OGH 13Os94/13t

OGH13Os94/13t19.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. November 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ostojic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Obiorah U***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 1 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Obiorah U***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. April 2013, GZ 161 Hv 22/13f-81, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt,

- in Ansehung der den Angeklagten Obiorah U***** betreffenden rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch A zugrunde liegenden Taten auch nach § 28a Abs 4 Z 1 SMG sowie

- in Ansehung der den Angeklagten Edwin Ud***** betreffenden rechtlichen Unterstellung der den Schuldsprüchen B/I und B/II zugrunde liegenden Taten auch nach § 27 Abs 4 Z 2 SMG und § 28 Abs 3 SMG und

- demgemäß in den Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnungen) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden Obiorah U***** sowie die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung der Strafaussprüche verwiesen.

Dem Angeklagten Obiorah U***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Obiorah U***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 1 SMG (A) und Edwin Ud***** des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 4 Z 2 SMG (B/I) sowie des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 3 SMG (B/II) schuldig erkannt.

Danach haben in Wien und an anderen Orten als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 7,83 % Kokainbase,

(A) Obiorah U***** „gewerbsmäßig“ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge Edwin Ud***** überlassen, wobei er schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war, und zwar im August oder September 2012 100 Gramm Kokain (1) und am 6. November 2012 200 Gramm Kokain (2);

(B) Edwin Ud*****

(I) im August oder September 2012 dem Austin R***** überlassen, und zwar 100 Gramm Kokain;

(II) am 6. November 2012 in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er von Obiorah U***** 200 Gramm Kokain zwecks Weitergabe an Austin R***** übernahm.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 2, 3, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Obiorah U***** ist teilweise im Recht.

Die Verfahrensrüge (Z 2) wendet sich gegen die Verlesung der - wegen angeblichen Verstoßes gegen § 156 Abs 1 Z 1 StPO vermeintlich nichtigen (§ 159 Abs 3 StPO) - Aussage der im Ermittlungsverfahren als Beschuldigte vernommenen Lebensgefährtin des Angeklagten (ON 41 S 193 ff in ON 46). Sie geht schon deshalb ins Leere, weil die genannten Bestimmungen für Zeugen gelten.

Insoweit liegt aber auch die aus Z 3 des § 281 Abs 1 StPO kritisierte Verletzung des § 252 StPO nicht vor, weil sich die Verteidigerin des Angeklagten nach dem ungerügt gebliebenen Protokoll über die Hauptverhandlung mit dem Vortrag (§ 252 Abs 2a StPO) des gesamten Akteninhalts einverstanden erklärt hat (ON 80 S 31).

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) bezweifelt die festgestellte Suchtgiftmenge mit dem Einwand unberücksichtigt gebliebener Beweisergebnisse, nach denen die Überlassung geringerer Suchtgiftquanten nahe liege. Indem die Beschwerde jedoch nicht einmal behauptet, dass dadurch die Qualifikation des § 28a Abs 1 SMG in Frage gestellt wird, spricht sie keine entscheidenden Tatsachen an.

Dass die Tatrichter die Konstatierungen zur Suchtgiftmenge allein auf die Vorverurteilungen des Angeklagten gestützt hätten, trifft im Übrigen nicht zu (vgl US 10 zur geständigen Verantwortung des Angeklagten vor der Polizei).

Im Ergebnis zu Recht wendet die Subsumtionsrüge (Z 10) jedoch ein, dass die Konstatierungen die Subsumtion nach § 28a Abs 4 Z 1 SMG nicht tragen. Die Annahme der Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung setzt Feststellungen zu sämtlichen Vereinigungsmerkmalen voraus, und zwar zu einem auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung ein oder mehrere Verbrechen (oder andere im Gesetz - namentlich in § 278 Abs 2 StGB - aufgezählte Straftaten) ausgeführt werden (RIS-Justiz RS0125232; zuletzt 14 Os 81/12m). Abgesehen davon, dass die Urteilsannahmen zu einem Zusammenschluss im Sinn einer Willenseinigung, sich zur Erreichung des verpönten Zwecks zusammenschließen, sowie zur kriminellen Zielsetzung (US 8 f) keinen Sachverhaltsbezug aufweisen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 8), fehlen Feststellungen zum zeitlichen Element (vgl dazu Plöchl in WK2 StGB § 278 Rz 8 f) zur Gänze.

Dass der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen auch den Schuldsprüchen des Edwin Ud***** (B/I und B/II) anhaftet, war aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde von Amts wegen zugunsten dieses Angeklagten wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur war daher die Aufhebung des angefochtenen Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang unvermeidbar (§ 285e StPO).

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte Obiorah U***** und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass die Taten des Obiorah U***** trotz Erwähnung gewerbsmäßigen Handelns im Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO (US 3) zu Recht nicht § 28a Abs 2 Z 1 SMG unterstellt wurden. Denn das Erstgericht nahm lediglich an, dass es dem Angeklagten bei jeder Tat darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung, nämlich die Organisation des Suchtgifttransports von Wien nach Klagenfurt, eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 8). Solcherart wurde die für die Subsumtion nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG erforderliche Absicht des Täters auf die Erzielung eines fortlaufenden Einkommens durch das wiederholte Überlassen von (allenfalls sukzessive zu erreichenden) die Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftmengen (RIS-Justiz RS0123909, RS0114843) nicht konstatiert.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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