OGH 9Ob62/13b

OGH9Ob62/13b26.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer, Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. H***** B*****, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der R***** GmbH, *****, AZ ***** des Landesgerichts Salzburg, vertreten durch Melicharek Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Liebscher Hübel Payer & Lang, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 335.969,89 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Mai 2013, GZ 13 R 89/12x, 13 R 188/12f‑29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 6. Oktober 2011, GZ 27 Cg 72/11y‑17, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0090OB00062.13B.1126.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.770,56 EUR (darin enthalten 461,76 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die R***** GmbH (in weiterer Folge aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens: ursprüngliche Klägerin) begehrte mit der am 12. 4. 2011 beim Erstgericht eingelangten Klage die Zahlung einer ihr von der E***** d.o.o. (in weiterer Folge: E d.o.o.) abgetretenen Forderung an restlichem Honorar aus einem Beratervertrag vom 16. 5. 2006 zwischen der E d.o.o. und dem O*****‑Förderverein (in weiterer Folge: Förderverein). Der damalige Präsident der Beklagten, der auch Präsident des Fördervereins war, habe erklärt, dass das erforderliche Geld von der Beklagten genommen werde, wenn nicht genug Geld im Förderverein vorhanden sei. Die Beklagte habe sich anfänglich auch an dieses Versprechen ihres damaligen Präsidenten gehalten. Am 31. 7. 2007 habe aber der Beratervertrag geendet, die aus diesem Vertrag geltend gemachte Forderung hafte unberichtigt aus. Die Beklagte habe eine Zahlung dezidiert abgelehnt.

Die Beklagte wandte, soweit für das Rekursverfahren von Bedeutung, Verjährung gegen das Klagebegehren ein.

Dagegen machte die ursprüngliche Klägerin insbesondere die Missbräuchlichkeit der Verjährungseinrede geltend. Sie brachte dazu vor, dass die Beklagte seit spätestens 15. 2. 2010 durch ihren jetzigen Prozessvertreter „an vorderster Front“ in die Forderungsbetreibung der ursprünglichen Klägerin eingebunden gewesen sei. Der ursprünglichen Klägerin sei von der Beklagten stets geraten worden, den ehemaligen Präsidenten der Beklagten in Anspruch zu nehmen, weil dieser die Beklagte angeblich nicht verpflichtet hätte. Die Beklagte habe beteuert, in ihren Büchern wären keinerlei Forderungen der Klägerin ausgewiesen. Die Verjährung sei nie ein Thema gewesen. Die ursprüngliche Klägerin sei dem Ratschlag der Beklagten gefolgt und habe gegenüber deren ehemaligen Präsidenten Schadenersatzansprüche geltend gemacht. Die Beklagte habe sich in diesem Verfahren als Nebenintervenientin auf Seite des beklagten Präsidenten angeschlossen, um „allenfalls“ am ehemaligen Präsidenten „Regress nehmen zu können“. Dieser Rechtsstreit sei präjudiziell für das nunmehrige Verfahren gewesen und habe „nicht wenig Kosten verschlungen“. Die ursprüngliche Klägerin habe ‑ erkennbar auch im Interesse der Beklagten ‑ mit einer Klageführung gegen die Beklagte zugewartet, um unnötige Kosten zu vermeiden. Die ursprüngliche Klägerin habe dieses Verfahren letztlich verloren, weil der ehemalige Präsident nach Ansicht des Gerichts die Beklagte ‑ entgegen deren Behauptung am 11. 1. 2007 wirksam und durchsetzbar für die offenen Schulden des Fördervereins gegenüber der E d.o.o. verpflichtet habe. Die Klägerin habe daraufhin unverzüglich die nunmehrige Klage eingebracht. Die Erhebung der Verjährungseinrede durch die Beklagte sei sittenwidrig. Es sei nicht auszuschließen, dass die Beklagte sich durch wahrheitswidrige Beteuerungen, die Forderung der E d.o.o. sei angeblich unbekannt, das Verjährungsprivileg zu erschleichen versucht habe. Aus anwaltlicher Vorsicht werde der Klageanspruch auch auf Schadenersatz gestützt „für den Fall, dass die Beklagte dolos die Verjährung eintreten“ gelassen habe. Es sei ausschließlich auf das schuldhafte Verhalten der Beklagten zurückzuführen, dass im ersten Prozess eine passiv nicht legitimierte Person belangt worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Durchführung eines Beweisverfahrens ab. Forderungen für sonstige Leistungen verjährten gemäß § 1486 Z 1 ABGB in drei Jahren. Der letzte fällige Ratenbeitrag an Honorar sei am 31. 7. 2007 fällig gewesen, sodass gegenüber dem Förderverein die Verjährung der der ursprünglichen Klägerin von der E d.o.o. abgetretenen Forderungen mit 1. 8. 2010 eingetreten sei. Zum Zeitpunkt des Einlangens der Klage bei Gericht sei die Forderung daher als verjährt zu betrachten. Der Einwand der Missbräuchlichkeit der Verjährungseinrede sei bereits nach dem Klagevorbringen unberechtigt.

