OGH 1Ob185/13g

OGH1Ob185/13g21.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Aloisia E*****, vertreten durch Stolz & Schartner Rechtsanwälte GmbH in Radstadt, gegen die beklagte Partei Gemeinde R*****, vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung (Streitwert: 70.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 13. August 2013, GZ 1 R 233/12t-130, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 12. September 2012, GZ 15 Cg 168/08w-121, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung über das zweite, dritte und vierte Eventualbegehren zu lauten hat:

„2. Die Klagebegehren des Inhalts,

- die beklagte Partei ist gegenüber der klagenden Partei schuldig, ab sofort jedwede weitere Nutzung der im Plan von DI S***** vom 29. November 1997, GZ 525/87, mit 'neuer Wasserfassung' bezeichneten Quellen, einfließend in die Brunnenstube als Quellzuläufe 4 und 5 auf Gst 701/1 in EZ 58 Grundbuch R*****, wobei dieser Plan einen integrierenden Bestandteil des Spruches bildet, zu unterlassen;

- die beklagte Partei ist gegenüber der klagenden Partei als Hälfteeigentümerin der Liegenschaft EZ 58 Grundbuch R*****, darin eingetragen Gst 701/1, schuldig, ab sofort jedwede Nutzung des Wassers, insbesondere die Einleitung in das Ortswassernetz der beklagten Partei aus den Quellzuläufen 4 und 5 zu unterlassen;

- die beklagte Partei ist gegenüber der klagenden Partei als Hälfteeigentümerin der Liegenschaft EZ 58 Grundbuch R*****, darin vorgetragen Gst 701/1, schuldig, ab sofort jedwede Nutzung des Wassers, insbesondere die Einleitung in das Ortswassernetz der beklagten Partei aus dem Quellzulauf 5 zu unterlassen,

werden abgewiesen.“

Die Kostenaussprüche der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Fällung einer neuen Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz aufgetragen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.645,54 EUR (darin enthalten 2.593 EUR Barauslagen und 342,09 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die „Alpe K*****“ in EZ 58 eines bestimmten Grundbuchs, zu der unter anderem die Gst 701/1, 701/3 und 701/5 gehören, steht im Hälfteeigentum einer Agrargemeinschaft und des jeweiligen Eigentümers der EZ 41 dieses Grundbuchs. Eigentümerin der EZ 41 ist die Klägerin. Die beklagte Gemeinde fasst Quellen auf dieser Liegenschaft. Das dabei gewonnene Wasser wird zum Teil auch für die Versorgung einer weiteren Gemeinde und zur Beschneiung einer Rodelbahn verwendet.

Im Zuge eines wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens erging am 2. 9. 1974 der Bescheid des [richtig:] Landeshauptmanns von Tirol [der nachfolgend vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft aufgehoben wurde]. In diesem war als „Befund“ festgehalten:

1) Quellenfassungen:

Auf Gp 701/1 und 704 KG R***** werden auf einer mittleren Seehöhe von 1.600 m im nördlichen Quellgebiet des K*****-Baches vier Quellen knapp unterhalb der Alpgebäude der K*****-Alm gefasst. Bisher durchgeführte Messungen der Quellschüttungen weisen Schwankungen der Gesamtmenge aller vier Quellen zwischen rd. 4,0 bis 22,0 l/sec auf. Die Fassung der Quellen erfolgt mittels Drainagerohren, die von einer Sickerpackung umgeben sind und gegen eindringendes Oberflächenwasser mit einer Lehmschlag- oder Betondecke abgedeckt sind.

2) Brunnenstube:

Auf der Gp 701/5 etwa 100 m entfernt von den Fassungen laufen die Quellableitungen in einer dreikammrigen Brunnenstube mit den äußeren Grundrissabmessungen 2,5 x 2,7 m zusammen.

