OGH 15Os153/13h

OGH15Os153/13h13.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Vasak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rene T***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. August 2013, GZ 72 Hv 62/13h-79, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rene T***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Danach hat er am 17. Dezember 2012 in Wien eine Person mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung genötigt, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung, nämlich eine länger andauernde Bewusstlosigkeit sowie eine aus einer posttraumatischen Belastungsstörung resultierende Anpassungsstörung zur Folge hatte, indem er Verena P***** mehrere Schläge in das Gesicht versetzte, ihr an den Hals griff und sie würgte, bis sie bewusstlos war, ihr die Hose und die Unterhose auszog und sie mit seinem Finger vaginal penetrierte.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die fehlschlägt.

Dem Vorwurf „undeutlich“ und „unvollständig“ gebliebener Konstatierungen (Z 5 erster und zweiter Fall) zuwider hat das Schöffengericht unmissverständlich festgestellt, dass Verena P***** durch die Tat zahlreiche Prellungen an Kopf und Körper, Schwellungen im Gesichtsbereich, Hämatome, Blutunterlaufungen im Bereich beider Jochbeine, Rötungen des Halses, Schluckbeschwerden und überdies - durch das minutenlange Würgen - eine Blutstauung mit einer massiven, lebensgefährlichen Beeinträchtigung der Blutzirkulation sowie der Sauerstoffversorgung des Gehirns, die zum Platzen der Kapillargefäße mit punktförmigen Blutaustritten im Gesicht und am Hals, zur Bewusstlosigkeit und zu einem tiefen, rund zwanzig Minuten andauernden Dämmerzustand führte, sowie - als weitere Folge der Tat - eine posttraumatische Belastungsstörung erlitt, welche eine andauernde Anpassungsstörung mit Depressionen und Angstzuständen bedingt, sich durch Schlafstörungen, massive Ängste und Unsicherheiten im Kontakt mit anderen Menschen äußert und es der Genannten unmöglich macht, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen, weshalb sie seit dem Vorfall in psychotherapeutischer Behandlung steht (US 5 und 10). An Schmerzperioden wurden (gerafft) fünf Tage schwere, zehn Tage mittelschwere und dreißig Tage leichte Schmerzen angenommen (US 5).

Diese Konstatierungen wurden - logisch und empirisch einwandfrei - auf die Schilderungen des Tatopfers, Videoaufzeichnungen über das Tatgeschehen sowie auf die Expertisen der Sachverständigen Dr. Elisabeth F***** (ON 40 und ON 78 S 34 ff) und DDr. Gabriele W***** (ON 76) gestützt (US 7 f), ohne konkrete (entgegenstehende) Umstände mit Stillschweigen zu übergehen.

Die bloße Behauptung (nominell Z 5, der Sache nach Z 10), „aus einer Gehirnerschütterung mit minutenlanger Bewusstlosigkeit ohne Amnesie“ könne nicht auf eine an sich schwere Körperverletzung im Sinn des § 84 Abs 1 StGB geschlossen werden, geht nicht vom gesamten konstatierten Sachverhalt aus (RIS-Justiz RS0099810; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584) und verfehlt solcherart eine methodengerechte Argumentation (RIS-Justiz RS0116565), weshalb die festgestellten physischen und psychischen Gesundheitsschädigungen die Annahme der Qualifikation nach § 201 Abs 2 erster Fall StGB nicht tragen sollten (vgl Burgstaller/Fabrizy in WK2 StGB § 84 Rz 17 ff und 26; Leukauf/Steininger Komm3 § 84 RN 7; Kienapfel/Schroll StudB BT I3 § 84 RN 17; [zur durch Würgen herbeigeführten Bewusstlosigkeit:] 11 Os 71/02, 15 Os 169/00; [zur posttraumatischen Belastungsstörung:] RIS-Justiz RS0119388, RS0092798).

Mit ihren - Mängel an der Sachverhaltsermittlung reklamierenden - Behauptungen (der Sache nach Z 5a), das psychiatrisch-neurologische Gutachten biete keinen Aufschluss darüber, wie die Sachverständige zu ihrer Einschätzung (vom Vorliegen eines gravierenden - einer schweren Körperverletzung gleichzusetzenden - Störungsbildes) gelangte und es könne sein, dass das Opfer allenfalls schon vor dem 17. Dezember 2012 „an gesteigerter Ängstlichkeit, Misstrauen gegenüber Fremden, Schlafstörungen etc litt“, lässt die Beschwerde offen, wodurch der - durch eine Verteidigerin vertretene - Angeklagte, der einer Verlesung des schriftlichen Gutachtens von DDr. W***** ausdrücklich zugestimmt hatte (ON 78 S 37), an der Ausübung seines Rechts, eine Gutachtenserörterung in der Hauptverhandlung zu erwirken und sein Fragerecht (§ 249 Abs 1 StPO) auszuüben (Hinterhofer, WK-StPO § 127 Rz 16) oder ihm sonst geeignet erscheinende Anträge sachgerecht zu stellen, gehindert gewesen sein sollte (RIS-Justiz RS0118060 [T7]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480 mwN).

Mit der bloßen Spekulation, das beim Opfer feststellbare psychiatrische Zustandsbild müsse nicht zwingend Folge der Tat, sondern könnte auch vorher schon (unbemerkt) vorhanden gewesen sein, unternimmt die Beschwerde nur den (unzulässigen) Versuch, die tatrichterliche Würdigung der Verfahrensergebnisse nach Art einer im kollegialrichterlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in Zweifel zu ziehen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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