Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung ‑ unter Einschluss des bereits in Rechtskraft erwachsenen Teils ‑ insgesamt zu lauten hat:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 22.620,14 EUR brutto samt 8,38 % Zinsen seit 25. 11. 2010 sowie die mit 9.437,98 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens (darin 1.452,48 EUR USt und 723,10 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Das auf Zahlung weiterer 10.036,09 EUR brutto samt Anhang gerichtete Mehrbegehren wird abgewiesen.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 1.069,88 EUR (darin 178,32 EUR USt) an Kosten der Berufungsbeantwortung und 770,45 EUR (darin 128,41 EUR USt) an Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Die klagende Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen der beklagten Partei 652,96 EUR an aliquoten Barauslagen des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der Beklagten ab 12. 12. 2005 als Angestellter im Außendienst beschäftigt. Nach einer einseitig von der Beklagten widerrufenen Auslandsentsendung widersetzte sich der Kläger dem Ansinnen der Beklagten, seine vereinbarte Entsendungszulage zu streichen, worauf er zum 30. 9. 2009 gekündigt wurde. Er focht diese Kündigung erfolgreich wegen verpönten Motivs an. Die Beklagte erhob gegen das stattgebende erstinstanzliche Urteil kein Rechtsmittel.
Im Oktober 2010 trat der Kläger wieder seinen Dienst an. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits Verhandlungen zwischen den Parteienvertretern über eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses sowie die Höhe der an den Kläger dafür zu zahlenden Summe im Gange.
Die vom Kläger geforderte Nachzahlung des während der Dauer des Anfechtungsverfahrens entgangenen Bezüge wurde von der Beklagten mit der Begründung verzögert, der Kläger habe in diesem Zeitraum anrechenbares Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erzielt; eine Nachzahlung könne erst nach Vorlage detaillierter Einkommensnachweise erfolgen. Der Kläger verneinte in der Korrespondenz, Einkünfte erzielt zu haben, und legte dazu eine Stellungnahme seines Steuerberaters vor.
Mit Schreiben seines Vertreters vom 15. 11. 2010 setzte der Kläger schließlich der Beklagten eine Frist bis 22. 11. 2010 für die Nachzahlung der rückständigen Bezüge, wobei er gleichzeitig neuerlich erklärte, im relevanten Zeitraum keine anrechenbaren Einkünfte erzielt zu haben. Da die Beklagte dieser Aufforderung nicht nachkam, erklärte er am 24. 11. 2010 den vorzeitigen Austritt.
Der Dienstvertrag des Klägers enthält in seinem Punkt 15. folgende Klausel:
„ Es wird vereinbart, dass sämtliche Ansprüche aus dem gegenständlichen Dienstverhältnis bei sonstigem Verfall innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit beim Dienstgeber schriftlich geltend gemacht werden müssen. Bei rechtzeitiger Geltendmachung bleiben generell maßgebliche gesetzliche oder kollektivvertragliche Verjährungs- bzw Verfallsfristen gewahrt .“
Die am 16. 5. 2011 eingebrachte Klage ist auf Zahlung von Kündigungsentschädigung für den Zeitraum vom 25. 11. 2010 bis 28. 2. 2011 sowie Urlaubsersatzleistung für 53 Werktage (einschließlich der Ersatzleistung aus dem Titel der Kündigungsentschädigung bis 28. 2. 2011), abzüglich des bereits anlässlich der Kündigung im Jahre 2009 für Urlaubsersatzleistung bezahlten Betrags, gerichtet.
Die Beklagte wandte ein, der Kläger sei mangels Fälligkeit der erhobenen Forderungen unberechtigt vorzeitig ausgetreten. Darüber hinaus seien allfällige Ansprüche nach der im Dienstvertrag vereinbarten Klausel verfallen, weil sie erstmals in der Klage geltend gemacht wurden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren ‑ mit Ausnahme eines im Rechtsmittelverfahren nicht mehr strittigen Teilbetrags von 1.281,71 EUR brutto sA, den es abwies ‑ überwiegend statt. Der Austritt des Klägers sei im Ergebnis deswegen berechtigt gewesen, weil sein Novembergehalt nach § 15 AngG bereits am 15. 11. zur Hälfte fällig gewesen wäre und die Beklagte dieses nicht bezahlt habe.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision mangels der gesetzlichen Voraussetzungen für nicht zulässig. Es kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger schon deswegen zum Austritt berechtigt gewesen sei, weil die Beklagte sich unverrückbar geweigert habe, ihm die unwiderruflich vereinbarte Entsendungszulage weiterzuzahlen; diese Weigerung gehe aus einer dislozierten Feststellung des Erstgerichts hervor, die in den Beweisergebnissen gedeckt und auch nicht bekämpft worden sei. Auf die vom Erstgericht herangezogene Begründung müsse bei diesem Ergebnis nicht weiter eingegangen werden. Auch der Verfallseinwand sei nicht stichhältig. Für Ersatzansprüche aus einer berechtigten vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses gelte § 34 AngG, der eine nicht durch Einzelvereinbarung verkürzbare Frist von 6 Monaten normiere; diese Frist sei mit der Klage gewahrt worden.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung erhobene, nach Freistellung gemäß § 508a ZPO vom Kläger beantwortete Revision der Beklagten ist nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig, weil das Berufungsgericht in seiner Begründung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Die Revision ist aber nur teilweise berechtigt.
1. Behauptete Mängel der erstgerichtlichen Beweiswürdigung, die in zweiter Instanz entweder nicht geltend gemacht wurden oder mit denen sich das Berufungsgericht bereits auseinandergesetzt hat, können im Revisionsverfahren nicht mehr aufgegriffen werden. Dem Obersten Gerichtshof ist daher eine neuerliche Überprüfung der vom Berufungsgericht bestätigten erstgerichtlichen Feststellung, die Beklagte wäre keinesfalls bereit gewesen, dem Kläger ab seinem Wiedereintritt die Entsendungszulage weiterzubezahlen, verwehrt.