In diesem Bescheid wurde von vier Quellen gesprochen, wobei zwei Quellen auf Gst 701/1 und zwei Quellen auf Gst 704 vorgesehen waren. In Spruchpunkt 12. des Bescheids wurde ausgeführt, dass sich das Wasserrecht auf die gesamte Schüttung der zur Fassung vorgesehenen Quellen erstreckt.

Im Dezember 1975 einigten sich die Klägerin und die Beklagte auf die Errichtung dieser „Trinkwasserversorgung K*****-Alpe“ gemäß dem zum vorstehend genannten Bescheid eingereichten Projekt. Die Klägerin war mit der projektierten Trinkwasserversorgungsanlage und insbesondere mit der Nutzung der zwei Quellen auf Gst 701/1 einverstanden.

Die beiden auf Gst 701/1 liegenden Quellen laut dem Projekt vom Jahr 1974 waren zum damaligen Zeitpunkt bereits gefasst und in der Natur ersichtlich, wobei deren exakte Lage im nördlichen Quellgebiet des K*****-Baches knapp unterhalb der Alpgebäude nicht koordinativ vermessen wurde und daher nicht feststellbar ist.

Am 15. 12. 1975 erließ der [richtig:] Landeshauptmann von Tirol nachfolgenden auszugsweise wiedergegebenen Bescheid, in dem unter anderem gemäß § 111 Abs 3 WRG folgendes Übereinkommen beurkundet wurde:

Dieses Übereinkommen stellt eine Ergänzung des im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 13. 3. 1975, Zahl *****, beurkundeten gütlichen Übereinkommens dar und ergänzt dieses in den jeweils angeführten Punkten:

I. Gegenstand:

Zu Punkt 6, vierter Absatz und Punkt 10, zweiter Absatz:

1) Die Geschwister E***** als Grundbesitzer des Hälfteanteiles der K*****-Alpe gestatten der Gemeinde R*****, die auf den Grundparzellen 701/1, 701/3 und 701/5 der KG R***** entspringenden Quellen fachgemäß zu fassen und das Quellwasser mittels einer unterirdisch verlegten Rohrleitung über die Gp 701/1, 701/3 und 701/5 der KG R***** zum Zwecke der Versorgung der Ortschaft R***** abzuleiten, sowie die errichteten Anlagen zu benützen und zu erhalten.

2) Die Lage und der Umfang der zu errichtenden Anlagen sowie die Lage der Quellen sind im Projekt 'Trinkwasserversorgung R*****' aus dem Jahr 1974 der Gemeinde R***** festgehalten. Für dieses Projekt wurde vom Amt der Tiroler Landesregierung der Bescheid vom 2. 9. 1974, *****, erlassen, auf welchen hiermit verwiesen wird und der von beiden Vertragspartnern als verbindlich anerkannt wird. (...)

III. Entgelt:

1) Die projektgemäße Nutzung der oben angeführten Quellen wird von den Grundeigentümern der Gemeinde R***** kostenlos gestattet. (...)

In wasserbautechnischer Sicht wird zwischen Punkt- und Schichtquellen unterschieden, wobei bei der Punktquelle das Wasser punktuell erschrotet wird und bei einer Schichtquelle die Quelle über eine größere Erdschicht verläuft und der Mittelpunkt der Quellen nicht metermäßig genau festgestellt werden kann. Es kann nicht festgestellt werden, von welchem Verständnis hinsichtlich des Begriffs „Quelle“ die Parteien im Übereinkommen vom 15. 12. 1975 ausgingen.

