OGH 12Os126/13s

OGH12Os126/13s23.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Jänner 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Sol und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Nagl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hans Peter G***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Hans Peter G***** gegen das Urteil des Landegerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 16. Juli 2013, GZ 151 Hv 35/13v-29, sowie über dessen Beschwerde gegen die gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO und §§ 50 f StGB gefassten Beschlüsse nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen rechtskräftigen Freispruch des Mitangeklagten Daniel Gö***** enthält, wurde Hans Peter G***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB idF vor BGBl I 2013/116 schuldig erkannt.

Danach hat er am 3. April 2012 in W***** eine wehrlose Person, nämlich die durch Alkoholgenuss und Schlaf willenlose Irene F*****, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er an ihr einen Analverkehr, sohin eine geschlechtliche Handlung vornahm.

Rechtliche Beurteilung

Die auf Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag auf Einholung eines medizinischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass mit dem vom Opfer Irene F***** geschilderten Analverkehr entgegen deren Darstellung jedenfalls Schmerzen verbunden sein mussten und daher „die Schilderung der Zeugin F***** nicht mit der medizinischen Fachkunde in Übereinstimmung zu bringen ist“ (ON 28 S 37 ff), lässt keine Eignung erkennen, das angestrebte Beweisziel, nämlich einen Ausschluss des Analverkehrs zwischen dem Angeklagten und Irene F*****, zu erreichen und zielt solcherart auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330). Daran vermögen auch die spekulativen Ausführungen im Rahmen des Antragsvorbringens zum jugendlichen Alter des Opfers sowie dessen sonstigen sexuellen Gepflogenheiten nichts zu ändern.

Die Mängelrüge nimmt mit ihrem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) nicht auf die Gesamtheit der Entscheidungsgründe Bezug (RIS-Justiz RS0119370). Die Feststellungen in Ansehung des wehrlosen Zustands des Opfers haben die Tatrichter aus den Angaben des Opfers selbst, dem vom Zeugen P***** sowie den beiden Angeklagten geschilderten Alkoholkonsum und äußeren Verhalten des Opfers und letztlich den Konstatierungen der Sachverständigen DDr. Gabriele W***** - als zumindest nicht auszuschließen - abgeleitet (US 10 f). Diese Überlegungen verstoßen weder gegen Denkgesetze noch gegen grundlegende Erfahrungssätze (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444, RIS-Justiz RS0118317).

Warum die umfangreiche erstgerichtliche Würdigung der Angaben der Angeklagten zum „Kern des Sachverhalts“ als unglaubwürdig und die Beurteilung der Opferangaben als glaubwürdig (vgl US 8 ff) eine Scheinbegründung sein soll, legt die Rüge nicht dar. Darüber hinaus ist der den Verfahrensergebnissen vom Schöffengericht jeweils zuerkannte Beweiswert, somit auch die einer Zeugin zugebilligte Glaubwürdigkeit, einer Anfechtung unter dem Gesichtspunkt der Mängelrüge entzogen (RIS-Justiz RS0106588 [T3]).

Entgegen den weiteren Ausführungen zur Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) haben sich die Tatrichter sehr wohl mit dem Gutachten der Sachverständigen DDr. Gabriele W*****, insbesondere deren Beurteilung, den vom Opfer geschilderten „wehrlosen Zustand“ weder verifizieren noch falsifizieren zu können, auseinandergesetzt, folgten diesbezüglich jedoch im Ergebnis - wie bereits oben ausgeführt - den als glaubwürdig erachteten Angaben des Opfers.

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) unter ausufernder Wiederholung der zur Verfahrens- und Mängelrüge vorgetragenen Aspekte und mit eigenen Beweiswerterwägungen zu einzelnen Urteilsfeststellungen im Ergebnis die dem Opfer Irene F***** vom Schöffensenat zuerkannte Glaubwürdigkeit bestreitet, zeigt sie auf Aktenbasis keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen auf, sondern kritisiert nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde zeigt sich aber mit Blick auf die vom Schöffengericht vorgenommene Wertung der „mangelnden Schuldeinsicht“ des leugnenden Angeklagten als eine für die Strafzumessung entscheidende Tatsache (US 12) eine nicht gerügte unrichtige Gesetzesanwendung (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO; RIS-Justiz RS0090897), weil dem Angeklagten aus seiner Verteidigung kein Nachteil erwachsen darf. Da dem Nichtigkeitsgrund noch im Rahmen der - aus der Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde resultierenden - Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Berufung (§ 285i StPO) Rechnung getragen werden kann (RIS-Justiz RS0090885), bedarf es keiner amtswegigen Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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