Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 23. November 2012, GZ 52 Hv 101/12h-25, wurden Mario S***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB, Alexander v***** V***** des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür Mario S***** zu einer Freiheitsstrafe, Alexander v***** V***** zu einer Geldstrafe sowie beide Angeklagten zur Bezahlung von Teilschmerzengeld verurteilt.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richteten sich Berufungen beider Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft.
Nach dem Protokoll über die Berufungsverhandlung vom 23. Juli 2013 (ON 44) waren zum darüber (beim Landesgericht Salzburg) angeordneten Gerichtstag vor dem Oberlandesgericht Linz der Angeklagte Mario S***** und sein Verteidiger Mag. Markus Sc*****, nicht aber der Angeklagte Alexander v***** V***** und dessen Verteidigerin Tina Q***** erschienen, weshalb die Verhandlung - zufolge ausgewiesener Ladung (vgl Rückscheine im Akt AZ 8 Bs 89/13i) rechtsfehlerfrei - in deren Abwesenheit durchgeführt wurde.
Mit Urteil vom selben Tag, AZ 8 Bs 89/13i, wies das Oberlandesgericht Linz die wegen Nichtigkeit erhobene Berufung des Zweitangeklagten zurück, seiner weiteren Berufung sowie jener des Erstangeklagten gab es nicht, jener der Staatsanwaltschaft durch Erhöhung der über Mario S***** verhängten Freiheitsstrafe Folge.
Nach Schluss der Berufungsverhandlung erschienen Alexander v***** V***** und dessen Verteidigerin Tina Q***** im Verhandlungssaal und bekundeten, sie hätten sich „bereits die ganze Zeit vor der Türe“ befunden und „keinen Aufruf der Strafsache“ wahrgenommen, welcher vorliegend - laut einem hierüber verfassten Vermerk des Vorsitzenden - zweimal über die technische Sprechanlage, und zwar mit den Worten „Strafsache gegen Mario S***** - zur Berufungsverhandlung bitte eintreten“ und „Strafsache gegen Mario S***** und Alexander Siegfried v***** V***** - zur Berufungsverhandlung bitte eintreten“ erfolgt war (Vermerk des Vorsitzenden ON 45).
Im nunmehr beim Obersten Gerichtshof fristgerecht eingebrachten Schriftsatz wendet sich der Verurteilte - ohne deutliche Bezeichnung eines bestimmten Konventionsverstoßes - gegen den Ablauf des Berufungsverfahrens. Dadurch, dass die Rechtssache „nicht ordnungsgemäß aufgerufen“ und auch sonst „nicht sichergestellt“ wurde, dass „allen geladenen Personen die Möglichkeit offensteht, sich am Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung zu beteiligen und dort ihre Rechte zu wahren“, sei ihm die Teilnahme an der Berufungsverhandlung unmöglich gemacht worden. Der Angeklagte habe sich rechtzeitig bei Gericht eingefunden und vor dem Verhandlungssaal gewartet, bis „die Staatsanwältin herausgetreten“ sei und „die Berufungsverhandlung gegen Mario S***** aufgerufen“, seiner Verteidigerin aber durch Gesten vermittelt habe, dass sie nicht gemeint sei. Aus diesem Grunde sei der Angeklagte mit seiner Verteidigerin vor dem Verhandlungssaal verblieben.
Nach Auffassung des Erneuerungswerbers hätte sich das Berufungsgericht „selbst darüber versichern müssen“, ob der Angeklagte oder dessen Verteidigerin „vor dem Verhandlungssaal sind oder nicht“; dies zumal die Verteidigerin durch eine Vertagungsbitte bereits im Vorfeld der Berufungsverhandlung zu erkennen gegeben hätte, jedenfalls zum Termin anreisen zu wollen.
Ein Erneuerungsantrag, der sich nicht auf eine Entscheidung des EGMR berufen kann, ist nach gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zulässig (RIS-Justiz RS0122228), muss aber allen gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß entsprechen (RIS-Justiz RS0122737). Weil die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur dann anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein (Grabenwarter, EMRK5 § 13 Rz 16, Rz 48; EGMR 12. 7. 2001, Ferrazzini gegen Italien, Nr 44759/98), muss auch ein Erneuerungsantrag deutlich und bestimmt darlegen, worin eine - vom angerufenen Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende - Grundrechtsverletzung iSd § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei. Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen.
Diesen Erfordernissen wird der vorliegende Schriftsatz bereits mangels Bezeichnung eines bestimmten Konventionsverstoßes nicht gerecht:
Im Übrigen wird die sinngemäß behauptete Grundrechtsverletzung (dSn Art 6 Abs 3 lit c MRK) ausschließlich darauf gegründet, dass der Angeklagte und dessen (deutsche) Verteidigerin einen Aufruf der Sache (§ 239 StPO), der im Übrigen den Erstangeklagten und dessen Verteidiger durchaus dazu bewog, sich in den Verhandlungssaal zu begeben (vgl Danek, WK-StPO § 239 Rz 8), nicht als sie betreffend zu deuten vermochten und sich daher des Rechts auf persönliche Anhörung im Berufungsverfahren (§ 473 Abs 1, Abs 3 und Abs 4 StPO, Art 6 Abs 3 lit c MRK) begaben. Dass der Verteidigerin „in einem fremden Land“ die „Formalien des Ablaufes einer Verhandlung, gerade was den Aufruf zur Sache betrifft, noch nicht vollständig geläufig, also noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen sind“, räumt der Antrag selbst ein.
Der Erneuerungswerber, der solcherart offenbar von einer Verpflichtung des Gerichts ausgeht, das Vorgehen der Verteidigerin zu überwachen, übersieht, dass die Tätigkeit der Verteidigung vom Gericht grundsätzlich nicht zu kontrollieren und ein Einschreiten des Staats (mit Blick auf Art 6 Abs 3 lit c MRK) nur geboten ist, wenn das Fehlen einer ordnungsgemäßen Pflichtverteidigung offensichtlich ist oder die nationalen Behörden von der Nachlässigkeit eines Pflichtverteidigers sonst Kenntnis erlangt haben (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 163; Grabenwarter, EMRK5 § 24 Rz 114; EGMR U 27. 4. 2006 Sannino gegen Italien, ÖJZ-MRK 2007/9, 513; 12 Os 182/10x, EvBl 2011/55, 370 mwN), wofür vorliegend kein Anhaltspunkt besteht.
Der Antrag war daher gemäß § 363b Abs 1 und Abs 2 Z 3 StPO als unzulässig zurückzuweisen.
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