Bis spätestens 29. 4. 1976 waren im Bereich der K*****-Alpe sechs Quellen feststellbar, wobei die unterste Quelle (bergwärts gesehen) ungefasst war. Etwas oberhalb war im Bereich des Rutschhanges eine weitere ungefasste Quelle, damals bezeichnet als Quelle 2. In der Falllinie unter den Almhütten lag die bereits provisorisch gefasste Quelle 3. Zwei weitere Quellen waren im Herbst 1975 neu gefasst worden. Eine weitere Quelle (damals bezeichnet als Quelle 6), die ursprünglich für die Füllung eines Tränktroges herangezogen wurde, war im Jänner 1976 ohne Schüttung und ist erst im Frühjahr 1976 wieder aufgetreten. Die genaue Lage dieser zumindest am 29. 4. 1976 erkennbaren und bezüglich der Schüttung messbaren Quellen im Bereich der K*****-Alpe ist mangels koordinativer Vermessung nicht feststellbar. Insbesondere ist nicht feststellbar, auf welchen Grundstücken der K*****-Alpe diese sechs Quellen liegen, ob zur Gänze auf Gst 701/1 oder auch auf Gst 704.

Die baulichen Anlagen für die Wasserversorgungsanlage R***** sind im Wesentlichen im Jahr 1976 errichtet worden. Die ursprünglich auf Gst 701/5 geplante Brunnenstube I wurde nicht auf diesem Grundstück, sondern 50 m weiter nordöstlich auf dem Gst 701/1 mit einer größeren Dimension als ursprünglich projektiert errichtet. Es kann nicht festgestellt werden, aus welchen Quellen die in die im Jahr 1976 auf Gst 701/1 errichtete Brunnenstube I führenden drei Zuleitungen mit Dimensionen von 100 mm, 150 mm und 200 mm stammen, insbesondere ob das Wasser dieser drei Zuleitungen aus jenen bereits zum Zeitpunkt des Bescheids vom 2. 9. 1974 gefassten beiden Quellen auf Gst 701/1 kommt.

Vom Kulturbauamt des Amtes der Tiroler Landesregierung wurde zumindest vor dem 29. 6. 1981 bezüglich der Wasserversorgungsanlage R***** ein neuerliches Ausführungsprojekt verfasst und erarbeitet, das als „neues Projekt“ bezeichnet wurde. Bei diesem wurde von fünf neu gefassten K*****-Quellen mit einer Maximalschüttung von 35,7 l/sec und davon gesprochen, dass eine Quelle im Frühjahr versiegte. Die exakte Lage dieser im technischen Bericht für das „neue Projekt“ bezeichneten Quellen 1 bis 5 ist mangels koordinativer Vermessung nicht feststellbar. Ebenso wenig ist feststellbar, ob und inwieweit die Klägerin in Bezug auf Gst 701/1 liegende Quellen in das neue technische Projekt eingebunden wurde.

Im Frühjahr 1984 wurde bei den in die Brunnenstube I einfließenden Gewässern eine Trübung festgestellt, die sich bis zum 22. 6. 1984 verstärkte. Ein zuständiger Mitarbeiter des Kulturbauamtes Schwaz schlug vor, den Quellen nachzugraben und diese neu zu fassen. Ein Konsens mit der Klägerin konnte damals nicht erzielt werden. Aus diesem Grund stellte die Beklagte am 25. 6. 1984 beim Amt der Tiroler Landesregierung einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, um die Sanierung der K*****-Quellen durchführen zu können. Nach Erhalt der einstweiligen Verfügung veranlasste die Beklagte im Juli 1984 Arbeiten im Bereich der südöstlich der Brunnenstube I gelegenen Quellen. Es kann nicht festgestellt werden, ob durch diese Erneuerungsarbeiten lediglich Wasser von jenen Quellen gefasst wurde, von welchen bereits zuvor Wasser in die Brunnenstube I abgeleitet wurde, oder ob dadurch auch zusätzliches Wasser und bislang nicht genutzte Quellen erschrotet wurden. Insbesondere ist nicht feststellbar, ob durch diese Erneuerungsarbeiten lediglich Wasser aus jenen Quellen erschrotet und der Brunnenstube zugeleitet wurde, das vom ursprünglichen Genehmigungsprojekt, das dem Bescheid vom 2. 9. 1974 zugrunde liegt, erfasst war. Nach dem Jahr 1984 wurden bei den Quellfassungen im Bereich des Gst 701/1 keine Veränderungen mehr durchgeführt.

