OGH 6Ob621/93

OGH6Ob621/937.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gernot K*****, vertreten durch Dr.Peter Getreuer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Dr.Reinhard W*****, ***** 2. Alois O*****, und 3. Michael K*****, alle vertreten durch Dr.Gerhard Semotan, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwilligung zu grundbücherlichen Einverleibungen, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das zum Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 16.Oktober 1992, GZ 17 Cg 115/91-27, ergangene Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 10.Mai 1993, AZ 14 R 30/93(ON 31), in nichtöffentlicher Sitzung

1. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird stattgegeben. Das angefochtene Berufungsurteil wird in Ansehung des Hauptbegehrens derart abgeändert, daß es als

Teilurteil

zu lauten hat:

"Das Hauptbegehren, die Beklagten schuldig zu erkennen, in die Einverleibung der Löschung des Eigentumsrechtes der ihnen zu je 1/3 zugeschriebenen Liegenschaft EZ *****, bestehend aus dem Grundstück ***** Baufläche, *****, einzuwilligen, wird abgewiesen";

und 2. den

Beschluß

gefaßt:

"In Ansehung des hilfsweise erhobenen Einverleibungsbegehrens und im Kostenpunkt werden die vorinstanzlichen Entscheidungen aufgehoben; in diesem Umfang wird die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz rückverwiesen.

Die Entscheidung über die bisherigen Verfahrenskosten bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Eigentümerin einer städtischen Liegenschaft mit Zinshaus trug sich mit Verkaufsabsichten, erteilte am 4.März 1987 einem Immobilienmakler einen entsprechenden Vermittlungsauftrag und führte in der Folge mit einem durch den Vermittler namhaft gemachten Baumeister Verkaufsverhandlungen. Im Zuge dieser mit Einschaltung des Vermittlers gepflogenen Verhandlungen richtete die Eigentümerin an den Vermittler das mit 31.März 1987 datierte Schreiben, demzufolge sie unter der Bedingung, daß der Baumeister gewisse Mängel in Kauf nähme, ab dem Stichtag 1.April 1987 alle Mieteingänge an den Baumeister weiterleiten, die Abrechnungen so gut wie möglich erstellen und die Verkaufsprovision zahlen werde, sobald sie über die Kaufpreissumme verfüge. Der Vermittler leitete dieses Schreiben an dem Baumeister weiter, der als Annahmeerklärung das Wort "einverstanden" auf dieses Schreiben setzte und unterschrieb. Mit seinem Schreiben vom 2.April 1987 teilte der Vermittler der Eigentümerin diese Annahmeerklärung des Bauherrn mit. Nachdem die Eigentümerin in ihrem mit 1.April 1987 datierten Schreiben an den Vermittler erklärt hatte, ihr Anbot vom 31.März 1987 nicht aufrechterhalten zu können, ersuchte sie mit ihrem Schreiben vom 3. April 1987 den Vermittler, sobald wie möglich mit dem Baumeister einen Termin zur Besprechung aller Einzelheiten des Vertrages zu vereinbaren. Bei der hierauf erfolgten gemeinsamen Hausbegehung vom 7. April 1987 wiederholte die Eigentümerin ihr Einverständnis mit dem vom Baumeister genannten Kaufpreis und mit dem Verrechnungsstichtag 1. April 1987, verweigerte aber eine Schlüsselübergabe an den Käufer vor der von einem namentlich genannten Notar vorzunehmenden Vertragsunterfertigung. Bei diesem Notar sollte der Baumeister einen bankbestätigten Barscheck über die Höhe des Kaufpreises mit der Widmung zur Ausfolgung an die Verkäuferin nach grundbücherlicher Einverleibung des Eigentums des Käufers erlegen. Der Käufer sollte den Entwurf einer verbücherungsfähigen Vertragsurkunde übersenden, die nach allfälligen Änderungswünschen der Verkäuferin noch umgeschrieben hätte werden dürfen.

Mit anwaltlichem Schreiben ihres Bruders vom 8.April 1987 erinnerte die Verkäuferin den Käufer an seine Bereitschaft zur Hinterlegung eines bankbestätigten Barschecks über die Kaufpreissumme bei einem Notar und forderte die Hinterlegung des entsprechenden Schecks bis längstens 10.April 13 Uhr bei einem anderen als dem am 7.April genannten Notar.