Am 8. 5. 2013 wurde über das Vermögen der ursprünglichen Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der nunmehrige Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Das (zum Zeitpunkt seiner Entscheidung von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht verständigte) Berufungsgericht hob über Berufung der ursprünglichen Klägerin das Urteil des Erstgerichts mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 28. 5. 2013 auf. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die kurze Verjährungsfrist des § 1486 Z 1 ABGB zur Anwendung gelange und die Forderung der Klägerin zum Zeitpunkt der Klageeinbringung am 12. 4. 2011 daher objektiv verjährt gewesen sei.

Gehe allerdings wie von der Klägerin behauptet die Fristversäumnis auf das Verhalten der Schuldnerin zurück, stehe der Gläubigerin die Replik der Arglist offen. Dies sei bereits dann anzunehmen, wenn die Gläubigerin der Auffassung sein konnte, dass ihre Ansprüche im Prozess nur mit sachlichen Einwänden bekämpft würden. Das Vorbringen der ursprünglichen Klägerin sei geeignet, den Einwand der missbräuchlichen Verjährungseinrede zu begründen. Insbesondere habe danach die Beklagte das Verfahren der ursprünglichen Klägerin gegen den früheren Präsidenten der Beklagten, dessen Ausgang vor der hier zu beurteilenden Klage abgewartet wurde, schuldhaft veranlasst. Dieses Verfahren sei auch im Interesse der Beklagten gelegen, weil dort geklärt worden sei, ob der ehemalige Präsident im eigenen oder im Namen der Beklagten gehandelt habe. Es habe auch nicht im Interesse des Schuldnerschutzes der Beklagten gelegen, wenn die ursprüngliche Klägerin die Klageforderung zuerst oder zugleich gegen die nunmehrige Beklagte geltend gemacht hätte. Ebenso wenig habe der Wert von Beweismitteln der Beklagten für die Bestreitung der Klageforderung verlorengehen oder vermindert werden können, wenn die Beklagte bereits im Vorverfahren als Streithelferin beteiligt gewesen sei. Die ursprüngliche Klägerin habe daher nicht damit rechnen können, dass die Beklagte, nachdem sie den Ausgang des von ihr angeregten und veranlassten Verfahrens abgewartet hatte, den Einwand der Verjährung erheben würde. Da die Fristversäumnis nach dem Klagevorbringen von der Beklagten veranlasst gewesen sei, sei Verjährung möglicherweise nicht eingetreten, weshalb das Verfahren ergänzungsbedürftig sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage bestehe, ob die Verjährung einer Forderung wegen der Führung eines Verfahrens gegen eine dritte Person über Empfehlung der „wahren Schuldnerin“ den Einwand der „replicatio doli“ rechtfertigen könne.

Am 31. 7. 2013 beantragte der nunmehrige Kläger die Fortsetzung des infolge Insolvenzeröffnung unterbrochenen Verfahrens. Mit Beschluss vom 30. 8. 2013 setzte das Erstgericht das Verfahren mit dem nunmehrigen Kläger fort.

Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der Beklagten.

Der nunmehrige Kläger beantragte die Zurückweisung des Rekurses mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, hilfsweise die Abweisung des Rekurses.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof gemäß § 526 Abs 2 ZPO nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts unzulässig.

1. Die Parteien stellen die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Beginn der Verjährung mit der Fälligkeit des letzten Teilbetrags der Honorarforderung am 31. 7. 2007 einsetzte und der vom Kläger geltend gemachte Anspruch gemäß § 1486 Z 1 ABGB objektiv verjährt ist, im Rekursverfahren nicht mehr in Frage.