Das Verwaltungsverfahren zur wasserrechtlichen Bewilligung der erfolgten Änderungen der Leitungsführungen der Wasserversorgungsanlage ist nach mehreren Rechtsgängen zwischenzeitig bis zur Entscheidung des Gerichts ausgesetzt.

Die Klägerin begehrte von der beklagten Gemeinde in einem Vorprozess die Zahlung von 386.917 EUR sA als Entschädigung für die Quellnutzung. Das Klagebegehren wurde mit der zusammengefassten Begründung abgewiesen, dass die Klägerin als Hälfteeigentümerin der Liegenschaft nicht berechtigt sei, den vollen Entschädigungsbetrag zu fordern. Die Frage des Umfangs der möglichen Quellschüttung der vier K*****-Quellen sei Gegenstand des Bescheids vom 2. 9. 1974 gewesen und in diesem sei das Wasserrecht auf die gesamte Schüttung der zur Fassung vorgesehenen Quellen eingeräumt worden. Nach der Regelungsabsicht der Parteien des Übereinkommens vom 15. 12. 1975 sei es nicht um eine Beschränkung der Wasserbezugsmenge gegangen, sondern um die Absicht, in die Entschädigungsregelung die tatsächlich vorhandene Wassermenge der vier K*****-Quellen zur Nutzung durch die Beklagte einzubeziehen. Die Frage der Entschädigung der Quellnutzung sei einvernehmlich geregelt worden. Sie könne nicht mehr aufgegriffen werden.

Die Klägerin stellte - neben einem im ersten Rechtsgang rechtskräftig abgewiesenen Unterlassungsbegehren - ein Hauptunterlassungsbegehren, ein erstes Eventualbegehren und die im Revisionsverfahren noch strittigen - im Spruch genannten - zweiten bis vierten Eventualbegehren. Sie brachte zusammengefasst vor, dass hinsichtlich der Liegenschaft EZ 58 des näher bezeichneten Grundbuchs zwischen ihr und der Agrargemeinschaft eine Nutzungsteilung bestehe, durch die ihr die gegenständlichen Quellen und Quellfassungen zur ausschließlichen Nutzung überlassen worden seien. Im Zuge von Maßnahmen der Wildbach- und Lawinenverbauung sei festgestellt worden, dass auf dem Grundstück umfangreiche Wasservorkommen bestünden, die für die Trinkwasserversorgung geeignet seien. Es sei ein Verfahren beim Amt der Tiroler Landesregierung eingeleitet worden. Gemäß dem technischen Bericht und dem Bescheid vom 2. 9. 1974 seien vier Quellfassungen auf den Gst 701/1 und 704 sowie die Errichtung einer Brunnenstube auf Gst 701/5 geplant gewesen. Zwei Quellfassungen seien auf Gst 701/1, zwei andere auf Gst 704 geplant gewesen. In diesem Verfahren beim Amt der Tiroler Landesregierung seien die Parteien übereingekommen, dass die projektgemäße Nutzung der (alten) Quellen der Beklagten kostenlos zustehen solle. Die Beklagte sei demnach lediglich berechtigt, jene Quellen zu nutzen, deren Lage sich aus dem Projekt aus dem Jahr 1974 ergebe. Diese Quellen seien nicht Gegenstand des Klagebegehrens. Die Beklagte habe Anfang der 80er-Jahre ohne ihr Einverständnis und ihre Kenntnis weitere Quellen auf ihren Grundstücken gefasst und in die Brunnenstube I eingeleitet. Diese neu gefassten Quellen seien von der Vereinbarung aus dem Jahr 1975 nicht umfasst. Es gebe keinen Rechtstitel für die Nutzung dieses Wassers. Dabei handle es sich um die in der Brunnenstube als Quellzuläufe 4 und 5 bezeichneten Rohre.