Auf diese Feststellung kommt es letztlich aber auch nicht an. Der Kläger hat seinen Austritt nicht für den Fall der Aberkennung dieser Zulage angekündigt, zumal die Streitteile ohnedies in Verhandlungen über eine einvernehmliche Beendigung des Dienstverhältnisses in der laufenden Gehaltsperiode standen. Der Austritt wurde angedroht und schließlich ausgesprochen, weil die Beklagte mit den für die Dauer des Anfechtungsverfahrens rückständigen und fälligen Bezügen des Klägers säumig war.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen war die Beklagte nicht berechtigt, ihre Nachzahlung von der Vorlage von Bilanzen oder sonstigen Nachweisen des Einkommens des Klägers aus seinen selbstständigen Tätigkeiten abhängig zu machen. Für das Vorliegen der Anrechnungsvoraussetzungen ist der Arbeitgeber behauptungs- und beweispflichtig ( Rebhahn in ZellKomm² § 1155 ABGB Rz 49; RIS-Justiz RS0021543). Zwar kann aus der arbeitsvertraglichen Treuepflicht und der Beweisnähe des Arbeitnehmers eine Auskunftsobliegenheit abgeleitet werden, die aber nicht zur Umkehr der Beweislast führt.
Stellt der Dienstnehmer in Abrede, aufgrund des Unterbleibens der Dienstleistung Einkünfte erzielt zu haben, und gelingt dem Dienstgeber der ihm obliegende Beweis nicht, bleibt es bei der Fälligkeit des ungekürzten Entgeltanspruchs. Der Kläger hat vor seinem Austritt wiederholt erklärt und auch durch Urkunden belegt, keine der Anrechnung unterliegenden Einkünfte erzielt zu haben.
Schon die trotz Mahnung fortgesetzte Säumnis der Beklagten, die ausständigen Grundgehälter nachzuzahlen, rechtfertigte daher den Austritt des Klägers. Auf die unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Streitteile über eine Weitergeltung der Entsendungsvereinbarung kam es nicht an.
2. Teilweise berechtigt ist die Rechtsrüge, soweit sie sich auf den bereits in erster Instanz erhobenen und von den Vorinstanzen verneinten Verfallseinwand bezieht.
Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass eine vertragliche Verfallsfrist auf Ansprüche, die der einseitig zwingenden Präklusivfrist des § 34 AngG unterliegen, nicht anwendbar ist.
Das Klagebegehren umfasst jedoch nicht nur eine Kündigungsentschädigung im Sinne des § 29 AngG, sondern auch einen Anspruch auf Urlaubsersatzleistung nach § 10 UrlG für den in der Vergangenheit, während des aufrechten Dienstverhältnisses, erworbenen Urlaubsanspruch.
Diese Forderung zählt nicht zu den in § 34 AngG genannten Schadenersatzansprüchen. Eine Urlaubsersatzleistung fällt nur insoweit unter § 34 AngG, als der Urlaubsanspruch innerhalb der fingierten Kündigungsfrist entstanden wäre (RIS-Justiz RS0097327 [T3]; vgl auch RS0028710; Pfeil in ZellKomm, § 34 AngG Rz 6; Haider in Reissner [Hrsg], AngG § 34 Rz 7, 9).
Nach ständiger Rechtsprechung können auch für zwingende gesetzliche Ansprüche kollektivvertragliche oder einzelvertragliche Ausschlussfristen vorgesehen werden (RIS‑Justiz RS0034517 [T11]), wenn sie nicht zum Nachteil der Dienstnehmer gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen über die Frist zur Geltendmachung verstoßen. Eine dreimonatige Verfallsfrist, die durch außergerichtliche schriftliche Anspruchsstellung gewahrt werden kann, ist nach ständiger Rechtsprechung noch nicht unangemessen kurz (RIS-Justiz RS0034517 [T17]; RS0016688 [T10; T19, T20, T28]; ua Haider aaO, § 34 AngG Rz 37 mwN).
Der Verfallseinwand der Beklagten ist daher, soweit er den Anspruch auf Urlaubsersatzleistung nach § 10 UrlG betrifft, grundsätzlich beachtlich. Der Kläger hat den Verfallseinwand in erster Instanz mit der Begründung bestritten, die vereinbarte Frist widerspreche zwingenden gesetzlichen Bestimmungen, jedoch nie behauptet, seine Forderung ohnedies innerhalb von drei Monaten ab dem Austrittstag schriftlich geltend gemacht zu haben. Das Unterbleiben einer fristgerechten schriftlichen Aufforderung ist unter Würdigung dieser Umstände als zugestandene Tatsache zu werten (§ 267 Abs 1 ZPO).
Vom gesamten Urlaubsersatzbegehren besteht daher nur jener Teil zu Recht, der als Teil der Kündigungentschädigung gebührt und innerhalb der Frist des § 34 AngG gerichtlich geltend gemacht wurde, nämlich für aliquot 6,6 Arbeitstage. Ausgehend von der vom Erstgericht ermittelten, im Revisionsverfahren nicht mehr strittigen Berechnungsgrundlage (5.567,67 EUR brutto x 14) beträgt dieser Anspruch zusammen mit den aliquoten Sonderzahlungen 1.948,64 EUR brutto.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 2 ASGG, §§ 43 und 50 ZPO. Die Obsiegensquote des Klägers belief sich in erster Instanz auf rund 70 % seines Begehrens, im Rechtsmittelverfahren auf rund 72 % des Berufungs- und Revisionsinteresses.
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