OGH 6Ob150/13x

OGH6Ob150/13x28.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** C*****, vertreten durch Dr. Georg Kahlig Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. C***** Ö*****, vertreten durch Mag. Markus Bulgarini, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, wegen Löschung einer Grundbuchseintragung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Februar 2013, GZ 15 R 179/12x‑55, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 14. Juni 2012, GZ 22 Cg 6/12g‑48, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass sie einschließlich der rechtskräftigen Teile insgesamt zu lauten haben wie folgt:

„Das Klagebegehren, die Einverleibung der beklagten Partei zu TZ *****, B-LNr *****, ob dem Anteil ***** der EZ ***** Grundbuch *****, verbunden mit Wohnungseigentum an Wohnung ***** Stiege ***** werde für unwirksam erklärt und gelöscht und der frühere Grundbuchsstand durch Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägerin ob dieser Anteile wiederhergestellt, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 10.360,72 EUR (darin enthalten 1.554,12 EUR USt und 1.047,60 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten der ersten und zweiten Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.512,99 EUR (darin enthalten 369,45 EUR USt und 1.296 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Mutter der Beklagten war ursprünglich Eigentümerin der im Spruch genannten Wohnungseigentumsanteile. Sie veräußerte diese mit Kaufvertrag vom 2. 4. 2003 an die Klägerin, deren Eigentum einverleibt wurde. In der Folge brachte die Mutter der Beklagten am 23. 8. 2004 gegen die Klägerin eine Klage auf Aufhebung des Kaufvertrags und Einwilligung in die Löschung ihres Eigentums ein mit der Begründung, die Klägerin sei mit der Bezahlung des Kaufpreises säumig. Über diese Klage erging am 29. 11. 2004 ein Versäumungsurteil, dessen Vollstreckbarkeit am 3. 2. 2005 bestätigt wurde. Bereits am 14. 2. 2005 schlossen die Mutter der Beklagten und die Beklagte einen Kaufvertrag über diese Wohnungseigentumsanteile. Die Beklagte beantragte am 8. 3. 2005 beim zuständigen Grundbuchsgericht unter Vorlage des vollstreckbaren Versäumungsurteils und dieses Kaufvertrags die Löschung des Eigentumsrechts der Klägerin, die Wiederherstellung des vorigen bücherlichen Standes durch Eintragung des Eigentumsrechts für die Mutter der Beklagten und schließlich die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Beklagte. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Grundbuchsgerichts vom 9. 3. 2005 bewilligt. Mit rechtskräftigem Beschluss des Erstgerichts vom 10. 3. 2006 wurde die Vollstreckbarkeit des Versäumungsurteils vom 29. 11. 2004 wieder aufgehoben, weil nicht festgestellt werden konnte, dass die nunmehrige Klägerin (und damalige Beklagte) zum Zeitpunkt der Zustellung des Versäumungsurteils an der Zustelladresse wohnhaft war. Das Versäumungsurteil wurde infolge Widerspruchs mit Beschluss vom 28. 2. 2007 aufgehoben. Nach dem Ableben der Mutter der Beklagten (und nach erfolgter Einverleibung des Eigentumsrechts der Beklagten) zog der Verlassenschaftskurator die Klage am 4. 11. 2010 unter Anspruchsverzicht zurück.

Mit ihrer am 7. 3. 2011 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin, die Einverleibung der Beklagten ob der Wohnungseigentumsanteil für unwirksam zu erklären und zu löschen und den früheren Grundbuchsstand durch Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägerin wiederherzustellen. Sie brachte vor, dem im Grundbuch Eingetragenen stehe die Löschungsklage gegen denjenigen zu, durch dessen nachfolgende, jedoch auf einem materiell unwirksamen Titel beruhende Eintragung er aus dem Grundbuch verdrängt werde. Aus dem Grundbuch sei die Klägerin durch die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Beklagte verdrängt worden; es sei nicht zu einer „Wiedereintragung“ der Mutter der Beklagten gekommen. Da durch die Aufhebung des Versäumungsurteils der Rechtstitel zum Eigentumserwerb der Beklagten nachträglich weggefallen sei, sei die Löschungsklage berechtigt. Das Klagebegehren werde hilfsweise auch darauf gestützt, dass die Beklagte Dritte iSd § 63 GBG sei.