Die beklagte Gemeinde wendete zusammengefasst ein, bei den im Jahr 1984 durchgeführten Fassungsarbeiten sei es nur zu einer Sanierung der bereits zu diesem Zeitpunkt gefassten Quelle 4 gekommen. Es seien keine neuen Quellen gefasst worden, sondern nur die Fassung tiefer in den Hang gezogen worden. Die Arbeiten im Jahr 1984 seien durch eine Trübung der Quelle erforderlich gewesen. Die entsprechende Sanierung sei mit einstweiliger Verfügung der Tiroler Landesregierung vom 25. 7. 1984 aufgetragen worden. Eine ergänzende Vertragsauslegung ergebe, dass die Beklagte zur Nachfassung der Quelle jedenfalls berechtigt gewesen sei. Hätte man dazumal bedacht, dass die alten Quellen ungeeignet seien, wäre von vornherein die Fassung der „neuen Quellen“ vereinbart worden. Im Zuge der Fassungsarbeiten im Jahr 1984 seien zwar zwei weitere Leitungen nachträglich in die Brunnenstube eingeleitet worden, weitere Abänderungen der Brunnenstube seien nach 1984 nicht mehr vorgenommen worden. Im Vorprozess sei ausgesprochen worden, dass die gesamte Schüttung der fünf Quellzuläufe vom Übereinkommen gedeckt sei. Demnach verfüge sie über einen rechtskräftig festgestellten Titel zur Ableitung der gesamten Quellen.

Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang das Hauptbegehren und das erste Eventualbegehren - von der Klägerin unangefochten - ab (Punkt 1.) und gab dem zweiten Eventualbegehren statt (Punkt 2.). Eine Identität des Streitgegenstands zum Vorprozess zwischen den Parteien sei nicht gegeben. Die Klägerin sei als Miteigentümerin aktivlegitimiert, Eingriffe Dritter allein abzuwehren. Bei der Eigentumsfreiheitsklage müsse der Kläger sein Eigentum und einen zumindest unmittelbar drohenden oder bereits stattgefundenen Eingriff dartun. Die Beklagte müsse rechtfertigende Gründe dafür, wie etwa ein allfälliges Nutzungsrecht, beweisen. Die Klägerin sei ihrer Beweispflicht nachgekommen. Es bleibe nur zu prüfen, ob die Beklagte den Nachweis eines rechtfertigenden Grundes für den Eingriff erbringen habe können. Im Übereinkommen vom 15. 12. 1975 sei auf das Projekt „Trinkwasserversorgung R*****“ Bezug genommen worden. Es sei festgehalten, dass der Bau und Betrieb der Wasserversorgungsanlage entsprechend dem wasserrechtlichen Genehmigungsbescheid vom 2. 9. 1974 erfolgen dürfe. Der Verweis auf dieses Projekt führe dazu, dass auf die dort ersichtliche Projektbeschreibung Bezug zu nehmen sei. Nach diesem Projekt sollten vier (bekannte) Quellen auf Gst 701/1 und 704 gefasst werden, die eine Schüttung von 4,0 bis 22,0 l/sec aufgewiesen hätten. Weitere auf Gp 701/1 befindliche Quellen seien von der Gestattung nicht erfasst. Die Nutzung sämtlicher auf Gst 701/1 befindlichen Quellen sei vom Übereinkommen nicht gedeckt. Das Ausmaß einer Dienstbarkeit, also Art und Umfang der dem Berechtigten zustehenden Nutzungen, richte sich grundsätzlich nach ihrem Titel. Eine Servitut sei nach dem Grundsatz der schonenden Ausübung einschränkend auszulegen. Der Beklagten komme das Recht auf Quellfassung und Quellnutzung und Trinkwasserleitung im Ausmaß des (ursprünglichen) Projekts nur für die zwei damals bekannten Quellen, nicht aber für sämtliche auf dem Grundstück befindlichen Quellen zu. Durch die Sanierungsarbeiten im Jahr 1984 sei der ursprüngliche Zustand der Quellnutzung insoweit geändert worden, dass in unbestimmter Weise Grabungsarbeiten durchgeführt worden seien. Statt drei Rohre seien nun fünf Zuleitungen in die Brunnenstube geführt worden. Dass damit eine umfassende oder anderweitige Quellnutzung als die ursprünglich eingeräumte Quellnutzung einhergehe, sei selbstredend. Die Negativfeststellungen im Zusammenhang mit dem Umfang der Nutzungsrechte gingen zu Lasten der Beklagten. Sie habe nicht nachweisen können, dass sie durch die ursprüngliche Vereinbarung vom [gemeint:] Dezember 1975 oder durch eine neuere Vereinbarung mit der Klägerin zu dieser Erweiterung berechtigt wäre.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge. Rechtlich führte es aus, der Klägerin sei der Nachweis der primären Voraussetzung für die Eigentumsfreiheitsklage, nämlich der Beweis ihres (Hälfte-)Eigentums, aber auch des Umstands, dass eine Wasserentnahme aus dem Gst 701/1 durch die Beklagte erfolge, gelungen. Sache der Beklagten wäre es gewesen, den Nachweis dafür zu erbringen, dass sie hiezu auch berechtigt sei. Dies sei der Beklagten insoweit gelungen, als sie sich auf eine mit der Klägerin getroffenen Vereinbarung über die Quellfassung und Ableitung des gewonnenen Wassers stützen könne. Strittig sei aber das Ausmaß der Quellnutzung nach dieser Vereinbarung. Während die Nutzung von Quellen aus den Quellzuläufen 1, 2 und 3 (wie im Projekt laut Bescheid vom 2. 9. 1974 beschrieben) von der Vereinbarung gedeckt sei, sei nach den Feststellungen offen geblieben, ob die zwischen den Parteien abgeschlossene Übereinkunft auch eine Nutzung jener „Quellen“ - also jener Wässer, die aus den Quellzuläufen 4 und 5 in die Brunnenstube fließen - mitumfasse. Die diesbezüglich getroffene Negativfeststellung bedeute aber, dass der Beklagten der ihr obliegende Nachweis einer Berechtigung zu dieser Wasserfassung nicht gelungen sei. Wollte man die Auffassung vertreten, dass die Negativfeststellung zu Lasten der Klägerin ginge, so würde dies ein Abweichen vom Grundsatz, dass Dienstbarkeiten einschränkend auszuüben seien (§ 484 ABGB), bedeuten. Beachte man dabei, dass zwar der Widerstreit zwischen den Interessen des Berechtigten und jenen des Belasteten einer Dienstbarkeit in ein billiges Verhältnis zu setzen sei, hiebei aber keine erhebliche Mehrbelastung des dienenden Grundstücks entstehen dürfe, so sei im Zweifel von jener Belastung auszugehen, die den Eigentümer des mit der Dienstbarkeit belasteten Grundstücks im geringeren Umfang belaste. Die getroffene Negativfeststellung gehe daher zu Lasten der Beklagten.

Mit dem Übereinkommen vom 15. 12. 1975 sei der Beklagten nicht das Recht eingeräumt worden, sämtliche auf den angeführten Grundstücken entspringenden Quellen fachgemäß zu fassen. Eine Bezugnahme auf die Lage der Quellen sowie auf die Lage und den Umfang der zu errichtenden Anlagen im Übereinkommen wäre sinnlos, hätte man damit eine Abänderung und Erweiterung der schon im Projekt vom Jahr 1974 vorgesehenen Quellnutzung herbeiführen wollen. Nur jene beiden bereits im Jahr 1974 erfassten Quellen, nicht aber (allenfalls) weitere Quellen seien von der Übereinkunft erfasst. Hinzu trete, dass zur Frage des Entgelts im Vertrag ausdrücklich die kostenlose Einräumung dieser Dienstbarkeit festgehalten worden sei, sodass im Sinn der Unklarheitenregel des § 915 ABGB davon auszugehen sei, dass sich die Eigentümer des dienenden Grundstücks eher die geringere als die schwerere Last auflegen wollten. Zudem sei im Sinn des § 484 ABGB eine Erweiterung der Servitut durch den Berechtigten generell unzulässig und im Sinn der schonenden Ausübung eine Erweiterung der Dienstbarkeit im Zweifel abzulehnen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision im Hinblick auf die einzelfallbezogene Frage der Vertragsauslegung nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Beklagten erhobene außerordentliche Revision, die von der Klägerin beantwortet wurde, ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und berechtigt.