2. Die Erhebung der Verjährungseinrede verstößt nach der Rechtsprechung immer dann gegen Treu und Glauben, wenn die Fristversäumnis auf ein Verhalten des Gegners zurückgeht (3 Ob 40/07i mwH; RIS‑Justiz RS0014838). Gemeint ist dabei nicht notwendigerweise List, wohl aber ein (bewusstes oder unbewusstes) Verhalten des Anspruchsgegners, aus dem der Anspruchsberechtigte nach objektiven Maßstäben (1 Ob 2/93, 2 Ob 149/05h mwH) mit Recht annehmen konnte, er werde sich in einem späteren Prozess auf sachliche Einwendungen beschränken und keine Verjährungseinrede erheben (RIS‑Justiz RS0034537; RS0103007). Beachtlich kann auch sein, wenn der Gläubiger auch im Interesse des Schuldners statt kostenintensiver Prozessführung den Abschluss eines anderen präjudiziellen Rechtsstreits abwartet (Dehn in KBB³ § 1501 ABGB Rz 2 mwN; 9 ObA 97/05p ua). In diesem Fall kann der Rechtsinhaber nach ständiger Rechtsprechung die Replik der Arglist (bzw den Einwand des Verstoßes gegen Treu und Glauben) entgegenhalten (Mader/Janisch in Schwimann³ § 1451 Rz 16; Vollmaier in Klang³ § 1501 Rz 13 ff).

3. Die Rechtsfrage, ob die Verjährungseinrede im konkreten Fall gegen Treu und Glauben verstößt, ist ‑ worauf die Rekurswerberin in ihrem Rechtsmittel selbst hinweist ‑ nach den Umständen des Einzelfalls zu beantworten und daher im Allgemeinen nicht revisibel (9 ObA 46/12y; 1 Ob 12/13s). Eine die Zulässigkeit des Rekurses dennoch begründende unvertretbare Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zeigt die Rekurswerberin nicht auf. Sie führt aus, dass sie den Anspruch der ursprünglichen Klägerin von Anfang an bestritten habe und ihr Verhalten ein reines Schutzverhalten gewesen sei, welches objektiv keinesfalls geeignet gewesen sei, die ursprüngliche Klägerin ‑ die überdies anwaltlich vertreten gewesen sei ‑ in arglistiger Weise davon zu überzeugen, dass die Beklagte jedenfalls nicht Schuldnerin sei. Die bloße „Empfehlung“, sich an einen etwaigen Dritten zu halten, könne nicht geeignet sein, den Einwand der „replicatio doli“ zu rechtfertigen. Eine solche „Empfehlung“ habe die Beklagte der ursprünglichen Klägerin überdies auch nie gegeben, wozu jedoch Feststellungen fehlten.

Die Rekurswerberin wünscht damit im Ergebnis lediglich eine andere Beurteilung der Berechtigung ihrer Verjährungseinrede, ohne aber eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Dazu kommt, dass das Erstgericht bisher noch kein Beweisverfahren durchgeführt hat, sodass bisher auch keine Feststellungen getroffen wurden. Eine andere Beurteilung der Berechtigung der Verjährungseinrede könnte daher nur auf Grundlage einer anderen Auslegung des Vorbringens der ursprünglichen Klägerin zur Missbräuchlichkeit dieser Einrede erfolgen, als sie das Berufungsgericht vorgenommen hat. Die Auslegung eines Prozessvorbringens stellt aber nach der Rechtsprechung ebenfalls regelmäßig eine Frage des Einzelfalls dar, die keine erhebliche Rechtsfrage begründet (RIS‑Justiz RS0042828). Gegenteiliges gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann, wenn die

Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar ist oder gegen die Denkgesetze verstieße (RIS‑Justiz RS0042828 [T11]). Dies ist hier aber nicht der Fall.

4. Ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht nicht zu beanstanden oder wird sie vom Rekurswerber nicht bekämpft, so kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob sich die vom Berufungsgericht angeordnete Ergänzung des Verfahrens oder der Feststellungen tatsächlich als notwendig erweist (RIS‑Justiz RS0042179; Kodek in Rechberger 3 § 519 ZPO Rz 26). Mangels Geltendmachung einer

erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist der Rekurs trotz Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts nach § 526 Abs 2 ZPO zurückzuweisen.

5. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen (RIS‑Justiz RS0123222).

Stichworte