Ein vom Käufer verfaßter Vertragsentwurf langte am 10.April 1987 bei der Verkäuferin ein. Der Käufer erlegte den vereinbarten Scheck nicht bei dem im anwaltlichen Schreiben genannten Notar, sondern am 13. April 1987 mit einem befristeten Treuhandauftrag bei dem am 7. April 1987 bezeichneten Notar.

Mit dem anwaltlich verfaßten Schreiben vom 22.April 1987 erklärte die Verkäuferin dem Kläger, von einem allenfalls zustande gekommenen Kaufvertrag zurückzutreten. Der Bruder und anwaltliche Vertreter der Verkäuferin übermittelte in der Folge aber dem Käufer einen von ihm verfaßten Kaufvertragsentwurf, den der Käufer allerdings als abredewidrig nicht unterfertigte.

Der Baumeister überreichte hierauf am 15.Mai 1987 gegen die Liegenschaftseigentümerin eine auf den Rechtsgrund des wirksamen Abschlusses und aufrechten Bestandes eines Kaufvertrages gestützte Klage mit dem Begehren auf Einwilligung in die Einverleibung seines Eigentumsrechtes an der Kaufliegenschaft. Zur Sicherung dieses klageweise erhobenen Anspruches beantragte er, der Verkäuferin durch einstweilige Verfügung die Veräußerung und Belastung ihrer Liegenschaft zu verbieten.

Das Prozeßgericht erließ das Veräußerungsverbot, machte aber den Vollzug seiner einstweiligen Verfügung vom Erlag einer Sicherheit in der Höhe von 10 % des Kaufpreises abhängig. Nach dem Erlag der Sicherheit wurde das mit einstweiliger Verfügung angeordnerte Veräußerungsverbot am 11.August 1987 grundbücherlich eingetragen.

Die Klagsgleichschrift wurde der Liegenschaftseigentümerin mit Wirkung vom 12.August 1987 im Wege postamtlicher Hinterlegung zugestellt.

Die Liegenschaftseigentümerin erachtete sich gegenüber dem Baumeister kaufvertraglich nicht gebunden und trat mit drei anderen Kaufinteressenten in Verkaufsverhandlungen ein. Der Bruder der Verkäuferin beruhigte die drei neuen Kaufinteressenten in Ansehung des "für" den Baumeister "eingetragenen" Veräußerungsverbotes mit dem Hinweis, daß diese Eintragung bei Ausnutzung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung löschungsfähig wäre.

Im Sinne der vom Bruder der Verkäuferin errichteten Vertragsurkunde vom 3.September 1987 kauften die drei neuen Interessenten je einen Drittelanteil an der - über Klage des Baumeisters - streitverfangenen Liegenschaft. Aufgrund dieses Kaufvertrages wurde am 11.September 1987 im Sinne eines Grundbuchsbeschlusses vom selben Tag das Eigentumsrecht der drei Anteilskäufer im Range der Rangordnungsanmerkung unter gleichzeitiger Löschung der Zwischeneintragung des Veräußerungsverbotes grundbücherlich einverleibt.

Hierauf überreichte der Baumeister gegen die drei Anteilseigentümer am 13.Oktober 1987 die auf deren Schlechtgläubigkeit gestützte Klage mit dem Hauptbegehren, "in die Einverleibung der Löschung ihres Eigentumsrechtes einzuwilligen" und dem hilfsweise gestellten Begehren, in die Einverleibung seines Eigentumsrechtes an den ihnen zugeschriebenen Liegenschaftsanteilen einzuwilligen.

Die Beklagten bestritten das rechtswirksame Zustandekommen und den aufrechten Bestand des vom Kläger behaupteten Kaufvertrages.

Das Prozeßgericht unterbrach den Rechtsstreit zwischen dem Baumeister und den drei Anteilskäufern bis zur rechtskräftigen Erledigung des Rechtsstreites über die Klage des Baumeisters gegen die Liegenschaftseigentümerin.