1. Voranzustellen ist, dass die Nutzung von Quellen aus den Quellzuläufen 1, 2 und 3 unstrittig von der Vereinbarung vom 15. 12. 1975 gedeckt ist. Das auf die Unterlassung der Nutzung von Quellen bzw des Wassers (insbesondere) aus diesen Quellzuläufen gerichtete Hauptbegehren und das erste Eventualbegehren wurden auch bereits vom Erstgericht rechtskräftig abgewiesen.

2. Im Übereinkommen vom 15. 12. 1975 gestattete die Klägerin als Miteigentümerin einer Alpe der Beklagten, die auf bestimmten Grundstücken entspringenden Quellen fachgemäß zu fassen, das Quellwasser zur Versorgung der Ortschaft abzuleiten sowie die errichteten Anlagen zu benützen und zu erhalten. Ausdrücklich wurde die Lage und der Umfang der zu errichtenden Anlagen sowie die Lage der Quellen wie im Projekt „Trinkwasserversorgung R*****“ aus dem Jahr 1974 festgehalten. Nach diesem Projekt sollten zwei Quellen auf dem Grundstück 701/1 gefasst werden. Die Klägerin gestattete der Beklagten die kostenlose projektgemäße Nutzung dieser Quellen. Die Vorinstanzen gehen ebenso wie die Parteien davon aus, dass es sich bei der Einräumung der Quellnutzung durch die Klägerin als Miteigentümerin einer Liegenschaft gegenüber der Beklagten um eine (obligatorische) Dienstbarkeit handelt (vgl dazu RIS-Justiz RS0011509; RS0011659).

3. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die von der Klägerin auf § 523 ABGB gestützten Begehren, die Beklagte habe jedwede weitere Nutzung näher bezeichneter Quellen des Grundstücks 701/1, die in die Brunnenstube als Quellzuläufe 4 und 5 einfließen (zweites Eventualbegehren), hilfsweise jedwede Nutzung des Wassers, insbesondere die Einleitung in das Ortswassernetz der Beklagten aus den Quellzuläufen 4 und 5 (drittes Eventualbegehren) oder nur aus dem Quellzulauf 5 (viertes Eventualbegehren) zu unterlassen.

Bei der Eigentumsfreiheitsklage (actio negatoria) hat der Kläger sein Eigentum und den Eingriff des Beklagten, dieser hingegen die Berechtigung seines Eingriffs zu beweisen (RIS-Justiz RS0012186; Koch in KBB³ § 523 ABGB Rz 8; vgl RS0010164). Kann sich derjenige, der auf Unterlassung weiterer Störungen oder auf Beseitigung störender Anlagen in Anspruch genommen wird, auf ein Recht zum Eingriff berufen, so kann dem Unterlassungsbegehren mangels Rechtswidrigkeit des Eingriffs kein Erfolg beschieden sein (RIS-Justiz RS0012038 [T1]).

Die Klägerin ist Miteigentümerin des Gst 701/1. Die Beklagte ist aufgrund der Vereinbarung vom 15. 12. 1975 berechtigt, Wasser aus den beiden auf diesem Grund entspringenden Quellen zu beziehen und abzuleiten (vgl §§ 496, 497 ABGB). Die Klägerin müsste nun den unberechtigten Eingriff der Beklagten in ihr Eigentumsrecht nachweisen. Da dieser im Übereinkommen die unbeschränkte Nutzung von zwei Quellen auf dem Grundstück eingeräumt wurde, reicht für diesen Beweis - entgegen der Ansicht der Vorinstanzen - nicht aus, dass die Beklagte auf dem Gst 701/1 Wasser entnimmt.