Die Beklagte wendete ein, das auf § 62 GBG gestützte Klagebegehren sei verfehlt. Nicht die Beklagte habe die Klägerin aus dem Grundbuch verdrängt; vielmehr sei durch das Versäumungsurteil das Eigentumsrecht ihrer Mutter wiederhergestellt worden. Von dieser als ihrer bücherlichen „Vorfrau“ habe die Beklagte die Anteile gekauft und rechtmäßig Eigentum erworben. Die Beklagte sei daher rechtlich „Dritte“ iSd § 63 GBG. Gemäß § 63 iVm § 123 Abs 1 GBG hätte die Klägerin daher binnen 30 Tagen Rekurs und binnen weiterer 60 Tage Löschungsklage erheben müssen.

Das Erstgericht sprach aus, die Einverleibung der Beklagten werde für unwirksam erklärt und gelöscht. Das Mehrbegehren, es möge der frühere Grundbuchsstand durch Einverleibung des Eigentumsrechts ob der Anteile für die Klägerin wiederhergestellt werden, wies es ab. Da zunächst das Eigentumsrecht der Mutter der Beklagten wiederhergestellt und erst in einem zweiten Schritt das Eigentumsrecht der Beklagten einverleibt worden sei, habe die Beklagte die Klägerin - entgegen deren Rechtsansicht - nicht unmittelbar aus dem Grundbuch verdrängt. Das Löschungsbegehren könne daher nicht auf § 62 GBG gestützt werden. Soweit das Löschungsbegehren auf § 63 GBG gestützt werde, könne das Klagebegehren nur Erfolg haben, wenn die Beklagte sich hinsichtlich der Gültigkeit der bücherlichen Eintragungen nicht im guten Glauben befunden habe. Der gute Glaube müsse nicht bloß im Zeitpunkt des Abschlusses des Erwerbsgeschäfts des Dritten, sondern auch noch im Zeitpunkt des Ansuchens um grundbücherliche Einverleibung gegeben gewesen sein. Das GBG knüpfe die Rechtswirkungen der dort geregelten Gutgläubigkeit an die bücherlichen Eintragungen. Geschützt sei das Vertrauen auf das Grundbuch. Der gutgläubige Dritte sei im Rahmen des positiven Publizitätsprinzips zudem nur dann geschützt, wenn die Eintragung des Vormanns rechtskräftig sei. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Der Vormann der Beklagten, deren Mutter, sei zum Zeitpunkt des Grundbuchsantrags vom 8. 3. 2005 nicht im Grundbuch eingetragen gewesen. Ein Vertrauen auf den Grundbuchsstand komme der Beklagten daher nicht zugute. Es mangle an einem Gutglaubenserwerb der Beklagten, weshalb die Löschungsklage berechtigt (und nicht verfristet) sei. Das Begehren der Löschungsklage sei nur auf Unwirksamerklärung und Löschung der bekämpften bücherlichen Eintragung zu richten, nicht aber auf Wiederherstellung des früheren Grundbuchsstandes, weshalb das darauf gerichtete Mehrbegehren abzuweisen gewesen sei.

Während der klagsabweisende Teil des erstgerichtlichen Urteils unbekämpft rechtskräftig wurde, gab das Berufungsgericht der Berufung der Beklagten gegen den stattgebenden Teil nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Es billigte im Ergebnis die rechtliche Beurteilung der Erstgerichts. Es ließ die Revision zu, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Verjährung einer Löschungsklage bei einer „Sprungeintragung“ nach § 22 GBG fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

1. Die vom Berufungsgericht in der Begründung für die Zulässigkeit der Revision genannte Rechtsfrage ist im vorliegenden Fall schon deshalb nicht relevant, weil hier nach den ‑ mit dem Grundbuchsstand übereinstimmenden -Feststellungen eine Sprungeintragung iSd § 22 GBG nicht vorliegt.

