasste und sich daher auf die Erzeugung einer die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftmenge bezog, geht aus den Konstatierungen nicht hervor, weshalb das Urteil an materieller Nichtigkeit leidet.
Dies gilt auch für den Schuldspruch I/b betreffend den Angeklagten Michael M*****. Die Urteilsannahmen, wonach der Genannte in den Jahren 2002 und 2003 ‑ ersichtlich in mehreren Teilakten ‑ in Summe (zumindest) 700 g des (gemeinsam mit Franz S***** erzeugten) Cannabiskrauts (mit einer Reinsubstanz von zumindest 21 g Delta‑9‑THC) an Wolfgang T***** und andere unbekannte Abnehmer überließ (US 6 f und 9), bringen weder die Überlassung eines für sich allein die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftquantums noch einen Täterwillen in der zuvor angesprochenen Richtung zum Ausdruck.
Müssen ‑ wie hier ‑ die Schuldsprüche nach § 28a Abs 1 erster bzw fünfter Fall (je iVm Abs 3 erster Fall) SMG aufgehoben werden, weil die tatrichterlichen Konstatierungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf die Suchtmittelmengen [Schuldsprüche I/a und b sowie II] die vorgenommene Subsumtion nicht tragen, können jene Annahmen, die (gar nicht erfolgte) Schuldsprüche nach § 27 Abs 1 Z 1 dritter oder achter Fall SMG stützen würden, nicht bestehen bleiben (RIS‑Justiz RS0115884; Ratz, WK-StPO § 289 Rz 18). Die Aufhebung der in Rede stehenden Schuldsprüche ist daher unumgänglich.
Die den Schuldspruch III betreffende ‑ insoweit zu Gunsten der Angeklagten ausgeführte ‑ Subsumtionsrüge (Z 10) zeigt zutreffend einen Rechtsfehler mangels Feststellungen auf, weil nach § 28 Abs 1 zweiter Satz SMG nur zu bestrafen ist, wer ‑ soweit hier (iVm § 27 Abs 1 Z 2 dritter Fall SMG) von Relevanz ‑ die Cannabispflanze zum Zweck der Gewinnung einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Suchtgift mit dem (erweiterten) Vorsatz anbaut, dass es in Verkehr gesetzt werde (RIS-Justiz RS0127351). Konstatierungen zu einer solchen Intention der Angeklagten Michael M***** und Brigitte M***** traf das Schöffengericht nicht, was eine Aufhebung auch dieses Schuldspruchs (III) erfordert (neuerlich: RIS-Justiz RS0115884; Ratz, WK-StPO § 289 Rz 18). Bleibt anzumerken, dass die Erwähnung des in Rede stehenden Vorsatzelements im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO; vgl US 2) die fehlenden Feststellungen auf Tatsachenebene nicht zu ersetzen vermag (RIS‑Justiz RS0114639, RS0098936; vgl auch Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 8 und Ratz, WK-StPO § 281 Rz 580).
Infolge Aufhebung sämtlicher Schuldsprüche (und damit auch der rechtlichen Unterstellung unter den jeweiligen Grundtatbestand nach § 28 Abs 1 SMG bzw § 28a Abs 1 SMG) erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere (insoweit zum Nachteil der Angeklagten ausgeführte) Beschwerdevorbringen der Staatsanwaltschaft.
Das angefochtene Urteil war sohin - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - teils in Stattgebung der (insoweit zugunsten der Angeklagten ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, teils aus deren Anlass zur Gänze bereits bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben (§ 285e StPO) und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.
Mit ihrer (gegen die Annahme der Privilegierung jeweils nach § 28a Abs 3 erster Fall SMG bzw § 28 Abs 4 erster Fall SMG, die Nichterfassung der festgestellten Überlassung von Suchtgift an Brigitte M***** im Michael M***** betreffenden Schuldspruch I/b sowie gegen die zu I/a und II jeweils erfolgte Annahme bloß eines Vergehens gerichteten) zum Nachteil der Angeklagten ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde war die Staatsanwaltschaft ebenso wie mit ihrer Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Bleibt dazu mit Blick auf den zweiten Rechtsgang anzumerken:
Jedes die Grenzmenge übersteigende Suchtgiftquantum genügt dem Erfordernis des § 28a Abs 1 SMG. Sobald der Täter mehr als die zweifache Grenzmenge an Suchtgift erzeugt, verwirklicht er ein weiteres Verbrechen nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG (vgl RIS-Justiz RS0123911). Sollten daher im weiteren Rechtsgang neuerlich Feststellungen dahin getroffen werden, dass der Angeklagte Michael M*****(I/a und II) sowie Brigitte M***** (II) jeweils mehrfach ein die Grenzmenge (von 20 g Delta‑9‑THC) übersteigendes Suchtgiftquantum erzeugt haben, hätten ‑ bei Vorliegen aller subjektiven Tatbestandsmerkmale (vgl insbesondere auch RIS-Justiz RS0124018) ‑ der Angeklagte Michael M***** zu I/a und II sowie die Angeklagte Brigitte M***** zu II jeweils mehrere Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG (bzw im Fall der Privilegierung nach § 28a Abs 3 erster Fall SMG mehrere Vergehen) zu verantworten.
Zudem wird ‑ auch bei neuerlicher von der Anklageschrift (ON 10 [zu I/b: Überlassung einer Menge von 4.752 g an unbekannte Abnehmer]) abweichender Annahme, dass der Angeklagte Michael M*****einen Teil des gemeinsam mit Franz S***** erzeugten Suchtgifts unter anderem seiner Ehefrau, der Angeklagten Brigitte M*****, überlassen hat (vgl US 6, 11), ‑ durch präzise Feststellungen insbesondere dazu, ob jeder der beiden Angeklagten die inkriminierten Taten jeweils ‑ jeder für sich ‑ vorwiegend deshalb begangen hat, um sich für seinen persönlichen Gebrauch (und nicht auch für den persönlichen Gebrauch des Ehepartners) Suchtmittel (bzw Mittel zu deren Erwerb) zu verschaffen, also die Straftaten mit der Absicht begangen hat, jeweils mehr als die Hälfte des Ertrags für sich selbst zu verwenden (vgl RIS‑Justiz RS0124622, RS0125836; Schwaighofer in WK² SMG § 27 Rz 92), die Frage einer allfälligen Privilegierung nach § 28a Abs 3 erster Fall SMG bzw § 28 Abs 4 erster Fall SMG, jeweils iVm § 27 Abs 5 SMG, zu klären sein.
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