Nach dem erstinstanzlichen Sachverhalt ist die exakte Lage der beiden auf Gst 701/1 liegenden Quellen nicht feststellbar. Nicht feststellbar („non liquet“) ist weiters, ob durch die von der Beklagten vorgenommenen Erneuerungsarbeiten vom Juli 1984 lediglich Wasser aus jenen (zwei) Quellen erschrotet (nach Meyers, Großes Konversationslexikon6, 6. Band [1908] 76: beim Bergbau ... Wasser ... auffinden, anhauen) und der Brunnenstube zugeleitet wird, das vom Genehmigungsprojekt aus dem Jahr 1974 erfasst war. Ebenso kann nicht festgestellt werden („non liquet“), ob dadurch - im Vergleich zum verwirklichten Projekt aus dem Jahr 1976, das unstrittig von der Vereinbarung gedeckt ist - auch zusätzliches Wasser und insbesondere bislang nicht genutzte Quellen erschrotet wurden. Wenn die Klägerin erstmals in der Revisionsbeantwortung gestützt auf die Aussage eines Zeugen davon abweichende Feststellungen begehrt, liegt in der Sache eine im Revisionsverfahren unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung vor.

Nach der im „non-liquet-Fall“ - wie hier - zur Anwendung gelangenden Beweislastregel (vgl Rechberger in Rechberger³ Vor § 266 ZPO Rz 8 und 11) ist der Klägerin der ihr obliegende Beweis, dass die Beklagte in ihr Eigentumsrecht durch Überschreitung der Berechtigung zur Nutzung der zwei Quellen eingriff, nicht gelungen. Die Klägerin muss beweisen, dass die Beklagte nicht nur die zwei Quellen nutzt, sondern weitere Quellen. Diesen Nachweis hat sie jedoch nicht erbracht, bleibt doch offen, ob die Beklagte neben der projektgemäßen Nutzung der beiden Quellen zusätzliche Quellen auf dem Gst 701/1 nutzt. Dass die Beklagte - entgegen der Vereinbarung vom Dezember 1975 - mit den Quellzuläufen 4 und 5 Wasser aus zusätzlichen (neuen) Quellen fasst, steht gerade nicht fest. Dies führt mangels nachgewiesenen Eingriffs der Beklagten dazu, dass die restlichen Unterlassungsbegehren (zweites bis viertes Eventualbegehren) ebenfalls abzuweisen sind.

4. Der Revision der Beklagten ist daher Folge zu geben, was zur Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang und zur Neuberechnung der Verfahrenskosten führt. Die Übertragung der die Vorinstanzen betreffenden Kostenentscheidung an das Berufungsgericht ergibt sich aus einem Größenschluss aus § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO. Wenn der Oberste Gerichtshof sogar die Entscheidung der Hauptsache dem Berufungsgericht übertragen kann, sofern die dafür erforderlichen eingehenden Berechnungen einen Zeitaufwand erfordern, der dem Höchstgericht nicht zugemutet werden soll, muss dies umso mehr für die Kostenfrage gelten, zumal sich aus den Rechtsmittelbeschränkungen der ZPO ergibt, dass der Oberste Gerichtshof grundsätzlich nicht mit Kostenfragen belastet werden soll (RIS-Justiz RS0124588). Hier sind nach längerer Verfahrensdauer zufolge der mehrfachen Änderungen des Klagebegehrens verbunden mit zwei Rechtsgängen eingehende Berechnungen anzustellen.

Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren gründet sich auf § 41 und § 50 ZPO. Beim Tarifansatz der Beklagten ist ein Rundungsfehler zu korrigieren. Der Erhöhungsbetrag (§ 23a RATG) beträgt lediglich 1,80 EUR.

Stichworte