In diesem Rechtsstreit des Baumeisters gegen die Verkäuferin wurde diese zur Vertragszuhaltung durch Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Klägers verurteilt.

Hierauf wurde der unterbrochene Rechtsstreit fortgesetzt und insbesondere zum umstrittenen Zustandekommen eines Kaufvertrages zwischen dem Kläger und der Liegenschaftseigentümerin Beweis erhoben.

Das Prozeßgericht erster Instanz gab hierauf sowohl dem Urteilshauptbegehren auf Einwilligung zur Löschung des Eigentumsrechtes der drei Beklagten als auch dem hilfsweise gestellten Begehren in seiner zweiten Variante auf Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Klägers statt.

Das Berufungsgericht bestätigte die Stattgebung des Löschungsbegehrens mit der Maßnahme, daß der urteilsmäßige Ausspruch im Sinne des Eventualklagebegehrens entfalle. Dazu sprach das Berufungsgericht aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt. Weiters sprach das Berufungsgericht aus, daß eine Rechtsmittelzulässigkeitsvoraussetzung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vorliege.

Die Beklagten fechten das bestätigende Berufungsurteil wegen qualifiziert unrichtiger Beurteilung mit einem auf Klagsabweisung zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Der Kläger strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Die Revision ist wegen der bisher unterbliebenen Auseinandersetzung mit den Fragen nach einer zwischen den Beklagten und der Verkäuferin in Ansehung des Begehrens auf Rückübereignung der Liegenschaft etwa bestehenden notwendigen Streitgenossenschaft sowie nach einer erweiterten Rechtskraftwirkung des gegen die Verkäuferin erflossenen Urteiles auf die Beklagten als Rechtsnachfolger zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Die Liegenschaftseigentümerin, der die auf Vertragszuhaltung gegründete Klage des ersten Käufers auf Einwilligung in die grundbücherliche Einverleibung seines Eigentums an der Kaufliegenschaft am 12.August 1987 zugestellt worden war, hat den Beklagten mit dem am 3.September 1987 geschlossenen Vertrag eine streitverfangene Liegenschaft verkauft.

Das gegen sie ergangene Urteil wirkt auch gegen die Beklagten als ihre Rechtsnachfolger, soferne diesen nicht ein Gutglaubenserwerb im Vertrauen auf den Grundbuchstand zustatten käme.

Zur Sicherung des vom ersten Käufer klageweise verfolgten Übereignungsanspruches war der Verkäuferin durch einstweilige Verfügung die Veräußerung ihrer Liegenschaft untersagt und dieses Verbot auch am 11.August 1987 grundbücherlich eingetragen worden.

Für die im anhängigen Rechtsstreit erhebliche Frage nach einem Gutglaubenserwerb der Beklagten im Vertrauen auf den Grundbuchstand wird es einerseits entscheidend sein, ob die Beklagten eine Nachforschungspflicht über die Grundlagen dieser Grundbuchseintragung traf oder ob sie sich mit Rücksicht auf die Eintragungsart der Einverleibung des Verbotes und der Regel des § 57 GBG darauf verlassen konnten, daß das Verbot im Falle einer Einverleibung ihres Eigentumsrechtes im Range der Ranganmerkung als Zwischeneintragung ohnedies gelöscht werden könnte. Zum andern könnte es darauf ankommen, ob der Urkundenverfasser nicht nur von der Verkäuferin, sondern auch von den Beklagten als Käufern beauftragt war und deshalb dessen Wissen und den vom Kläger gegen die Verkäuferin anhängig gemachten Rechtsstreit sowie um die erlassene einstweilige Verfügung den Beklagten zuzurechnen wäre. Die Beklagten haben sich allerdings nicht auf einen Gutglaubenserwerb im Vertrauen auf den Grundbuchstand berufen, sondern die Rechtsansicht vertreten, daß ihr Erwerbsvorgang nach dem Grundbuchstand im Zeitpunkt der Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung zu beurteilen sei. Diese Ansicht ist verfehlt. Das Veräußerungsgeschäft ist schuldrechtlich - und daher insbesondere auch das Vertrauen der Erwerber in die volle Verfügungsberechtigung des Veräußerers (unabhängig vom bücherlichen Rang einer Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung) - nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu beurteilen. Die Rangordnungsanmerkung hat ausschließlich sachenrechtliche Bedeutung. Die für den Gutglaubenserwerb maßgebenden Tatumstände sind allerdings mit den Parteien bisher nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit erörtert worden. Tatsachenfeststellungen fehlen.

