OGH 5Ob57/13p

OGH5Ob57/13p6.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* AG, *, vertreten durch Dr. Wilhelm Schlein Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte A* P*, vertreten durch Dr. Peter M. Polak, Rechtsanwalt in Wien, wegen 28.745,17 EUR sA und Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 9. Jänner 2013, GZ 39 R 351/12z‑39, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:E106001

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

1. Die Zinsminderung des § 1096 Abs 1 zweiter Satz ABGB tritt kraft Gesetzes und ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Bestandgebers ein (RIS‑Justiz RS0021443; RS0021420). Soweit die Beklagte Mängel im Inneren des Bestandobjekts geltend macht, die schon bei der Übergabe vorhanden waren, steht fest, dass sie schon vom Zeitpunkt der Übernahme des Bestandgegenstands an deren Behebung gefordert hat. Hinsichtlich der Bauarbeiten auf der Nebenliegenschaft ergibt sich die Kenntnis der Bestandgeberin schon daraus, dass sie nicht nur Eigentümerin dieser Nachbarliegenschaft ist, sondern auch die Bauarbeiten beauftragt hat.

2. Bei Beurteilung der Brauchbarkeit eines Bestandobjekts zu einer bestimmten Verwendung sind immer die Umstände des Einzelfalls maßgebend (vgl 2 Ob 265/04s; 6 Ob 356/04b; 4 Ob 53/08k ua). Bei Beurteilung des Maßes der Beeinträchtigung, hier durch Bauarbeiten auf dem Nachbargrund, sind die Grundsätze des § 364 Abs 2 ABGB analog heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0010567). Dazu vertritt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass in einem geschlossenen Siedlungsgebiet, in dem auch bei gleichbleibendem Charakter mit gelegentlichen baulichen Maßnahmen (Schließung von Baulücken, Umbauten, Erweiterungen, Reparaturen an bestehenden Objekten) gerechnet werden muss, die von solchen baulichen Maßnahmen ausgehenden Immissionen grundsätzlich als ortsüblich anzusehen sind und  soweit sie auch bei schonungsvoller, die Interessen der Anrainer berücksichtigender Bauführung unvermeidbar sind, von jedem Nachbarn hinzunehmen sind (RIS‑Justiz RS0033674; 10 Ob 46/04v bbl 2004, 246 mwN).

Darauf hat das Rekursgericht seine Beurteilung, dass diesfalls der Beklagten in der Zeit der Bauarbeiten am Nebengebäude Mietzinsminderungsansprüche im Sinn des § 1096 ABGB nicht zustehen, gegründet. Diese Beurteilung, die sich an den konkret festgestellten Umständen orientiert, ist im Einzelfall nicht zu beanstanden und stellt damit keine Frage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO dar.

3. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass eine rückwirkende Minderung des Mietzinses durch Aufrechnung von Überzahlungen in der Vergangenheit mit späteren Mietzinsforderungen zulässig ist, soweit entsprechende Zinszahlungen nicht als konkludenter Verzicht auf das Mietzinsminderungsrecht anzusehen sind. Doch müsste der Mieter, der eine derartige außergerichtliche Aufrechnung anstrebt, auch eine Aufrechnungshandlung dartun, weil das Gegenüberstehen gleichartiger Forderungen zunächst nur ein Aufrechnungsverhältnis schafft und erst zur Schuldtilgung führt, wenn eine Aufrechnungserklärung hinzutritt (RIS‑Justiz RS0033876).

Auch durch Erhebung einer prozessualen Aufrechnungseinrede, die als Schuldtilgungseinwand zu werten ist, kann eine Überzahlung infolge gegebener Mietzinsminderungsansprüche als rechtsgrundlose bzw irrtümliche Leistung zur Schuldtilgung führen.

4. Die Frage, ob die Beklagte eine derartige prozessuale Aufrechnungseinrede durch Vorlage einer Aufstellung ohne entsprechendes Prozessvorbringen und ohne Bezifferung der Höhe einer allfälligen Gegenforderung wirksam erhoben hat, was das Berufungsgericht verneinte, hängt nach ständiger Rechtsprechung ebenfalls von den Umständen des Einzelfalls ab. Fragen der Auslegung von Prozesshandlungen bilden, soweit es sich um keine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung handelt, regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0042828 [T23, T24, T25 ua]).

5. Wie schon das Berufungsgericht ausführte, hat die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren kein Vorbringen dahin erstattet, dass der mit der Klägerin vereinbarte Hauptmietzins insofern unzulässig gewesen wäre, als ein Befristungsabschlag im Sinn des § 16 Abs 7 MRG vereinbart hätte werden müssen. Damit erübrigt sich jegliche Auseinandersetzung mit der Anwendbarkeit des § 1 Abs 4 Z 1 MRG auf das gegenständliche Bestandverhältnis.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO war daher das außerordentliche Rechtsmittel der Beklagten zurückzuweisen.

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