2. Die Revisionswerberin zeigt aber folgende vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung auf:

Wer eine Einverleibung nicht nur gegen den unmittelbaren Vormann, sondern auch gegen dritte Personen als ungültig bestreiten will, muss gemäß § 63 Abs 1 GBG die Klage auf Löschung gegen alle Personen überreichen, die durch die bestrittene Einverleibung ein bücherliches Recht erlangt oder weitere Einverleibungen oder Vormerkungen darauf erwirkt haben.

Dieser Rechtslage entsprechend hat der Oberste Gerichtshof im Fall des Doppelverkaufs einer Liegenschaft ausgesprochen:

„Das Hauptbegehren des Klägers ist auf Einwilligung der Beklagten in die grundbücherliche Löschung ihres an der (doppelt‑)verkauften Liegenschaft einverleibten Eigentumsrechtes gerichtet. Eine Stattgebung dieses Begehrens bedeutete zwangsläufig ein Wiederaufleben des bücherlichen Eigentumsrechtes der Verkäuferin. Niemandem darf aber gegen seinen Willen in einem Verfahren, an dem er nicht beteiligt ist, eine Rechtszuständigkeit aufgedrängt werden. Die Verkäuferin ist zwar dem Kläger gegenüber rechtskräftig verpflichtet, in die grundbücherliche Einverleibung seines Eigentumsrechtes an der Kaufliegenschaft einzuwilligen, nicht aber dazu - auch nur etwa zeitweilig - wieder Eigentümerin der Kaufliegenschaft zu sein. Der Kläger hätte sein Hauptbegehren daher gegen die Beklagten und die Verkäuferin als notwendige Streitgenossen zu richten gehabt. Den Beklagten allein fehlt es an der Sachlegitimation.“ (6 Ob 621/93; vgl auch RIS‑Justiz RS0010730; RS0035698; RS0012092).

Fehlt es an einer notwendigen Streitgenossenschaft auf Aktiv‑ oder Passivseite, ist eine Klage abzuweisen (10 Ob 76/07k = RIS‑Justiz RS0065553 [T6]).

Auch im vorliegenden Fall führte das Ergebnis der Vorinstanzen kraft der rechtskräftigen Abweisung des Mehrbegehrens auf Einverleibung der Klägerin dazu, dass nur die letzte Grundbuchseintragung, nämlich die Löschung der Mutter der Beklagten und die Einverleibung der Beklagten, rückgängig gemacht würde und solchermaßen die Mutter der Beklagten bzw deren Verlassenschaft als Eigentümerin einverleibt würde. Diese ist aber nicht Partei dieses Verfahrens. Nach der zitierten Rechtsprechung fehlt es der Beklagten allein an der Passivlegitimation, weshalb das Klagebegehren abzuweisen ist. Der Umstand, dass die Mutter der Beklagten eine Aufsandungserklärung abgegeben hat, erübrigt deren Einbeziehung in den Prozess nicht, weil sie nach deren Abgabe wieder eingetragen würde. In die (Wieder‑)Eranlagung dieser Position und in deren Aufgabe hat sie aber nicht eingewilligt.

3. Da sich die Revision somit bereits aufgrund dieser Erwägungen als berechtigt erweist, muss auf die weiteren Argumente der Revisionswerberin nicht mehr eingegangen werden.

4. Ob die Klägerin mit einer gegen die Verlassenschaft der Mutter der Beklagten und die hier Beklagte (als notwendige Streitgenossen) gerichteten künftigen Löschungsklage doch noch ihr mit dieser Klage angestrebtes Ziel erreichen könnte, ist hier nicht zu prüfen.

5. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO. Der ERV‑Zuschlag für die Berufung beträgt nur 1,80 EUR (§ 23a RATG).

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