OGH 10ObS116/13a

OGH10ObS116/13a12.9.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei T*****, vertreten durch Mag. Egon Lechner, Rechtsanwalt in Münster, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Juni 2013, GZ 25 Rs 49/13m-15, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 255 Abs 2 zweiter Satz ASVG idF des BugetbegleitG 2011, BGBl I 2010/111, liegt eine überwiegende Tätigkeit iSd Abs 1 vor, wenn innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine Erwerbstätigkeit nach Abs 1 oder als Angestellte/r ausgeübt wurde.

2. Nach den Gesetzesmaterialien (RV 981 BlgNR 24. GP 205) besteht Übereinstimmung darin, dass künftig nur eine längere tatsächliche Ausübung des erlernten (angelernten) Berufs geschützt werden und daher zur Erlangung des Berufsschutzes erforderlich sein soll. Als Erfordernis für das Bestehen eines Berufsschutzes muss daher (für Stichtage ab 1. 1. 2011) die Ausübung von mindestens 7,5 Jahren einer solchen qualifizierten Tätigkeit innerhalb von 15 Jahren vor dem Stichtag vorliegen. Diese Regelung soll künftig auch für Angestellte gelten, wobei zur Erhaltung des Berufsschutzes alle „geschützten“ ArbeiterInnentätigkeiten bei ArbeiterInnen und alle Angestelltentätigkeiten zusammengerechnet werden, sodass beispielsweise mit 5 Jahren Tätigkeit als Schlosser und 3 Jahren Tätigkeit als Einzelhandelskaufmann der Berufsschutz in jeder dieser Tätigkeiten erhalten bleibt, aber auch auf das Verweisungsfeld für beide Tätigkeiten verwiesen werden kann.

3. Voraussetzung für den Berufsschutz nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG ist daher nunmehr, dass der Versicherte überwiegend als Angestellter oder in angelernten/erlernten Berufen tätig war, also innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten (7,5 Jahre) eine Erwerbstätigkeit in erlernten/angelernten Berufen oder als Angestellter ausgeübt hat.

4. Durch das BugetbegleitG 2011 wurden die neuen Voraussetzungen für den Berufsschutz auch für selbständig Erwerbstätige eingeführt, sodass als erwerbsunfähig iSd § 133 Abs 2 GSVG nunmehr eine versicherte Person gilt, wenn - neben den in § 133 Abs 2 Z 1 bis 3 GSVG genannten Voraussetzungen - innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag in zumindest 90 Pflichtversicherungsmonaten eine selbständige Erwerbstätigkeit nach Z 3 oder eine Erwerbstätigkeit als Angestellte/r oder nach § 255 Abs 1 ASVG ausgeübt wurde.

5. Der Oberste Gerichtshof hat in der bereits vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 10 ObS 165/12f die Frage, ob bei der Beurteilung des in gleicher Weise geregelten Berufsschutzes nach § 273 Abs 1 ASVG idF des BugetbegleitG 2011 neben Beitragsmonaten einer unselbständigen Erwerbstätigkeit (als gelernter oder angelernter Arbeiter oder als Angestellter) zusätzlich - obwohl sie im Gesetzestext nicht genannt sind - auch Zeiten der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit nach dem GSVG zu berücksichtigen sind, mit der Begründung verneint, dass eine durch Analogie zu schließende Gesetzeslücke nicht vorliegt. Gegen eine planwidrige Unvollständigkeit des § 273 Abs 1 ASVG sprechen bereits die Gesetzesmaterialien zum BugetbegleitG 2011. Nach diesen bestand Übereinstimmung darin, dass künftig nur eine längere tatsächliche Ausübung des erlernten/angelerntenS Berufs geschützt werden und daher zur Erlangung des Berufsschutzes erforderlich sein soll. Sollten die Voraussetzungen für die Erlangung des Berufsschutzes im Vergleich zur bisher geltenden Gesetzeslage, die keine Berücksichtigung von Beitragsmonaten nach dem GSVG zuließ, also erschwert werden, liefe deren nunmehrige Berücksichtigung der Intention des Gesetzesgebers zuwider. Wurden die neuen (erschwerten) Voraussetzungen zugleich für den Bereich des GSVG eingeführt, kann dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, dass er bei Normierung der neuen Voraussetzungen für die Erlangung des Berufsschutzes das etwaige Vorliegen von Beitragsmonaten nach dem GSVG nicht Bedacht hätte. Eine Ergänzung des § 273 Abs 1 ASVG um Beitragsmonate nach dem GSVG widerspräche demnach der vom Gesetz gewollten Beschränkung (10 ObS 165/12f).

6. Diese dargelegten Grundsätze müssen - wie der erkennende Senat jüngst in der Entscheidung 10 ObS 92/13x ausgeführt hat -, in gleicher Weise für die gleichlautende Bestimmung des § 255 Abs 2 zweiter Satz ASVG gelten. Es sind daher auch für die Erlangung des Berufsschutzes nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG nur qualifizierte Tätigkeiten als gelernte oder angelernte Arbeiter sowie Angestelltentätigkeiten zu berücksichtigen, während Zeiten einer selbständigen Tätigkeit nach dem GSVG für die Frage des Berufsschutzes nach dieser Gesetzesstelle weiterhin außer Betracht zu bleiben haben.

7. Die vom Revisionswerber gegen diese Rechtsansicht geäußerten Einwände überzeugen nicht. Die Berücksichtigung von Versicherungszeiten nach dem GSVG und dem BSVG gemäß § 251a Abs 8 ASVG gilt nicht für die Frage des Berufsschutzes (§ 255), sondern nur für die Wartezeit (§ 235) und die Bemessung von Leistungen (RIS-Justiz RS0085042). Die vom Revisionswerber für seinen Rechtsstandpunkt zitierte Entscheidung 10 ObS 4/05v (SSV-NF 19/22) betrifft nicht die Frage des Berufsschutzes nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG sondern - die davon zu unterscheidende - Frage des Tätigkeitsschutzes nach § 255 Abs 4 ASVG.

Die außerordentliche Revision war daher im Hinblick auf die bereits vorliegende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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