Insbesondere ist nicht erörtert und festgestellt worden, mit welchem Eintragungswortlaut die gemäß § 384 Abs 2 EO vorzunehmende Anmerkung des Verbotes grundbücherlich vollzogen wurde, um danach beurteilen zu können, ob ein möglicher Erwerber in der Lage der Beklagten annehmen durfte, es handle sich um ein rechtsgeschäftlich eingeräumtes, zugunsten des Klägers einverleibtes Verbot, oder ob er damit rechnen mußte, es könnte sich um ein richterliches Verbot iS des § 382 Abs 1 Z 6 EO handeln. Im zweiten Fall hätten sich nämlich die Beklagten zur Wahrung ihres guten Glaubens nicht mit einem Hinweis auf die Löschungsfähigkeit der Eintragung iS des § 57 GBG zufrieden geben dürfen, sondern Nachforschungen über die Grundlagen des eingetragenen Verbotes pflegen müssen.

Das Hauptbegehren des Klägers ist auf Einwilligung der Beklagten in die grundbücherliche Löschung ihres an der (doppelt-)verkauften Liegenschaft einverleibten Eigentumsrechtes gerichtet. Eine Stattgebung dieses Begehrens bedeutete zwangsläufig ein Wiederaufleben des bücherlichen Eigentumsrechtes der Verkäuferin. Niemandem darf aber gegen seinen Willen in einem Verfahren, an dem er nicht beteiligt ist, eine Rechtszuständigkeit aufgedrängt werden. Die Verkäuferin ist zwar dem Kläger gegenüber rechtskräftig verpflichtet, in die grundbücherliche Einverleibung seines Eigentumsrechtes an der Kaufliegenschaft einzuwilligen, nicht aber dazu - auch nur etwa zeitweilig - wieder Eigentümerin der Kaufliegenschaft zu sein. Der Kläger hätte sein Hauptbegehren daher gegen die Beklagten und die Verkäuferin als notwendige Streitgenossen zu richten gehabt. Den Beklagten allein fehlt es an der Sachlegitimation.

Allein aus diesem Grund war das Berufungsurteil im Sinne einer Abweisung des Hauptbegehrens auf Löschung des Eigentumsrechtes der Beklagten abzuändern.

Das Prozeßgericht erster Instanz hatte nicht nur dem Hauptbegehren, sondern auch dem Hilfsbegehren auf Einwilligung der Beklagten in die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Klägers selbst stattgegeben. Das Berufungsgericht hat mit Rücksicht auf die Stattgebung des Hauptbegehrens aus verfahrensrechtlichen Erwägungen die erstinstanzliche Entscheidung über das bloß hilfsweise gestellte Einverleibungsbegehren ersatzlos aufgehoben. Mit der Nichtstattgebung des Hauptbegehrens ist das für diesen Fall erhobene Hilfsbegehren zum aktuellen Verfahrensgegenstand geworden.

Bei seiner Beurteilung wird auf die Möglichkeit Bedacht zu nehmen sein, daß sich die Rechtskraftwirkung des vom Kläger gegen die Verkäuferin erwirkten Urteiles auch auf die Beklagten als deren Einzelrechtsnachfolger erstrecken könnte. Zutreffendenfalls würde die Umstellung des Klagebegehrens im Sinne des § 10 EO (vgl SZ 34/29 ua) mit den Parteien zu erörtern sein.

Die Behebung der aufgezeigten Feststellungsmängel erfordert eine ergänzende Verhandlung in erster Instanz. In Ansehung des Eventualbegehrens waren daher die Aussprüche beider Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zur Ergänzung seiner Verhandlung und neuerlichen Entscheidung rückzuverweisen.

Die Entscheidung über die bisherigen Verfahrenskosten beruht auf § 52 ZPO.

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